"Tatort"-Kommissar Hinrichs: Darum kommt Voss aus Tschetschenien

Kommissar Felix Voss reist zu Beginn des "Tatorts" aus Tschetschenien an. Ungewöhnlich! Ja, aber Schauspieler Fabian Hinrichs hat eine einleuchtende Erklärung für "den historischen Hintergrund eines speziellen Zweiges des Voss'schen Stammbaums".

Mindestens ungewöhnlich, wenn nicht gar ein wenig zu konstruiert wirkt der Tschetschenien-Hintergrund von Hauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs), der dem Zuschauer im dritten Franken-"Tatort: Am Ende geht man nackt" (9.4., 20:15 Uhr, das Erste) vollkommen unvermittelt aufgetischt wird. Doch auch im Film wird sich gewundert: "Was hast du in Tschetschenien gemacht?" - "Ich war Journalist und Reiseführer... Was lachst du?" - "Wer reist da hin?"... Warum das alles aber gar nicht so abwegig ist, wie es im ersten Moment scheint, erklärt der Hamburger Schauspieler Fabian Hinrichs (*1974) im Interview mit spot on news:

Warum lebt die Großmutter von Felix Voss in Tschetschnien?

Fabian Hinrichs: Sie lebt in Tschetschenien und ist Deutsche. Grosny ist das Zentrum eines bedeutenden Erdölförderungsgebietes. Außerdem gibt es seit Langem eine Universität dort, die sich hauptsächlich dem Petroleum Engineering verschrieben hat. All dies lockte auch deutsche Ingenieure an, später auch düsterer politischer Provenienz. Diese überschaubaren, aber doch vorhandenen Migrationsbewegungen von Deutschen in den Kaukasus sind der historische Hintergrund eines speziellen Zweiges des Voss'schen Stammbaums.

Wird diese Tatsache mal wieder eine Rolle spielen oder war das nur für diesen Krimi wichtig?

Hinrichs: Ob all dies noch einmal eine Rolle spielen wird, bin ich mir nicht sicher. Eher die Frage nach dem Verhältnis von Voss zu seinem Vater, irgendwann.

Wie haben Sie den Akzent gelernt und wie schwer war es?

Hinrichs: Den Akzent habe ich etwas trainiert und ihn dann angereichert mit den Resten meiner Russisch-Kenntnisse, Russisch war mein drittes Abitur-Prüfungsfach in Hamburg vor 22 Jahren. Voss muss ja nicht wirklich Tschetschenisch können, er darf nur nicht auffliegen - das war die Aufgabe, sowohl meine als auch seine.

Im "Tatort: Am Ende geht man nackt" geht es um Flüchtlinge in Deutschland. Was ist Ihre persönliche Einstellung bei dem Thema?

Hinrichs: Ich für meinen Teil empfehle die Essays und Anmerkungen Slavoj Zizeks hierzu, insbesondere "Die explodierte Utopie" sowie die sozialpsychologischen "Studien zum autoritären Charakter" von Theodor W. Adorno. "Die explodierte Utopie" befasst sich mit dem verlogenen Umgang mit der Migrationsentwicklung, den sowohl das linksliberale als auch das rechtsnationale Milieu pflegen. Adornos Studie untersucht unter anderem die Spannung, die zwischen dem, was man sagen darf, und dem, was man sagen will, entsteht, und er beschreibt das Gefühl der Auflösung dieser Spannung durch das entzivilisierte Verhalten des populistischen Agitators.

Fußball spielt im Krimi ebenfalls eine kleine Rolle. Fast wirkt es, als sei das Spiel eine Art Allheilmittel. Was halten Sie davon?

Hinrichs: Fußball ist keine Sache von Leben und Tod, sondern weitaus ernster, hat Bill Shankley, der berühmte Manager des FC Liverpool, einmal gesagt. Fußball ist ja nicht gut oder böse, sondern er ist das, was wir aus ihm machen. Und für Voss und Basem ist er wie ein Gespräch, für einen kurzen Moment ein universelles Verständigungswerkzeug, auch etwas wie ein Fluchtauto woandershin. Ich mag die Szene, auch ihre relative Dauer.

Abgesehen vom "Tatort", was sind Ihre nächsten Projekte?

Hinrichs: Ich werde ab Sommer eine Serie in Berlin drehen, darauf freue ich mich schon. Ich werde versuchen, mein Studium zu betreiben: Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Geschichte und Philosophie; eventuell an der Hochschule in Potsdam einen Lehrauftrag annehmen. Ich entwickle gerade mit einem deutschen Filmregisseur ein Drehbuch, ich werde versuchen, ein weiteres Theaterstück zu schreiben und langfristig würde ich gerne neben der Schauspielerei und der Theaterarbeit in und an einer Kultursendung im Fernsehen arbeiten, wenn mich irgendwann jemand fragen sollte... Aber was, wenn dies alles gar nicht stimmen würde? Jemand gab mir einmal den Ratschlag, Misserfolg und Abstiegsängste niemals öffentlich zu verlautbaren. Denn das würde die eigenen Absturzängste der Rezipienten in Bewegung bringen und denjenigen, der sich so offenbart hat, sofort isolieren. Traurig, oder?

Foto(s): BR/Julia Müller