Talk bei Maischberger: Müssen wir Plastikverpackungen verbieten?

Hannes Jaenicke redet sich immer wieder in Rage bei Sandra Maischberger. Er fordert Initiative von der Politik, ein Plastik-Verbot muss her. Foto: Screenshot / ARD
Hannes Jaenicke redet sich immer wieder in Rage bei Sandra Maischberger. Er fordert Initiative von der Politik, ein Plastik-Verbot muss her. Foto: Screenshot / ARD

38 Kilogramm Plastik verbraucht jeder Deutsche pro Jahr. Zusammengeschaufelt ergibt das einen Berg von über drei Millionen Tonnen Müll. Grund genug also für eine Talkrunde bei Sandra Maischberger. Darin zeigt sich, dass der Kampf gegen die Plastikverpackung so langwierig wie verschleißend sein kann. Das Thema der Sendung lautet “Der Plastikfluch: billig, praktisch, gefährlich.”

Wohin das Auge reicht, an dem eigentlich traumhaften Postkarten-Strand, ist kein Strand zu sehen. Stattdessen Plastikmüll, der angeschwemmt wurde aus dem Meer. Und das sind nur die verschwindend geringen zehn Prozent an Müll, die nicht im Meer versinken. Die Bilder vom Strand in der Dominikanischen Republik sind um die Welt gegangen. Genau wie das Seepferdchen, das ein Wattestäbchen mit dem Schwanz umschlungen mit sich fortträgt. Oder der Wal in Thailand, der an acht Kilo Plastik im Magen verstirbt. Plastik sei die Pest des 21. Jahrhunderts, sagt Talk-Gast Hannes Jaenicke. Denn der Einsatz von Plastikverpackungen hat sich seit dem Jahr 2000 im Obst- und Gemüsefach verdoppelt bis verdreifacht. Der Plastikkonsum insgesamt steigt immens, hingegen sinken die Anteile an Mehrwertprodukten und die Recycling-Masse. Wieso das so ist? Weil Plastik bequem ist.

Es geht nicht darum, Plastik zu verteufeln, das macht die Runde klar. Kunststoffe haben viel beigetragen zu unserer Wohlstandsgesellschaft, in der Medizintechnik ist es unverzichtbar, in neuen Technologien, wie dem Leichtbau und der Elektromobilität, ist der Einsatz nicht mehr wegzudenken, aber in der Verpackungsindustrie nimmt es Überhand, so sehr, dass wir die Folgen nicht mehr absehen können.

“Der Mensch ist eine dumme Sau”

Hannes Jaenicke bei Sandra Maischberger (Bild: ARD)
Hannes Jaenicke bei Sandra Maischberger (Bild: ARD)

Hannes Jaenicke ist Schauspieler, das ist bekannt, er liest Hörbücher mit seiner eigentlich angenehm ruhigen Stimme. Doch die ist am Mittwochabend wiederholt verzerrt, weil er seinem dritten Job nachgeht, dem als Umweltaktivist: „Der Mensch ist eine dumme Sau. Wir produzieren in solchen Mengen Plastikmüll, dass wir nicht damit umgehen können.“ Damit hat er nicht unrecht: Weil alles Plastik, das nicht verbrannt oder recycelt wird, irgendwann im Meer landet, entstand eine Müllinsel. Die ist achtmal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. „Jedes Jahr verenden schätzungsweise 1,6 Millionen Seevögel, dazu Fische, Wale, die Plastik mit Beute verwechseln. Oder weil es in manchen Gegenden sechsmal so viel Plastik, wie Plankton gibt. Im Jahr 2050 schwimmt in den Weltmeeren mehr Plastik als Fische. Wozu brauchen wir denn Einwegbesteck, wir vergiften alles damit?“

Wir häufen unsere Sünden an

Wissenschaftsjournalist und ARD-Wissenschaftsmoderator Ranga Yogeshwar berichtet seit 30 Jahren über die fatalen Folgen des Plastiks: „Wir haben Grund zu dramatisieren. Kunststoff ist ganz schwer abbaubar, bis zu 500 Jahre dauert das. Wir häufen unsere Sünden also an.“

Ranga Yogeshwar bei Sandra Maischberger: “„Wir müssen lernen, mit Plastik umzugehen. Verpackungen sind nicht dafür produziert, um sie wegzuwerfen. Die Industrie muss sie recyclebar machen.” (Bild: ARD)
Ranga Yogeshwar bei Sandra Maischberger: “„Wir müssen lernen, mit Plastik umzugehen. Verpackungen sind nicht dafür produziert, um sie wegzuwerfen. Die Industrie muss sie recyclebar machen.” (Bild: ARD)

Etwas verloren in einer Runde von Verpackungsgegnern wirkt während der Sendung Rüdiger Baunemann, er wird vorgestellt als Cheflobbyist der plastikproduzierenden Industrie: „Wir müssen lernen, mit Plastik umzugehen. Verpackungen sind nicht dafür produziert, um sie wegzuwerfen. Die Industrie muss sie recyclebar machen.“ Nur ein Umdenken oder Dazulernen ist beim Konsumenten nicht zu beobachten.

