Werbung

Tatort: Wer wird uns umbringen - Mensch oder Maschine?

Eine Frau, die im Wald lebt, findet die Tote Carolina Gröning. Wer oder was hat sie getötet? Foto: RBB / Conny Klein
Eine Frau, die im Wald lebt, findet die Tote Carolina Gröning. Wer oder was hat sie getötet? Foto: RBB / Conny Klein

Es ist der achte Fall für das Berliner Duo Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) im Tatort. Diesmal beschäftigen sie die “Tiere der Großstadt” – wie der Krimititel. Wer ist denn nun der größte Feind des Menschen? Ist es der Mensch selbst, mit all seinen niederen Gefühlen von Rache, Neid, Eifersucht oder Gier? Oder sind es die Maschinen, die die ganze Menschheit bedrohen, weil sie sie uns nicht nur die Arbeitsplätze wegnehmen, sondern irgendwann unkontrollierbar werden?

Tiere der Großstadt – die gibt es in jeder erdenklichen Form. Schon zu Beginn des Tatorts sieht man eine Wildschweinhorde in der Dämmerung über die Straße laufen, Spatzen picken Krümel vom Boden, Füchse nähern sich Mülltonnen und Raben beobachten von den Dächern die Geschehnisse der Stadt.

Tiere der Großstadt können aber in Berlin auch viele andere Formen annehmen – vom Investmentbanker, der den ganzen Tag durch’s Büro hetzt, über die Kassiererin, die seit 40 Jahren nicht mehr ihr Viertel verlassen hat, bis hin zu den zugezogenen Alternativen, die in Berlin eine bessere Heimat finden als im piefigen München.

Und Tiere der Großstadt – das sind in diesem Tatort auch die Smartphones, die uns auf Schritt und Tritt begleiten, tracken, wie viel wir uns bewegen, welche Musik wir hören, mit wem wir telefonieren und welche Suchanfragen wir auf Google stellen. Oder die elektronischen Toiletten, die sich selbst reinigen, technische Helferlein für Zuhause wie Staubsaugroboter oder eine automatische Saftpresse. Und ganz im Besonderen ist es hier ein vollautomatischer Roboter-Kaffeeautomat, der mitten auf dem Ku’damm steht – der Robister. Der soll einen Menschen getötet haben.

Was ist passiert?

Rubin und Karow werden zu einem Mordfall gerufen. Oder war es nur ein tragisches Unglück? Der Besitzer des Robisters Tom Menke steckt noch in seinem Gerät fest. Er hat auf dem Boden irgendetwas gewerkelt als ihn der Roboter mit einem spitzen Gerät, dass er sonst für die Kaffeeproduktion benötigt, erdolchte. Gefunden wurde er von drei Jugendlichen nach einer nächtlichen Sauftour. Bevor sie aber die Polizei riefen, mussten sie erstmal ein Selfie schießen: “Ist der tot?”, fragt eine. “Ja, richtig tot. Todestod”, antwortet ihre Freundin. “Das ist das Blut der Maschinen”, sinniert ihr Kumpel halb angekifft. “Was laberst du, Junge?”, weisen ihn die Mädels zurecht.

Später werden die drei von der polizeilichen Assistentin befragt. “Hier ist gerade ein Mensch gestorben, zeigt mal ein bisschen Respekt”, sagt die zu ihnen. “Überall auf der Welt stirbt jede Sekunde ein Mensch”, antwortet eine der Jugendlichen. Die andere ergänzt: “Und nur, weil das jetzt vor den eigenen Füßen passiert, muss man nicht so tun, als würde das einen was angehen.” Recht haben sie damit und entblößen damit trotzdem die seelenlose Verrohung mancher Jugendlicher aus der Stadt.

In einem Wäldchen nahe Berlin wird aber noch eine Frau namens Carolina Gröning, tot aufgefunden. Eine Joggerin liegt mitten im Wald, die Hauptschlagader am Oberschenkel wurde ihr durchtrennt. Ihr Mann hatte sie einen Tag zuvor als vermisst gemeldet. Schnell verfolgen Karow und Rubin verschiedene Wege. Während Karow mittlerweile sicher ist, dass Robister-Besitzer Menke von seiner eigenen Maschine getötet wurde, verfolgt Rubin die Spur eines Wildschweinangriffs auf die Joggerin im Morgengrauen. Doch: So einfach ist es nicht.

Die Besonderheit des Technik-Tatorts

Filme über künstliche Intelligenzen, Maschinen versus Menschen – die gibt es auch im Tatort mittlerweile sehr häufig. So ist das Team von Rubin und Karow, die sonst eher in außergewöhnlichen Drehbüchern auftauchen, nun eigentlich in einem Krimi gefangen, der auf den ersten Blick gar nicht ihre Kragenweite ist.

Doch es gibt auch viele kleine Besonderheiten, die den Film dann doch zu einem exotischeren Tatort machen. Zum Beispiel, wenn Karow sich mit einem alten Mann namens Albert unterhält, der den lieben langen Tag nichts anderes macht, als aus dem Fenster zu schauen und Leute zu beobachten und so eigentlich ein perfekter Zeuge wäre – eine lebende Überwachungskamera mit Kommentarspur. Wenn er sich nicht ständig in seinen Erinnerungen verfitzen würde, denn so sind Menschen: fehlerhaft, aber trotzdem liebenswert.

Auch interessant ist, als Karow zum Hersteller des Robisters fährt und sich von ihm sein Zukunftsmodell erklären lässt. Dass Maschinen nämlich lediglich die Jobs wegnehmen, die für Menschen zu gefährlich, gesundheitsschädlich, langweilig oder schmutzig sind – wie Bomben entschärfen oder die Kloake säubern. “Wir Menschen hätten dann mehr Zeit, eine bessere Gesundheit und würden uns mehr von unserer Würde bewahren”, sagt er. “Und wer soll das finanzieren?”, fragt Karow. “Bedingungsloses Grundeinkommen – die Finanzierung gewährleisten die Maschinen”, kriegt er zur Antwort. Ja, auch diese Vision gibt es. Von einer Technik, die nur im positiven Sinne zum Fortschritt beiträgt. Frank Schätzings jüngster Roman “Die Tyrannei des Schmetterlings” zeichnet da aber wieder ein ganz anderes Bild.

Gucken oder nicht?

Dieser Tatort dreht viele interessante Schleifen, beeindruckt durch seine düstere Stimmung und die Elektrobeats in der einen Minute, die Klaviermelodien in der anderen. Die Schauspieler Meret Becker und Mark Waschke sind stark, menschlich, angenehm. Trotzdem wird jetzt niemand vor Überraschung von der Couch fallen, aber es ist ein Tatort, der nachdenklich macht und eindrücklich erzählt wird.