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Tausende Behandlungsfehler in Kliniken und Arztpraxen

Berlin (dpa) - Verpatzte Operationen, übersehene Knochenbrüche, beschädigte Implantate, verwechselte Medikamente: In Deutschlands Krankenhäusern und Arztpraxen ist es im vergangenen Jahr erneut zu Tausenden Behandlungsfehlern bekommen. Das geht aus Zahlen des Medizinischen Dienstes Bund hervor, die nun in Berlin vorgestellt worden.

Danach untersuchte die Expertenorganisation 2021 insgesamt 13.050 Verdachtsfälle, wobei 3665 Behandlungsfehler entdeckt wurden. Der Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes (MD), Stefan Gronemeyer, geht darüber hinaus von einer hohen Dunkelziffer aus. Die tatsächliche Zahl der Fälle betrage «höchstwahrscheinlich ein Vielfaches». Gleichzeitig zeigt die Statistik aber auch, dass in 71,9 Prozent der untersuchten Verdachtsfälle kein Behandlungsfehler festgestellt werden konnte.

Meldepflicht für schwere Behandlungsfehler gefordert

Trotzdem sehen die Experten Handlungsbedarf. Mit Sorge sieht Gronemeyer vor allem die 130 «Never Events». So werden besonders krasse Behandlungsfehler bezeichnet - etwa wenn versehentlich das gesunde Knie operiert oder OP-Besteck im Körper vergessen wurde.

Der MD-Chef fordert eine bundesweiten Meldepflicht für sogenannte Never Events. Dies sei sowohl im Sinne der Patienten als auch der Ärzte. «Beide Seiten müssen auf eine qualitativ hochwertige Versorgung vertrauen können, in der die Sicherheit an erster Stelle steht», sagte Gronemeyer. Voraussetzung für ein funktionierendes System sei allerdings die Möglichkeit, solche Vorfälle anonym und vertraulich zu melden: «Sicherheitskultur muss angstfrei sein.»

Schäden oft nur vorübergehend

Die registrierte Zahl der Behandlungsfehler bewegt sich nach MD-Angaben auf einem weitgehend unveränderten Niveau. Die Auswirkungen für die betroffenen Patienten sind dabei sehr unterschiedlich: In zwei von drei Schadensfällen handelt es sich lediglich um einen vorübergehenden Schaden. In 6,8 Prozent der Fälle gab es jedoch schwere Dauerschäden wie Erblindung oder Pflegebedürftigkeit, in 3,8 Prozent der Fälle führte der Behandlungsfehler zum Tod.

Patientenschützer forderten ein bundesweites Zentralregister, in dem schwere Behandlungsfehler gesammelt und analysiert werden. «Auf Basis der Ergebnisse können notwendige Präventionsmaßnahmen abgeleitet und zudem überprüft werden, ob diese in der Praxis wirken», sagte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze. Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz ergänzte: «Nur eine umfassende Statistik zeigt schnell und transparent, wo es schief läuft und wo Gegenmaßnahmen wirken.»