Talk bei Lanz: "Wieso gibt es die Lust in der SPD an der Selbstzerfleischung?"

Journalist Markus Feldenkirchen erklärt seine Sicht auf die SPD. Andrea Nahles lauscht. Foto: Screenshot / ZDF
Journalist Markus Feldenkirchen erklärt seine Sicht auf die SPD. Andrea Nahles lauscht. Foto: Screenshot / ZDF

Die Talkrunde dreht sich zunächst um die Personalquerelen der SPD, dann um die mangelnde Visionärskraft der Sozialdemokraten. Zum Ende gibt es vom Profi noch Tipps für die anstehende Fastenzeit.

Die Diskutanten

Andrea Nahles, seit 2018 die Parteivorsitzende der SPD, sagt: „In der Politik kann man mich verletzen – aber nicht erschüttern.“

Markus Feldenkirchen, der Journalist äußert sich zur aktuellen Situation der SPD und bewertet die Arbeit von Andrea Nahles: „Bei der SPD weiß man, wofür sie steht.“

Prof. Harald Welzer, Sozialpsychologe, sagt: „Es bedarf immer einer Revolution, um eine Gesellschaft nachhaltig zu verändern.“ Er spricht über Ideen für eine lebenswertere Zukunft und sagt, ob uns der Optimismus fehlt.

Prof. Andreas Michalsen, Arzt, der Ernährungsmediziner spricht über das neueste Wissen aus der Forschung zum Thema Fasten.

Nabelschau der SPD

Ein kleines Geplänkel vorab, da Andrea Nahles zuletzt vor fünf Jahren in der lanz’schen Sendung war. „Wie viel Prozent hatte die SPD damals?“, fragt der Moderator.

„Wahrscheinlich mehr.“

„Weniger geht ja kaum.“

Dem frotzeligen Einstieg begegnet Nahles aber ganz sachlich: „Wenn es unter 20 Prozent geht, schläft man schlecht. Deswegen bin ich ganz froh, dass wir jetzt wieder etwas Rückenwind haben.“ Damit spielt sie an auf jüngere Umfragewerte, laut denen die SPD stabil bei 17 Prozent liegt – nach einem kurzen Spurt in den vergangenen Wochen.

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Nahles erzählt dann, sie habe trotz der schlechten Wahlergebnisse im vergangenen Jahr und einigen politischen Schlappen, wie der Entscheidung um Hans-Georg Maaßen, nie ans Aufhören gedacht. Nur um die Weihnachtszeit sei sie dann sehr kaputt gewesen vom Dauerbetrieb.

Feldenkirchen, der sich seit seiner prämierten Reportage über Martin Schulz zum SPD-Experten entwickelt hat, sagt über das vergangene Jahr: „Mit der Neujustierung der Programmatik, vor allem was die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik angeht, hat sich die SPD einen Gefallen getan. Bis vor kurzem war nicht die Frage nach einem Kanzlerkandidaten, sondern nach der 5-Prozent-Hürde.“

Der Unterschied zwischen Politiker und Politikerin

Lanz sucht die Ursachen dafür im Umgang der SPD-Spitzenpolitiker untereinander, er fragt Nahles: „Wieso gibt es in der SPD die Lust an der Selbstzerfleischung? Sie haben Gerhard Schröder mal als Abrissbirne der Sozialdemokratie bezeichnet. Er sagte vor kurzem, dass nicht mal Sie von sich selbst glauben, Wirtschaftskompetenz zu haben.“

„Der Satz über Gerhard Schröder schien mir damals angemessen. Er war aber trotz meiner Kritik ein guter Kanzler.“

„Trotzdem hat man bei Ihnen das Gefühl, es wird immer persönlich, dass viele Männer gegen eine Frau vorgehen.“

„Das finde ich auch. In der Politik gibt es eben noch immer wenige Vorbilder für Frauen, die ganze Geschichte wurde durch Männer an der Macht geprägt, jetzt ist die erste Generation, mit mehr Frauen.“

Feldenkirchen sagt dazu: „Frau Nahles und Frau Merkel können beide ganz wunderbar im geschützten Raum in Hintergrundgesprächen über andere herziehen. Aber sie machen es nicht öffentlich, das unterscheidet sie von den testosterongesteuerten Parteifreien.“