Krude wirken aus dieser Perspektive neueste Ergebnisse einer repräsentativen Studie der Verbaucherschutzzentrale. Stellvertretend ist Kerstin Etzenbach-Effers zu Gast: „Verbraucher wollen den Plastikmüll nicht. 90 Prozent wollen keine überverpackten Produkte. Aber es gibt oft keine Alternative. Kein Pfandjoghurt, kein Pfandglas. Plastik dient dazu, Haltbarkeit und Attraktivität der Produkte zu suggerieren. Aber es keine Vorschriften für den Einsatz. Es ist eine reine Darbietung des Handels.“ Weiter erzählt sie von hanebüchenen Entwicklungen: „Um Bioware von konventionellen Produkten zu unterscheiden, werden Bioprodukte in Plastik verpackt. Jeden Tag verbrauchen wir über sieben Millionen Coffee-to-Go-Becher in Deutschland. Über 40 Millionen Einwegflaschen landen pro Tag im Müll. Anscheinend ist es für den Handel einfacher, Einwegflaschen anzubieten, weil der Pfandrückgabe wegfällt.“

Verbote sind nicht der richtige Weg

Wer trägt also Schuld? Für Hannes Jaenicke ist das klar: „Wir leben in einer Lobbykratie.“ Die Politik müsse den Einsatz von Plastik reduzieren oder verbieten, könne sich aber nicht durchsetzen gegen die Industrie. Dabei haben es viele Länder erfolgreich vorgemacht. Weil in Bangladesch beispielsweise während der Monsun-Zeit Plastiktüten die Kanalisation verstopften, sind diese mittlerweile Geschichte. Muss also erst ein Monsun kommen, damit sich die Politik bewegt? Scheint so.

Ursula Heinen-Esser von der CDU ist nordrhein-westfälische Umweltministerin: „Plastiksteuern ändern kein Verhalten. Es muss Recyclingquoten geben und die Produktion muss mit dem Ordnungsrecht verfolgt werden, dass nur ein bestimmter Plastikanteil in den Handel gelangt. Aber Verbote sind nicht der richtige Weg.“

Sagt die Politikerin. Dabei hat die EU-Kommission, also die Europapolitik, genau das jetzt getan hat: Einweggeschirr, Wattestäbchen und Strohhalme sind ab 2019 verboten. „Warum brauchen wir im Straßenverkehr Geschwindigkeitsbegrenzungen? Weil Verbote manchmal Sinn ergeben. Ich bin für ein Verpackungs-Verbot. Wir sind zu bequem und die Bequemlichkeit wird uns von der Verpackungsindustrie leicht gemacht”, sagt Ranga Yogeshwar.

Ursula Heinen-Esser von der CDU hält nichts von Verboten (Bild: ARD)
Ursula Heinen-Esser von der CDU hält nichts von Verboten (Bild: ARD)

Heinen-Esser: „Wir leben in einer weit entwickelten industrialisierten Gesellschaft. Das Verbotsthema geht mir auf den Geist. Ich möchte nicht ständig dem Konsumenten sagen, was er darf und was nicht.“

Ein zum Ende der Sendung hin noch angeschnittenes Problem ist das Mikroplastik. Wenn Plastik kleingerieben wird, über Zeit, in millimeterkleine Teilchen, dann gelangt es über das Wasser in die Fische, dann in den Menschen. Auch in der Atemluft ist nachweislich Mikroplastik und im Mineralwasser im Supermarkt. Die Gefahren sind noch nicht absehbar, weil die Datenlage unbekannt ist. Gilbert Schönfelder, Mediziner und Toxikologe, sagt dazu: „Richtige wissenschaftliche Daten fehlen uns noch für eine Risikobewertung. Zum jetzigen Zeitpunkt aber deutet alles darauf hin, dass die Dosis an Mikroplastik, die wir aufnehmen, nicht gefährlich ist. Es gibt ein gewisses Risiko, aber bislang keine Gefahr.“

Trotzdem, vor allem für die Umwelt, appelliert nochmal Jaenicke: „Fakt ist, dass das Meer umkippt. Millionen Wale, Delfine, Seevögel sterben. Es ist ein Dreiklang aus Politik, Industrie und Konsument. Alle müssen sich grundlegend ändern.“