Talkshows in der Diskussion: Wie umgehen mit der AfD?

Für den Auftritt von AfD-Politiker Uwe Junge (ganz links) bei Plaßberg (ganz rechts) hagelte es Kritik (Bild: Dirk Borm/WDR/dpa)
Für den Auftritt von AfD-Politiker Uwe Junge (ganz links) bei Plaßberg (ganz rechts) hagelte es Kritik (Bild: Dirk Borm/WDR/dpa)

Kritik an Talksendungen ist so alt wie das Format selbst. Aber kurz vor der Sommerpause gab es noch einmal etwas heftigere Diskussionen - vor allem über den Umgang mit der AfD.

Frank Plasberg hat am Montag (15.7.) noch eine Sendung vor sich. Danach sind die vier Polit-Talkshows im Ersten und im ZDF (also “Maischberger”, “Maybrit Illner”, “Anne Will” und eben auch “hart aber fair”) in der Sommerpause. Vorher ist das Format aber noch einmal heftig in die Kritik geraten. Es geht wieder mal um die AfD.

Anlass war Plasbergs Sendung, bei der er Anfang Juli den AfD-Fraktionsvorsitzenden in Rheinland-Pfalz, Uwe Junge, eingeladen hatte. Das Thema lautete “Aus Worten werden Schüsse: Wie gefährlich ist rechter Hass?”

Schon bevor die Talkgäste im Studio saßen, waren auf Twitter kritische Stimmen zu hören - bis hin zu der Aufforderung, den AfD-Vertreter wieder auszuladen. Auch an Plasbergs Gesprächsführung hatten manche einiges auszusetzen. Ihm wurde vorgehalten, er habe Junge zu ausführlich zu Wort kommen lassen.

Medien zwischen Fairness und Feldzug

Medien können beim Umgang mit der AfD vieles falsch machen. Hans Leyendecker, Journalist und Präsident des Evangelischen Kirchentages, formulierte das in einem Beitrag für die “Süddeutsche Zeitung” nach der Sendung so: “Wenn es um die AfD geht, werden viele Journalisten unruhig, die einen verfallen in eine Art Überkorrektheit, sie scheinen ständig beweisen zu müssen, dass sie diese Partei so fair wie alle andere Parteien behandeln. Die anderen agieren so aggressiv, als befänden sie sich auf einem permanenten Feldzug.”

Beim Evangelischen Kirchentag Ende Juni in Dortmund waren keine AfD-Repräsentanten als Podiumsteilnehmer eingeladen. Aber eine Talkshow sei kein Kirchentag, argumentiert Leyendecker, eine Nicht-Einladung in diesem Fall keine Lösung: “Der Talk hat nicht dieselben Freiheiten wie andere Bühnen. Eine Talkshow, die niemals einen Vertreter der größten Oppositionspartei einladen würde, wäre eine noch komischere Veranstaltung, als sie es in den Augen vieler Kritiker ohnehin schon ist.”

Auch Tom Buhrow, Intendant des für “hart aber fair” verantwortlichen Westdeutschen Rundfunks (WDR), hat die Einladung Junges bei der Sitzung des Rundfunkrats am Freitag nach der Sendung verteidigt: Die Redaktion habe sich das sehr gut überlegt. “Man muss sich ja nur einmal vorstellen, man hätte eine Sendung gemacht über die Zusammenhänge zwischen rechtsextremem Gedankengut und kriminellen Taten ohne die Seite, die man zur Verantwortung zieht, einzuladen.” Das wäre journalistisch wertlos, so der WDR-Intendant.

ARD-Chefredakteur Rainald Becker teilte auf dpa-Anfrage dazu mit: “Die AfD wird behandelt wie alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Einladungen in Talksendungen werden nach journalistischen Kriterien ausgesprochen. Das heißt unter anderem, wenn die AfD zu dem Thema der Sendung eine spezifische Meinung hat, wenn die Ansicht der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag von journalistischer Relevanz ist oder wenn es eine Betroffenheit von AfD-Politikern oder der Gesamtpartei gibt.” An der Einladungspraxis habe sich mit dem Einzug der AfD in den Bundestag nichts geändert.

“Bösewichter” sind im Vorteil

Leyendeckers Skepsis zielt auch auf das Format an sich: “Talkshows sind Theater. Manchmal mit guten, manchmal mit schlechten Inszenierungen”, schrieb er. Die Gäste bei “hart aber fair” hätten ziemlich feste Rollen: “Berechenbar. Unterhaltungsprogramm eben.”

So sieht das auch der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister. Es sei wie im Puppenspiel: “Es gibt den Bösewicht, es gibt den Experten vom Dienst”, erläuterte er im Deutschlandfunk. Wer als Bösewicht auftrete, habe im Grunde einen Vorteil, weil er sich in die Opferrolle begebe. “Das ist der AfD in den letzten Monaten und Jahren sehr zugutegekommen.” So seien die Talkshows unfreiwillig zum großen Werbeträger für die AfD geworden.

Die Publizistin Carolin Emcke, vor drei Jahren mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, kritisierte in der “Süddeutschen Zeitung”, Gesprächssendungen im Fernsehen pervertierten oft jene elementaren Kriterien, die ihnen helfen sollten, ihren gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen, so dass sie die öffentliche Meinungsbildung nicht nur nicht förderten, sondern verhinderten.

Im Frühsommer vergangenen Jahres gab es eine ähnliche Debatte: Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, hatte ARD und ZDF ein Jahr Talkpause empfohlen, um in Ruhe über die Formate nachzudenken. Zu viele Talkshows im Ersten und im ZDF über die Themen Flüchtlinge und Islam hätten dabei geholfen, die AfD “bundestagsfähig” zu machen, lautete damals seine Kritik.

Ausrutscher nach positiver Veränderung

Und wie sieht er das heute? Er habe das Gefühl, dass man über die Kritik nachgedacht und berücksichtigt habe, dass es nicht nur das Thema Migration gebe. Da habe sich etwas positiv verändert. Aber die “hart aber fair”-Sendung sei dem Moderator sichtbar entglitten, sagte Zimmermann. “Ich glaube nicht, dass er das gewollt hat. Aber die Sendung ist zu dem geworden, was sie eigentlich nicht hätte werden sollen, nämlich letztlich eine Veranstaltung, bei der die AfD die Themen bestimmt hat, bei der sie sich zum Opfer stilisieren konnte.”

Der Vorwurf, Talksendungen setzten auf vermeintlich quotenträchtige kontroverse Themen, wovon die AfD profitiere, ist nicht neu. Im April hatte die Otto-Brenner-Stiftung die Studie “Agenda-Setting bei ARD und ZDF?” veröffentlicht, die zeigte, dass Migration - im Monat vor der Bundestagswahl 2017 - in der Berichterstattung bei den Sendern tatsächlich ein herausragendes Thema in Politikmagazinen und Wahlsendungen war. Mit Blick auf die Talkshows kam sie zu einem anderen Ergebnis: Da war das ausdrücklich nicht so.

Die Sommerpause der Talker endet am 14. August, dann kommt Sandra Maischberger zurück auf den Bildschirm. Als Letzter ist Frank Plasberg wieder zu sehen: am 16. September. Die Diskussion um die Frage zum richtigen Umgang mit der AfD wird ihnen erhalten bleiben.