Talk-Zoff über Wagenknecht geht viral: "Man darf also nur noch Frau Major einladen?"

Hans Werner Kilz (Mitte) moderiert den "Sonntags-Stammtisch" im BR. In der jüngsten Ausgabe ging es hoch her zwischen Anja Kohl und Armin Laschet (Zweiter von rechts). (Bild: BR)
Hans Werner Kilz (Mitte) moderiert den "Sonntags-Stammtisch" im BR. In der jüngsten Ausgabe ging es hoch her zwischen Anja Kohl und Armin Laschet (Zweiter von rechts). (Bild: BR)

Werden abweichende Meinungen wie die von Sahra Wagenknecht in deutschen Talkshows "diskreditiert" und "in die Ecke gedrängt"? Armin Laschet provozierte mit der Behauptung im BR-"Sonntags-Stammtisch" heftigen Widerspruch. Bei X meldete sich Militär-Experte Carlo Masala mit einem deutlichen Statement.

Beim "Sonntags-Stammtisch" im BR wird im Wirtshaus über die politischen Aufregerthemen der Woche diskutiert. Zu Brezn und Weißbier ist die Stimmung in der Regel zünftig, aber gesellig. Ungewohnt scharf ging es indes in der aktuellen Ausgabe des Talks am Wochenende zu. Da gerieten der frühere CDU-Chef Armin Laschet und ARD-Börsenexpertin Anja Kohl heftig aneinander.

Zoff-Anlass war Sahra Wagenknecht - dabei war die BSW-Gründerin gar nicht anwesend. Laschet jedoch nannte die frühere Linken-Politikerin als Beleg für seine Beobachtung, wonach der Debattenkorridor in Deutschland seit der Corona-Pandemie verengt sei.

"Wir haben ein Diskussionsklima, wenn Frau Wagenknecht bei Frau Illner eingeladen wird, empören sich schon zig Leute, dass man überhaupt eine andere Meinung zu Claudia Major oder Herrn Masala einlädt", sagte Laschet in der BR-Runde. Zwar stehe er inhaltlich auf der Seite der genannten beiden Militärexperten, "aber unsere Gesellschaft krankt doch daran, dass wir die andere Meinung immer total diskreditieren". Laschet weiter: "Ich bin kein Pazifist, war ich nie, aber es gibt auch ein Recht, was Pazifistisches zu sagen."

Armin Laschet erregte sich: "Ich teile nicht die Meinung von Frau Wagenknecht, aber ich werde immer dafür eintreteten, dass sie sie sagen darf." (Bild: BR)
Armin Laschet erregte sich: "Ich teile nicht die Meinung von Frau Wagenknecht, aber ich werde immer dafür eintreteten, dass sie sie sagen darf." (Bild: BR)

"Das ist keine Meinung. Das sind falsche Fakten."

"Nee, nee, Herr Laschet, das ist oft nicht pazifistisch, was Frau Wagenknecht sagt, sondern es ist einfach falsch", grätschte ihm Anja Kohl, regelmäßiger "Sonntags-Stammtisch"-Gast, dazwischen. Laschet erwiderte: "Nein, nein, nein. Sie hat eine andere Meinung. Wer soll denn sonst die Gegenmeinung sagen? Eine Talkshow muss doch beide Meinungen reflektieren."

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Kohl hielt dageben: "Das ist keine Meinung. Das sind falsche Fakten". Sie nannte daraufhin eine ganze Reihe von Tatsachen über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, die Sahra Wagenknecht so nicht anerkenne. Claudia Major habe das in der fraglichen "Maybrit Illner"-Ausgabe im ZDF "ganz klar aufgedeckt".

Armin Laschet reagierte unwirsch: "Man darf also nur noch Frau Major einladen, das haben wir jetzt gelernt", kommentierte er den Einlass Kohls sarkastisch. "Entschuldigung, man darf sagen: 'Ich will Friedensverhandlungen jetzt.'" Sarkastisch war nun auch die Gegenrede: "Man kann auch sagen, die Erde ist eine Scheibe."

