Tatort aus Ludwigshafen: Zwei Seiten einer Medaille

Die Brüder Mirhat und Martin Rojan planen einen Anschlag auf den US-Staatssekretär. Foto: SWR / Alexander Kluge
Die Brüder Mirhat und Martin Rojan planen einen Anschlag auf den US-Staatssekretär. Foto: SWR / Alexander Kluge

Es begeistern immer die Tatorte, die tiefer als an der Oberfläche graben, die eine Geschichte erzählen, die nicht so eindeutig und klar ist, wie sie anfangs erscheint. So geschehen im Tatort “Vom Himmel hoch” aus Ludwigshafen. Er zeigt anschaulich: Die Grauen des Krieges treibt nicht nur Opfer um, sondern auch Täter. Und beide gelangen auf verschiedenen Wegen zu demselben Schluss.

Es beginnt ganz einfach. Dr. Steinfeld, ein renommierter Psychiater, wird erschlagen in seiner Praxis vorgefunden. Die Tatwaffe: eine gusseiserne Figur von Edvard Munchs “Der Schrei”. Steinfeld betreute, spezialisiert auf Posttraumatische Belastungsstörungen, nicht nur Flüchtlinge, die den Irren des Krieges entflohen sind, sondern auch traumatisierte US-Militärangehörige der Basis in Ramstein.

Beim Sichten seiner Patientenakten wird klar, dass Steinfeld einen Anschlag auf den US-Staatssekretär Jason O’Connor (Peter Gilbert Cotton) vermutete. Er hatte sich einen Artikel markiert, in dem Explosionsgeräusche in den Weinreben gehört wurden. Ebenso Zeitungsausschnitte herausgesucht, die über den Besuch des Staatssekretärs und dessen Treffen mit dem deutschen Verteidigungsminister berichten.

Infrage für den Anschlag kommen die Brüder Mirhat und Martin Rojan (Diego und Cuco Wallraff). Sie wurden von zwei Polizisten gesehen, als sie das Hotelgebäude fotografierten, in dem der Staatssekretär unterkommen würde. Außerdem hat Hauptkommissarin Lena Odenthals (Ulrike Folkerts) Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) einen der Männer dabei gesehen, wie er in der Nähe der Praxis von Dr. Steinfeld mit dem Fahrrad fuhr.

Der US-Staatssekretär ist zu Gast und wird mit allen Ehren erwartet. Er ist in Amerika für die Weiterentwicklung der Drohnenarbeit zuständig. Foto: SWR / Alexander Kluge
Der US-Staatssekretär ist zu Gast und wird mit allen Ehren erwartet. Er ist in Amerika für die Weiterentwicklung der Drohnenarbeit zuständig. Foto: SWR / Alexander Kluge

Noch in der Nacht vor dem Gipfeltreffen der beiden Oberen wird ein Meeting einberufen. Es treffen sich Odenthal und der Oberstaatsanwalt (grandios gespielt von Max Tidorf), ebenso die Kollegin von Dr. Steinfeld. Sie erzählt, dass Mirhat Rojan seine beiden Kinder bei einem amerikanischen Drohnenangriff im Irak verloren hat. Der Staatsanwalt findet heraus, dass Rojan unter anderem über die Bundesregierung versucht hat, das US-Militär zur Rechenschaft zu ziehen. Ohne Erfolg.

Eine Routineuntersuchung führt auf eine neue Spur

Johanna Stern geht mittlerweile einer Routineuntersuchung nach. Sie klappert alle Patienten von Dr. Steinfeld ab, die mit Drohnen zu tun hatten und die der Psychiater als “bedenklich” eingestuft hat. Dabei trifft sie auf Heather Miller. Sie hat als Screener gearbeitet, war also diejenige, die die kleinen Punkte auf den Karten identifizierte und auf sie schoss.

Heather Miller leidet unter Depressionen. “Vor ihnen steht eine Massenmörderin”, sagt sie zu Stern. Mindestens 300 Menschen habe sie getötet, darunter auch über drei Dutzend Frauen und Kinder. “Die kleinen Punkte, die sich auf der Karte so unvorhersehbar bewegten, weil sie spielten. Die Kinder.” Sie möchte sich selbst töten, doch den US-Staatssekretär mit in den Tod nehmen. “Damit sie mich nicht vergessen”, lautet ihre Erklärung.

Heather Miller (vorn) hat als Screener in Texas gearbeitet und ist von dort Drohnen geflogen. Sie hat über drei Dutzend Frauen und Kinder auf dem Gewissen. Foto: SWR / Alexander Kluge

Drei Menschen, unterschiedliche Motive, ein Ziel. Töten. Töten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aufmerksamkeit, die sie auf anderem Weg nicht bekommen. Töten, um sich zu rächen, um den Krieg zu verteufeln, der so Angst einflößend ist, wenn er mal auf deutschen Boden auftaucht.

Keine plakativen Täter und Opfer

Die Musik im Tatort begleitet das Anschlagsszenario mit dumpfen Bässen. Sie grollen zum letzten Akt und werden schließlich stumm, wenn der Oberstaatsanwalt – als er sieht, wie die Rojan-Brüder abgeführt werden – sagt: “Unfassbar”. Und auch als Heather Miller von Lena Odenthal erschossen wird, werden ihre Gedanken mit einem Schuss weggewischt: “Unbelievable”, sagt der Staatssekretär und geht weiter. Und doch ist es für den Zuschauer so verständniserregend und glaubwürdig.

Natürlich vereinfacht ein Tatort wie dieser immer noch Geschehen vor Ort. Im Krieg gibt es keine leichten Entscheidungen. Es gibt immer ein Für und ein Wider, eine Sehnsucht nach Frieden auf allen Seiten. Aber der Tatort mit Drehbuchautor und Regisseur Tom Bohn macht seine Arbeit gut, in dem er wenigstens versucht, keine plakativen Täter und Opfer festzulegen.

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