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Talk bei Anne Will: Das ist die neue CDU-Parteivorsitzende

In der Runde bei Anne Will schauen die Gäste in die Zukunft der Volkspartei CDU. Wie geht es weiter unter Annegret Kramp-Karrenbauer? Foto: Screenshot / ARD
In der Runde bei Anne Will schauen die Gäste in die Zukunft der Volkspartei CDU. Wie geht es weiter unter Annegret Kramp-Karrenbauer? Foto: Screenshot / ARD

Nach 18 Jahren geht die Ära Merkel in der CDU langsam zu Ende. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer steht weiterhin eine Frau an der Spitze der Partei. Wofür sie steht und bei welchen Themen sie lauter wird, zeigt sie in der Talksendung von Anne Will: CDU mit neuer Chefin – reicht das für einen Neustart?

So schnell sieht man sich wieder, sagt eingangs Anne Will. Denn in den letzten Sendungen durften sich die drei Kandidaten um den CDU-Vorsitz vorstellen und profilieren. Jens Spahn, Friedrich Merz und zuletzt eben Annegret Kramp-Karrenbauer. Die jetzt wieder in der Runde sitzt, als frisch gewählte CDU-Parteivorsitzende. Aber reicht das knappe Ergebnis von 51,8 Prozent, nur 17 Stimmen über der erforderlichen Mehrheit bei 1001 Delegierten, aus für einen Neuanfang?

Den Anfang macht Martin Schulz von der SPD, der mal mit absoluter Zustimmung den Vorsitz seiner Partei errungen hat: „100 Prozent sind kein empfehlenswertes Ergebnis. Das ist nicht ehrlich. Man kann auch nie 100 Prozent der Erwartungen erfüllen. Bei der Union war es eine Richtungsentscheidung. Es ging darum, ob Angela Merkel weiter Kanzlerin sein kann, nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern, also ihre Kanzlerschaft retten, indem sie Parteivorsitz und Kanzlerschaft trennt – was sie immer abgelehnt hat. Das geht nur, wenn jemand den Parteivorsitz hat und sie in ihrer Kanzlerarbeit unterstützt. Es ist eine gespaltene Partei nach der Wahl mit einer Vorsitzenden, die Angela Merkel nahesteht.“

Annegret Kramp-Karrenbauer sagt: „Alle Kandidaten haben erklärt, dass sie für den Zusammenhalt der Partei sorgen wollen. Mit Jens Spahn arbeite ich eng zusammen. Auf Friedrich Merz werde ich bald zugehen und fragen, wie er sich einbringen möchte. Große inhaltliche Differenzen gab es zwischen uns nicht, es ging viel um Habitus und Image. Ich bin kein „weiter so“, auch die beiden anderen wollten keine Ära abwickeln. So zugespitzt war es nicht.“

Friedrich Merz hat keine Leistung gebracht

Der ehemalige Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart sagt: „Die CDU weiß nicht, was sie möchte. Ich habe den Eindruck, die Partei will Modernität, gleichzeitig will sie eine Korrektur der inneren Sicherheit und der inneren Reformpolitik. Schizophrenie würde man das bei einer Person nennen.“

Christiane Hoffmann, die stellvertretende Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros geht direkt darauf ein: „Eine Volkspartei muss bis zu einem gewissen Grad schizophren sein, weil sie verschiedene Strömungen integrieren muss. Das Problem ist, dass die Verlierer eine Art Dolchstoßlegende erzählen von Friedrich Merz, der nicht an sich selbst gescheitert sei – was er ist – sondern an Intrigen. Dabei war seine Rede schlecht, sie war zu verkopft, er hat underperformed für jemanden, dem das Image des besten Redners in der CDU vorausgeeilt war. Wer Parteivorsitzender werden will und perspektivisch Kanzler, muss in einer solchen Situation Leistung bringen. Das hat er nicht.“

Ein grundlegendes Problem des Wahlkampfes spricht Wolfang Kubicki von der FDP an. Denn normalerweise folgt darauf die Legislatur, damit die Möglichkeit, Wahlkampfversprechen einzulösen: „Ich sagte ja im Vorfeld, wenn es die CDU kuschelig haben will, muss sie Annegret Kramp-Karrenbauer wählen. Wenn sie Wahlen gewinnen will, dann Merz. Der Kater wird nächstes Jahr kommen. Weil auf dem Parteitag der Eindruck erweckt worden war, die CDU könne eine andere Politik machen. Das kann sie nicht mit Angela Merkel. Auch nicht auf Basis eines Koalitionsvertrags mit der SPD.“

Schwangerschaftsabbruch wird zum Lackmustest?

Dann reibt sich die Runde am Paragraphen 219 a auf, der die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche regelt. Anne Will fragt die neue CDU-Vorsitzende: „Der Paragraph verbietet in der Theorie die Werbung, aber in Praxis kriminalisiert er Ärzte, wenn sie nur darüber informieren. Wollen Sie Frauen in einer so schweren Situation nicht helfen, indem Sie den Paragraphen verändern oder abschaffen?“

Kramp-Karrenbauer: „Frauen in einer Notlage oder in einem inneren Konflikt müssen Zugang zu Informationen haben. Das ist unzweifelhaft. Nur, ob das Werbeverbot aufgehoben werden muss ist die Sachfrage. Darüber habe ich nach meiner Wahl mit Andrea Nahles gesprochen, wir haben aber noch kein Ergebnis.“

Will hakt nach, obwohl keine Antwort auch schon eine Antwort darstellt: „Und wollen sie uns ihre Position verraten?“