Der CDU-Kanzlerzkandidat von 2021 war nun sichtlich aufgebracht: "Sie brauchen mich nicht belehren über Russland! Ich teile nicht die Meinung von Frau Wagenknecht, aber ich werde immer dafür eintreteten, dass sie sie sagen darf." Laschet bezeichnete es als "Teil der Spaltung unserer Gesellschaft, dass die, die etwas anders sehen, diskreditiert werden, in die Ecke gedrängt werden". Das habe "bei Corona begonnen" und lasse sich jetzt an der Ukraine-Frage wieder feststellen mit dem Ergebnis: "Die Gesellschaft wird immer wütender."

Bei "Maybrit Illner" (ZDF) wurde Sahra Wagenknecht zuletzt heftig kritisiert. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)
Bei "Maybrit Illner" (ZDF) wurde Sahra Wagenknecht zuletzt heftig kritisiert. (Bild: ZDF/Svea Pietschmann)

Masala: "Da ist die Trennlinie zwischen notwendiger und überflüssiger Debatte"

Beim Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) löste der Streit beim "Sonntags-Stammtisch" ein heftiges Nachbeben aus - durchaus im Sinne der von Laschet diagnostizierten Spaltung. Ein Teil der User attackierte Anja Kohl heftig, ein anderer unterstellte Armin Laschet, deren Argument nicht verstanden zu haben.

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Zu Wort meldete sich unter anderem auch der vom CDU-Politiker zitierte Carlo Masala. "Ich habe mich in den letzten 29 Monaten mit jeder/jedem an einen Tisch gesetzt, der eine andere Meinung als ich hatte", bekräftigte der Politik-Professor von der Universität der Bundeswehr München. Er erkenne "nur keinen Sinn mehr darin, mich mit Menschen an einen Tisch zu setzen (was ich in der Vergangenheit auch gemacht habe), die Lügen oder Halbwahrheiten verbreiten, die an demokratischem Streit nicht interessiert sind, sondern Propaganda betreiben, auf Gegenargumente nicht eingehen und nur die Bühne für Stimmenfang suchen".

Darin liege aus seiner Sicht der entscheidende Unterschied. Man könne sofortige Friedensverhandlungen fordern und sich darüber streiten, man könne "aber nicht in Zweifel ziehen, dass Russland Kinderkrankenhäuser bombardiert oder dass der 7. Oktober ein barbarischer terroristischer Akt war (um zwei Beispiele aus zwei verschiedenen Diskussionen zu geben). Da ist die Trennlinie zwischen notwendiger und überflüssiger Debatte." Masala weiter: "Demokratische Debatte hat Regeln und eine lautet, dass man verschiedener Meinung sein kann, aber Fakten halt Fakten sind."

Wagenknecht nannte bei "Maybrit Illner" nicht korrekte Zahlen

In der letzten "Maybrit Illner"-Ausgabe hatte sich Sahra Wagenknecht unter anderem über die angeblichen Ausgaben für die Rüstung in Deutschland geäußert. Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Claudia Major hakte ein - und stellt diese richtig. "Ich glaube, dass ich ein anderes Verhältnis zu Fakten habe als Sie." Denn, so Major, bei den von Wagenknecht genannten Zahlen handle es sich nicht um Rüstungsausgaben, sondern um den gesamten Verteidigungshaushalt - ein enormer Unterschied.

Daneben behauptete Wagenknecht: "Es gibt viele zivile Opfer durch heruntergefallene Raketenteile, weil die Ukraine selbst Raketen abschießt." Sie unterstellte: "Im Krieg wird auf allen Seiten gelogen." Claudia Major attackierte Wagenknecht daraufhin scharf: "Sie vergiften die öffentliche Debatte, wenn Sie Zahlen und Erzählungen, die nur auf russischer Propaganda beruhen, teilen. Sie delegitimieren die Ukraine. Fakten sind so wichtig. Wenn Sie die Fakten immer wieder infrage stellen, dann wird die Debatte vergiftet."