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Russland-Frage: IOC sorgt für neues Chaos

Die Athleten aus Russland treten in Pyeongchang unter der Flagge der Olympischen Spiele an

Wieder dauert das Chaos bis zur letzten Minute: Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat sich auch einen Tag vor der Schlussfeier der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang nicht zu einer Entscheidung in der Russland-Frage durchringen können. Am Sonntag sollen die Gespräche fortgesetzt werden.

"Es gab keine Entscheidung. Die Exekutivsitzung ist beendet", sagte IOC-Sprecher Mark Adams am Samstagabend Ortszeit. Die "Regierung" des Ringeordens hatte zuvor den Bericht der sogenannten Implementierungskommission zum Auftreten der russischen Athleten in Pyeongchang angehört und diskutiert. Der Report soll Aufschluss darüber geben, ob die Suspendierung gegen Russland aufgehoben werden kann (Zeitplan der Olympischen Spiele).

Verhandlungen gehen weiter

Wie das IOC weiter erklärte, setzt die 14-köpfige Exekutive um IOC-Präsident Thomas Bach die Beratungen am Sonntag um 08.00 fort. Eine Stunde später beginnt die Vollversammlung des IOC. Fraglich blieb, ob die IOC-Mitglieder noch ihr Votum abgeben werden. Die Schlussfeier beginnt um 20.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MEZ).

So oder so, die Dopingfälle des russischen Curlers Alexander Kruschelnitzki und der Bob-Pilotin Nadeschda Sergejewa lassen eine Entscheidung pro Russland fraglich erscheinen. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hatte den Fall von Sergejewa am Samstagnachmittag bestätigt und die 30-Jährige von den Spielen ausgeschlossen.

Generell bedauerte das IOC den erneuten Vorfall. "So ein Dopingfall ist immer eine Enttäuschung", meinte Adams. Das IOC hatte nach dem Doping-Skandal der Russen bei den Heimspielen 2014 in Sotschi nur 169 angeblich saubere russische Athleten eingeladen, die in Pyeongchang als "Olympische Athleten von Russland" unter neutraler Flagge antreten durften (Der Medaillenspiegel).

Verbände gegen Begnadigung

Mehr und mehr scheint sich nun aber auch in höheren IOC-Kreisen die Meinung durchzusetzen, dass eine Rehabilitierung Russlands nach dem erneuten Dopingfall nicht mehr möglich sei. Das IOC hatte bei seinem Urteil am 5. Dezember die Möglichkeit eingeräumt, dass die Suspendierung gegen die Sportgroßmacht zur Abschlussfeier wieder aufgehoben werden könnte.

Der Branchendienst Insidethegames zitierte IOC-Mitglied Sam Ramsamy, früher auch Mitglied der Exekutive und ein Getreuer von Bach. "Ich denke, dass es sehr schwer sein wird, uns alle davon zu überzeugen, dass wir jetzt die Suspendierung aufheben sollen", sagte der Südafrikaner und fügte an: "Definitiv nicht jetzt bei diesen Spielen."

Kompromiss kaum mehr denkbar

Zuvor war noch von einem Kompromiss die Rede gewesen. Demnach würde das IOC die Suspendierung unter Auflagen aufheben und Russland zur Abschlussfeier den Einmarsch unter eigener Flagge ermöglichen. Dies sollte aber an Bewährungsauflagen geknüpft werden - mögliche weitere Verstöße des Riesenreichs bis zu den nächsten Olympischen Spielen könnten besonders hart bestraft werden.

Bach ist in einer schwierigen Lage, auch deshalb scheint sich der Prozess zur Entscheidungsfindung wieder mal bis zur letzten Minute herauszuzögern. Der erste deutsche IOC-Präsident will es sich auf keinen Fall mit den Russen verscherzen, insbesondere nicht mit Staatschef Wladimir Putin, der ihm nahe steht und Bach bei der Wahl zum IOC-Präsidenten unterstützt hat.

Zum anderen aber darf Bach den Russen nicht alles durchgehen lassen. Was dann passiert, bekommt gerade der Biathlon-Weltverband IBU zu spüren. Da die IBU das Weltcup-Finale vom 22. bis 25. März trotz der jüngsten Dopingfälle weiterhin im russischen Tjumen ausrichten will, haben nach Kanada und Tschechien nun auch die USA mitgeteilt, die Wettkämpfe zu boykottieren. Hier zeigt sich, dass dem Sport durch die von Bach nie richtig gelöste Russland-Problematik wieder einmal eine Spaltung droht.