Visionär Welzer

Nicht das Geplänkel im Kabinett, sondern die verstockte Politik der SPD ist es, die den nächsten Gast in der Runde enttäuscht zurücklässt. Welzer, der sich selbst als “enttäuschten Liebhaber” der SPD bezeichnet, sagt: „Eine moderne Gesellschaft kommt ohne eine linke Partei nicht aus. Das sieht man an Amerika, wenn es kein sozialdemokratisches Gegengewicht zu einer neoliberalen Politik gibt. Ich fand es aber dramatisch, als die CDU in der Flüchtlingskrise so eine infame Rolle gespielt und der Koalitionspartner geschwiegen hat. Da hätte man der Bundeskanzlerin loyal beispringen müssen. Von der Haltung her hätte eine sozialdemokratische Partei gegen so eine Menschenfeindlichkeit vorgehen sollen.“

So viel zu seiner Vergangenheit, Welzer ist aber auch eingeladen, weil er radikale Ideen für die Zukunft der Gesellschaft entworfen hat. An Nahles gewandt sagt er: „Es gibt eine große Heimatlosigkeit von Wählern, die an Ihrer Partei vermissen, dass die großen Fragen nicht adressiert werden. Dass es keine konzeptuelle Perspektive gibt, wie ein soziales modernes Gemeinwesen im 21. Jahrhundert aussieht, das die Angriffe auf die Demokratie, die Übergriffigkeit der Digitalwirtschaft und die Übergriffigkeit der Automobilindustrie abfedern kann.“

Arbeitsplatzsicherung und gesellschaftliche Verantwortung?

Lanz stellt Welzer zwar als Utopisten vor, doch der stellt einige spannende Thesen auf, etwa, dass man die Klimathematik, die Steigerung des Individualverkehrs und steigende Miet- und Immobilienpreise in einen Kontext setzen müsse: „12,6 Prozent der Fläche Münchens sind mit parkenden Autos belegt. Fahrende Autos brauchen dank der Infrastruktur weitaus mehr Raum. Wenn ich sage, wir brauchen die autofreie Stadt, habe ich hinsichtlich der Umwelt einen großen Fortschritt, hinsichtlich der Immobilien einen großen Fortschritt und habe hinsichtlich der Politik einen großen Fortschritt, wenn man die Stadt als analogen Raum der Begegnung begreift.“

Lanz fragt, ob das große Zeitalter der Automobilindustrie vorbei sei? „Unausweichlich“, sagt Welzer. Denn die natürlichen Bedingungen, Raum und Ressourcen, würden es nicht mehr hergeben. Zudem interessierten sich junge Menschen kaum mehr für Autos. „Erfolg ist eine Falle. Erfolg bindet. Erfolgreiche Unternehmen müssen sich selten neu erfinden. Vor allem, wenn sie von der Politik gefeatured werden, wie die Automobilindustrie. Wenn man sich früher Mobilität als Raumüberwindung gedacht hätte, denn darum geht es in der Mobilität – da müssen ja keine vier Räder dran sein – wäre man mittelfristig sicher besser in der Arbeitsplatzsicherung und der gesellschaftlichen Verantwortung gewesen.“

Fasten, Heilfasten, Intervallfasten? Fleisch, Wurst, Vegetarisch?

Zum Ende der Sendung noch etwas für die Seele und den Körper: Fasten. Michalsen erklärt, dass Fasten sensitiver und kreativer mache. Dass es aber erst eine zwei- bis dreitägige kritische Phase gebe, die man überstehen müsse. Denn sobald der Körper realisiert, dass keine Nahrung mehr zugeführt wird, baut er die eigenen Fettreserven ab. Michalsen selbst heilfastet einmal im Jahr, er verzichtet da fünf bis sieben Tage auf feste Nahrung. Da nimmt er nur Saft und Gemüsebrühe zu sich, mit dem Ziel, nicht über 400 bis 500 Kalorien zu kommen. Diese Art des Fastens setzen Mediziner auch gegen Rheuma und Diabetes ein.

Lanz hat eine spezielle Frage: „Ich lese immer von Entschlackung. Gibt es Schlacke im Körper?“

„Der Begriff kommt von Hochöfen. So was gibt es nicht. Habe ich nie gesehen, auch nicht bei Darmspiegelungen.“ Aber während des Fastens würde sich der Körper selbst reparieren, indem er alte Proteine recycelt.

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Die kürzere Version des Fastens ist dabei das Intervallfasten. Michalsen erklärt es wieder an sich selbst: „Ich frühstücke nicht, esse dann reichlich zu Mittag. Vegetarisch, aus ökologischen und ethischen Motiven, aber auch, weil ich schlechte Blutwerte hatte. Etwa 200 Gramm Fleisch pro Woche ist gesund. Wurst gar nicht, die ist nie gesund. Dann gibt es um 18 Uhr Abendbrot und dann ist wieder Fastenzeit bis zum Mittagessen. Jeden Tag 14 bis 16 Stunden.“ Das gebe dem Körper Ruhe, dadurch werde man vitaler und könne besser schlafen.

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