Kramp-Karrenbauer: „Ich habe gesagt, das Werbeverbot soll und darf nicht abgeschafft werden. Die Partei wird in die Abstimmung mit einbezogen.“

Schulz dazu: „Die Streichung des Werbeverbots ist aus meiner Sicht im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch, der in Deutschland legal ist, notwendig. Wieso soll ein Arzt nicht sagen dürfen, er macht das im Rahmen des Gesetzes? Es gibt Urteile, und das ist unhaltbar, dass Ärzte dadurch kriminell werden.“

Hoffmann vom Spiegel beunruhigt der Stellenwert des Themas in der Diskussion: „Haben wir sonst keine Probleme? Wir haben schon lange einen Kompromiss gefunden, der gut war. Jetzt gibt es eine Gruppe von Lebensschützern, die diesen Paragraphen missbrauchen und gezielt Ärzte vor Gericht bringt. Das ist nicht aus einer Partei heraus entstanden. Der Konflikt sagt eher etwas über die Verfasstheit der Union aus. Sie steht unter Druck, kann sich Kompromisse praktisch nicht mehr erlauben. Das macht mich nicht gerade optimistisch für die restliche Legislatur, wenn es sich an einer solchen Frage entzündet.“

Die Mär vom alten weißen Mann?

Dann folgt der letzte Themenkomplex des Abends, Anne Will fragt: „Ist die Zeit der weißen alten Männer vorbei, die dachten, sie könnten die Macht unter sich verteilen?“

Hoffmann sagt: „Formulierungen wie ‚es stünde uns gut an, wenn es mal eine Frau wird‘ haben diese Wahl entschieden. Ich tippe, dass 80 Prozent der Frauen in der CDU haben Annegret Kramp-Karrenbauer gewählt. Es gab eine Atmosphäre der spontanen Frauensolidarität, die solche Formulierungen hassen. Niemals würde Frau Kramp-Karrenbauer sagen, ‚es stünde uns gut an, mal einen Mann zum Generalsekretär zu machen‘.“

Gabor Steingart sagt dazu, er habe alle Kandidaten „politisch korrekt“ gefragt, ob sie sich den Parteivorsitz zutrauten. Dann fragt er den neben sich sitzenden Kubicki mit einem Lachen: „Trauen Sie sich Kanzler zu?“

„Ich traue mich alles zu.“ Sind sie das, die alten weißen Männer in trauter Eintracht? Kubicki weiter: „Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Wahl gewonnen, weil sie in ihrer rhetorisch genialen Rede nach innen gesprochen hat. Sie hat an den Mut der Partei appelliert.“ Und direkt an die neue CDU-Vorsitzende gewandt: „Das hätte ich Ihnen so nicht zugetraut. Friedrich Merz hat nach außen gesprochen, nicht an seine Partei.“

Anne Will: „Wir fassen zusammen, Sie trauen sich alles zu, Herr Kubicki, hätten Frau Karrenbauer aber diese Rede nicht zugetraut.“

Kubicki: „Ich kenne sie schon etwas länger, habe sie auch schon beim Karneval erlebt, da war sie auch sensationell.“ Es ist schon überraschend, mit welcher Chuzpe Wolfgang Kubicki in diesem Moment den alten weißen Mann gibt. Vielleicht ist es aber auch einfach nur selbstironisch.

Kramp-Karrenbauer erinnert sich an ihre Anfangszeit in der Politik zurück: „Die Art und Weise wie hier gesprochen wird, begleitet mich schon mein ganzes Leben. Ich wurde damals gefragt, was aus meinen drei kleinen Kindern wird, wenn ich in die Bundespolitik gehe. Die Männer neben mir mit drei kleinen Kindern wurden das nie gefragt.“

AKK kämpft für das Saarland

Den imposantesten Moment des Abends hat sich Annegret Kramp-Karrenbauer aber für den Schluss aufgehoben. Zuerst konfrontiert sie Steingart nochmals mit seiner unsäglichen Aussage, dass man als Ministerpräsidentin des Saarlandes eine bessere Bürgermeisterin sei. Und macht dann weiter: „Weil das Saarland eben klein ist. Dazu kommt, dass sie bei der Verschuldung nach den Stadtstaaten ganz vorne liegen. Das Bruttosozialprodukt, entschuldigen Sie, das ist armselig.“

Da richtet sich Annegret Kramp-Karrenbauer auf, das Lächeln ist aus dem Gesicht verschwunden, ihre Stimme ist fest und laut: „Das empfinde ich als Höchstmaß despektierlich gegenüber den Saarländerinnen und Saarländern. Die aus einer Region kommen, die in einen harten Strukturwandel gefallen ist, die aus der Kohle ausgestiegen ist, ohne dass eine Massenarbeitslosigkeit ausgebrochen ist. Wir haben gemeinsam mit allen Sozialpartnern einen beinharten Sparkurs gefahren, um überhaupt Aussicht auf Erfolg zu haben. Jetzt hat das Saarland das erste Mal seit Jahrzehnten die Chance, einen ausgeglichenen Haushalt zu haben und Schulden abzubauen, wir haben das größte Zentrum für IT-Sicherheitsforschung, wir haben eine der besten Universitäten. Das ist das Ergebnis kluger und harter Politik. Unsere Kinder wachsen zweisprachig auf, die Kitas sind bilingual. Darauf bin ich sehr stolz und das lasse ich mir von Ihnen nicht kaputtreden.“