Nach "Tatort"-Drama um Ehekrieg und Unterhalt: Wie gerecht ist diese Gesellschaft?

Die Kommissare Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) ermitteln im Fall einer ermordeten Mitarbeiterin des Jugendamts. Der neue Kölner "Tatort" war ein bösartiges Collagestück über den Hass von getrennt lebenden Eltern aufeinander.

Im Kölner "Tatort: Niemals ohne mich" konnte man sich leidenschaftlich hassenden Menschen zusehen. Und das ganz ohne krasse Gangster-Typen und fiese Verbrechensgenres. Nein, der größte Hass findet im Nukleus der Gesellschaft statt - unter denen, die sich mal sehr geliebt haben: getrennt lebende Eltern. Ist es wirklich so schlimm - und was kann man tun, wenn der Ex-Partner keinen Unterhalt zahlen will?

Worum ging es?

Jugendamts-Mitarbeiterin Monika Fellner (Melanie Straub) hatte viele Feinde. Dies fanden Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Kollege Freddy Schenk (Dietmar Bär) heraus, als sie der Wohnung des allein lebenden Opfers Ende 30 Überwachungsfotos und Akten fanden. Bei Fellner sieht aus wie bei einem Privatdetektiv, die Sachbearbeiterin hatte einen Gerechtigkeitsfimmel. Sie war unerbittlich, wenn es um getrennte Eltern ging, die nicht für ihre Kinder aufkommen wollten - und sie stellte ihren "Verdächtigen" nach. Spannend und teilweise bitter komisch waren die Ermittlungen der Kommissare unter diversen getrennt lebenden Eltern, die sich von Fellner bis zur Weißglut - und eventuell darüber hinaus - provoziert fühlten. "Niemals ohne mich" war ein ebenso bodenständiger, spannender wie inhaltlich interessanter "Tatort".

Worum ging es wirklich?

Die größte negative Energie entwickeln Menschen, die ihren Einsatz, ihre Fürsorge und Liebe nicht gewürdigt oder gar missachtet sehen. Der Familienkriegs-"Tatort" aus Köln zeigte in unterschiedlichen Beispielen, wie Alleinerziehende vom Ex-Partner allein gelassen werden, woraus sich neben Frust und Hass auch prekäre Existenzen ergeben: Ein aufbrausender, keinen Unterhalt zahlender Dachdecker und Schwarzarbeiter war stinksauer auf seine studierte Ex, die ihn verlassen hat, aber nun einen unwürdigen Lagerjob sowie die Schulzeiten der kleinen Tochter unter einen Hut bringen muss. Das Architektenpaar Rainer (Peter Schneider) und Katja (Katrin Röver) trennte sich, als Katja mit ihrem Chef zusammenkam. Rainer wurde entlassen, rutschte in die Arbeitslosigkeit und eine schäbige Sozialwohnung ab. Während Katja fortan in einer mondänen Designervilla mit Pool und kleiner Golfanlage lebt, muss sie ihrem verarmten Ex keinen Cent zahlen, weil sie offiziell nicht arbeiten geht. Geht es in Deutschland noch gerecht zu?

Scheidung und Unterhalt (Getty)
Scheidung und Unterhalt (Getty)

Zahlt tatsächlich nur jeder Vierte Getrennte vollen Unterhalt?

"Nur jeder vierte, zu Unterhalt verpflichtete Elternteil zahlt den vollen Betrag", erfährt der Zuschauer in der ersten Hälfte des Films. Ein Wert, der zumindest erstaunt. Der erfahrene Drehbuchautor Jürgen Werner (56), er schreibt regelmäßig für die "Tatort"-Standorte Köln und Dortmund, hat herausgefunden, dass die überwiegende Mehrheit der getrennt lebenden Väter und Mütter in Deutschland angeben, nicht genug Geld zur Verfügung zu haben, um den am jeweiligen Einkommen orientierten Unterhalt zu zahlen. "75 Prozent sagen, sie können es sich nicht leisten", sagt Werner. "Das klingt, als wäre Deutschland das Armenhaus Europas. Das ist die Regel. Eltern, die trotz Trennung immer noch gemeinsam für ihre Kinder da sind, scheinen eher die Ausnahme zu sein."

Was können Alleinerziehende tun, deren Ex keinen Unterhalt zahlt?

Alleinerziehende können in Deutschland Unterhaltsvorschuss beantragen, wenn der Ex-Partner nicht für die Kinder aufkommt. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um einen Vorschuss der Behörde, die erst mal einspringt, um sich das Geld später vom zahlungsunwilligen Elternteil zurückzuholen. Das klappt laut Bundesfamilienministerium eher schlecht als recht. Auf rund 61 Prozent der Kosten bleibt der Staat sitzen. Die, die zu Zahlungen verpflichtet werden sollen, konnten offenbar glaubhaft machen, nicht genügend Geld zur Verfügung zu haben.

Wie viel Unterhalt muss man für ein Kind zahlen?

Dies hängt vom Einkommen des verpflichteten Elternteils ab. Festgelegt ist hingegen die Höhe des Unterhaltsvorschusses, der sich nach dem Alter der Kinder richtet. Er beträgt seit dem 1. Januar 2020 monatlich: 165 Euro für Kinder unter sechs Jahren, 220 Euro für Sechs- bis Elfjährige sowie 293 Euro für 12- bis 17-jährige Kinder.

Wo beantragt man einen Unterhaltsvorschuss?

Zuständig ist das Jugendamt Ihres Wohnortes. Dort existiert in der Regel eine "Unterhaltsvorschussstelle". Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. Die Formulare hierfür bekommt man bei den Stadt-, Gemeinde- oder Kreisverwaltungen.

Wird Unterhaltsvorschuss rückwirkend bezahlt?

Ja, aber nur einen Monat. Das heißt, wenn Sie für den März 2020 noch Unterhaltsvorschuss beantragen, kann maximal noch das Geld für Februar rückwirkend bezahlt werden. Zudem besteht eine Informationspflicht gegenüber dem Jugendamt, falls sich die persönliche Situation ändert. So zum Beispiel, wenn das Kind beispielsweise zum anderen Elternteil zieht, man wieder zusammenzieht, der andere Elternteil stirbt oder man selbst heiratet oder umzieht. Natürlich auch dann, wenn der zuvor zahlungsunwillige Elternteil plötzlich doch Unterhalt leistet.

Wie geht es beim Kölner "Tatort" weiter?

Zwei neue Kölner "Tatorte" wurden zwischen Oktober und Dezember 2019 abgedreht. "Gefangen" spielt in einer psychiatrischen Klinik, in welcher der Chefarzt ermordet wurde. Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) befindet sich dort selbst gerade in Behandlung: Ein Trauma, das er bereits überwunden glaubte, kehrt mit aller Macht zurück. Nachdem er im Einsatz die Kollegin Melanie Sommer (Anna Brüggemann) erschossen hat, plagen ihn Albträume und Schuldgefühle. Das Drehbuch stammt von Christoph Wortberg ("Tatort: Nachbarn"), Regie führt Isabel Prahl ("1000 Arten Regen zu beschreiben"). Im zweiten neuen Ballauf und Schenk-Fall "Der Tod der Anderen" (Drehbuch: Wolfgang Stauch, Regie: Torsten C. Fischer) wird Freddy Schenk (Dietmar Bär) von einer unter Mordverdacht stehenden Hoteliersfrau (Ulrike Krumbiegel) als Geisel genommen.