Tatortfotografen: Die den Tod festhalten

Wenn Sven Pählke durch den Sucher seiner Kamera blickt, sieht er Leichen, Waffen, Drogen. Pählke dokumentiert das Grauen, er ist Tatortfotograf bei der Polizei. Mit Yahoo sprach er über die schlimmsten Fälle, über die Ausbildung zum Polizeifotografen und darüber, was ihn noch mehr entsetzt als der dauernde Umgang mit dem Tod.



Den Tod dokumentiert Sven Pählke auf den Speicherkarten seiner Spiegelreflexkamera. Er ist Tatortfotograf beim Berliner Landeskriminalamt, kriminaltechnischer Fotograf steht auf seiner Visitenkarte. Noch bevor die Spurensicherung einen Tatort untersuchen darf, packt Pählke seine Kamera aus. Er macht Übersichtsbilder und dokumentiert Spuren sowie die Lage der Spuren zueinander. Auf den Fotos kann man später genau sehen, wo die Leiche lag, wie es in der Wohnung beim Eintreffen der Polizisten aussah. Das Ziel: „Jeder, der nicht am Tatort war, muss sich aufgrund der Fotos ein Bild vom Tatort machen können“, sagt er. Die Aufnahmen müssen gerichtsverwertbar sein. Der fürchterliche Geruch, mit dem er vor Ort zu kämpfen hat, lässt sich auf den Bildern meist nicht mal erahnen.

Leichen in Großaufnahme

Am Tatort darf Pählke nichts verändern. Sind die Vorhänge zugezogen, muss er selbst Licht setzen. Nach ihm beginnen die Kollegen der Spurensicherung ihre Arbeit und teilen dem Fotografen dann ihre gesonderten Bildwünsche mit. Die Leiche noch einmal von ganz nah. Das Messer, wie es im Toten steckt. Klitzekleine Spuren am Tatort. Daneben wird ein Maßstab gelegt, damit man später die Größe der Motive richtig einordnen kann. Pählke fotografiert auch in der Rechtsmedizin, zum Bespiel besondere Verletzungen, und bei Obduktionen.

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Tatortfotograf: Seine schrecklichsten Fälle

Manche Fälle stechen selbst in diesem Beruf heraus. Als im Mai 2013 zwei Hubschrauber der Berliner Polizei am Olympiastadion kollidierten und ein Pilot starb, musste Pählke den toten Kollegen fotografieren. „Dieses Bild des toten Piloten mit den tödlichen Verletzungen vom Unfall blieb lange in meinem Kopf“, sagt er. Gruselig war auch das Verbrechen, das als „Alba-Mord“ bekannt wurde. Ein Gabelstaplerfahrer hatte im Januar 2010 eine Kollegin während der Nachtschicht auf einem Recyclinghof der Firma Alba gewürgt und geschlagen, geknebelt und vergewaltigt, mit einem Messer erstochen und in einem Müllcontainer versteckt. Pählke, die Kamera um den Hals, war dabei, als die Leiche gefunden wurde, verwickelt in lange Metallspäne.

„Man sieht alles, was sich Menschen gegenseitig antun können“

Als Tatortfotograf sieht er die gesamte Bandbreite von Grauen und Brutalität. „Man sieht alles, was sich Menschen gegenseitig antun können. Schlimmer geht es gar nicht“, sagt Pählke. Es helfe, die Kamera zwischen sich und den Leichen zu haben und sich auf ein gutes Arbeitsergebnis zu konzentrieren, meint er. Auf sich achten sollte man, empfiehlt er, die Arbeit nicht zu nahe an sich heran lassen. „Ich sehe das so, dass ich mit meiner Arbeit etwas dazu beitrage, um das Verbrechen aufzuklären.“ Doch es sind nicht die Bilder der Toten, die ihn verfolgen. „Ich finde es schlimm, zu sehen, wozu die Menschen heutzutage fähig sind“, so der Fachmann. Die Gewaltbereitschaft sei nach seinem Empfinden gestiegen. Es würde grundlos getötet, sagt er, wegen eines falschen Blicks. Die Aufträge werden den Polizeifotografen jedenfalls nicht so schnell ausgehen.

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So wird man Polizeifotograf

Polizeifotograf kann jeder mit einer fotografischen Ausbildung werden. Neu eingestellte Fotografen erhalten bei der Polizei noch einmal eine spezielle Einweisung in die kriminalistische Fotografie. Die wichtigste Voraussetzung: „Man muss mit all den Eindrücken und Gerüchen vom Tatort umgehen können“, sagt Pählke. Ein kriminaltechnischer Fotograf ist aber nicht nur Tatortfotograf. Im Fotostudio hält er gefundene Spuren fest, knipst Kleider von Opfer und Täter oder Drogenfunde. Den kleinsten Teil der Arbeit macht die Öffentlichkeitsarbeit aus. Pählke fotografiert auch für die Medien und Polizeibroschüren, zum Beispiel wenn ein neuer Polizeipräsident ins Amt eingeführt wird oder wenn die Presse ein bestimmtes Tatortfoto möchte. Wie lange er die Arbeit noch machen will, weiß er selbst nicht. Früher habe er immer gesagt, bis zum Renteneintritt durchhalten zu wollen. „Jetzt bin ich nicht sicher, ob ich es solange aushalten kann.“

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