Letzter Tatort von Jens Stellbrink: Zwischen Gut und Böse

Kriminalhauptkommissarin Lisa Marx (Elisabeth Brück) mit Herrn Dr. Hesse (Christian Intorp) und Frau Dr. Bindra (Franziska Schubert, v.l.) treffen in einer Vernissage aufeinander. (Bild: SR/Manuela Meyer)
Kriminalhauptkommissarin Lisa Marx (Elisabeth Brück) mit Herrn Dr. Hesse (Christian Intorp) und Frau Dr. Bindra (Franziska Schubert, v.l.) treffen in einer Vernissage aufeinander. (Bild: SR/Manuela Meyer)

Im Tatort „Der Pakt“ verschwimmt die klare Grenze zwischen Gut und Böse, die es ansonsten so oft in Krimis gibt. Die Charaktere werden zum Opfer ihrer Ängste und dadurch zu Tätern. Sie versuchen richtig zu handeln und bringen doch anderen den Tod.

Das Erfrischende am Tatort aus Saarbrücken ist, dass Täter, Opfer und Zeugen sehr gut ausgearbeitet sind. Dadurch sind die eignen Gefühle für sie gespalten. Mitleid und Wut vermengen sich, ein Happy End gibt es nicht – so wie oftmals auch im echten Leben. Dafür wirken die Kommissare Jens Stellbrink (Devid Striesow) und Lisa Marx (Elisabeth Brück) kalt und steif wie sprechende Betonklötze. Und auch die Ermittlungen entsprechen dem Tatort-Klischee. Schade.

Vanessa

Vanessa (Aylin Werner) schläft mit einem verheirateten Mann, ist dauernd am Handy, während sie eigentlich arbeiten sollte. Dr. Bindra wirft sie deshalb aus „Mediziner für Illegale (MefI)“ – einem Ärzteverbund, der illegalen, kranken Flüchtlingen hilft. Vanessa ist sauer und recherchiert über die Ärztin.

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Dabei findet sie heraus, dass der Abschluss von Dr. Bindra gefälscht ist, dass sie nie eine Doktorarbeit schrieb und in Indien nur als Krankenschwester arbeitete. Doch anstatt zur Polizei zu gehen, konfrontiert sie Dr. Bindra damit. Den Start ihres Psychoerpresserspielchens muss sie bitter bezahlen. Dr. Bindra bringt Vanessa noch in derselben Nacht um.

Annemarie Bindra

Als Mutter Theresa sehen sie ihre Mitarbeiter. Sie gründete “Mediziner für Illegale”. Dafür soll sie jetzt einen Preis verliehen bekommen. Lange kämpfte Dr. Bindra (Franziska Schubert) für diese Anerkennung. Ihr Studium in Deutschland schaffte sie nicht, in Indien auch nicht. Doch anstatt ihre Niederlage einzugestehen, fälschte sie ihre Auszeichnung. Und was macht es schon, wenn sie falsch behandelt. Von den Flüchtlingen wird sich niemand trauen, sich zu beschweren. Als Vanessa sie drei Tage vor der Preisverleihung mit ihrer Vergangenheit konfrontiert, bekleckert Dr. Bindra ihre angeblich reine weiße Weste auch noch mit Blut.

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Doch auch Dr. Bindra ist nicht nur Täterin. Sie ist Opfer des gesellschaftlichen Drucks. Ihre Eltern sind angesehene Ärzte – für Bindra war damit die Lebenslinie schon vorgezeichnet. Um Anerkennung von ihren Eltern zu bekommen, musste sie in deren Fußstapfen treten. Doch Dr. Bindra scheiterte an sich selbst. Als die Kommissare sie verhaften, wiederholt sie immer wieder unter Tränen: „Ich habe mein Leben lang nur Gutes getan.“

Kamal Atiya

Kamal (El Mehdi Meskar) arbeitet für “Mediziner für Illegale”. Er fährt kranke Flüchtlinge in eine Klinik, weil diese oft selbst nicht laufen können. Kamal arbeitet aber auch für Dr. Ulrich Hesse von der Ausländerbehörde. Liefert er ihm pro Woche drei Namen, dürfen er und sein kleiner Bruder in Deutschland bleiben. Er gilt als Verräter.

Dabei versucht er nur dem Tod zu entkommen. In seinem Heimatland Ägypten wird er verfolgt, weil er Christ ist. In Bulgarien erging es den Geschwistern nicht besser und in Deutschland wird er von Dr. Hesse erpresst. Kamal hat Angst abgeschoben zu werden, er tut alles für seinen kleinen Bruder und ist doch verantwortlich dafür, dass für viele andere Flüchtlinge die Angst real wird.

Kamal Atiya (El Mehdi Meskar) holt seinen Bruder ab, um mit ihm vor der Polizei zu fliehen. (Bild: SR/Manuela Meyert)
Kamal Atiya (El Mehdi Meskar) holt seinen Bruder ab, um mit ihm vor der Polizei zu fliehen. (Bild: SR/Manuela Meyert)

Dr. Ulrich Hesse

Dr. Ulrich Hesse (Christian Intorp) von der Ausländerbehörde wird zum eigentlichen Antagonisten. Aus seinem bürgerlichen Leben schickt er Flüchtlinge zurück ins Ungewisse und vermutlich in den Tod. „Ich helfe nur die Streu vom Weizen zu trennen“, meint er trocken. Hesses Welt ist geregelt: Job, Haus, Familie. Kritische Reflexion besitzt keinen Platz in seinem Leben. Doch so richtig hassen kann man ihn auch nicht.

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Er hat einen kleinen Sohn, seine Frau ist schwanger und zum Schluss muss er um sein Kind fürchten als Kamal dieses auf das Dach eines Hochhauses entführt. Dort sagt Kamal dem Sohn: „Dein Papa macht ganz schlimme Dinge, frag ihn danach.“ Es ist eine kleine Hoffnung, dass der Sohn den Rat befolgt und den Vater zum Nachdenken bringt. Das heile Familienleben würde jedenfalls einen Knacks bekommen. Eine Genugtuung am Ende des Tatorts.

Jens Stellbrink und Lisa Marx

Dadurch, dass sich der Tatort stark auf Zeugen, Täter und Opfer konzentriert, gehen die Kommissare mit ihren Ermittlungen unter. Sie stellen eher Randfiguren dar als die Hauptcharaktere. Schade, zumal es Jens Stellbrinks (Devid Striesow) letzter Tatort ist. Wie Roboter wirken sie: eindimensional, steif, emotionslos. Stellbrink brüllt viel – die einzige Emotion, die er bis zum Ende des Tatorts zeigt, wo er dann doch noch in Tränen ausbricht.

Die Ermittlungen der Kommissare kommen nicht über das Krimi-Klischee hinaus. Sie rennen permanent dem falschen hinterher, anstatt die unscheinbare Dr. Bindra ins Visier zu nehmen. Die war es dann auch nach dem Prinzip: Wer sich am unauffälligsten verhält, der ist der Täter. Als die Digital-Daten des Opfers dann endlich ausgelesen sind, müssen die Kommissare kaum noch kombinieren.

Nächsten Sonntag wird es im Ersten um 20:15 Uhr wieder spannend.

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