Team Teilhabe auf dem Ashoka-Summit - Sie kriegen eine Million: US-Stadt zeigt, wie Demokratie für junge Menschen geht

Martin und Clara von "Youth Lead The Change Germany"
Martin und Clara von "Youth Lead The Change Germany"

Die „Youth Lead the Change Germany“-Gründer Clara und Martin haben eine Mission: Sie bringen Teilhabe für junge Menschen nach Deutschland. Mit einer Million Euro wollen sie der Jugend bei der Stadtgestaltung eine Stimme geben. Aus Köln gibt es zwar nur 75.000 Euro, doch die jungen Menschen sind erfreut.

Was muss sich die Generation Z überall anhören? Sie sei faul. Work-Life-Balance sei wichtiger als alles andere. TikTok-süchtig. Komische Tänze, E-Zigaretten. Die deutsche Wirtschaft – egal. Hauptsache Work and Travel.

Na, fühlen Sie sich bei diesen Vorurteilen ertappt? Dann willkommen zur der Geschichte von Martin (23) und Clara (28). Zwei junge Menschen, die der Arbeit und ihrer Leidenschaft wegen in die USA gereist sind, um der jungen Generation Z ein Stück Demokratie nach Deutschland zu bringen. Vielleicht lösen sich ja einige Vorurteile in Luft auf.

Eine US-Stadt zeigt, wie Demokratie für junge Menschen geht

„Das Glitzern in den Augen war faszinierend“, erinnert sich Martin Auer. Der 23-jährige Student berichtet von einer Reise in die USA. 2020 begleiteten Martin und Clara Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als Teil der Jugenddelegation nach Boston. Viele Termine und Projekte standen damals auf dem Programm. Doch ein Projekt ließ Clara und Martin nicht mehr los. „Youth Lead The Change".

„In Boston lernten wir 'Youth Lead The Change' kennen, ein Projekt, bei dem Jugendliche jährlich eine Million Dollar von der Stadt erhalten, um eigene Projekte umzusetzen“, schwärmen Martin und Clara noch Jahre später gemeinsam auf dem Ashoka Summit in Hamburg.

Das Prinzip hinter dem US-Projekt: Die Stadt gibt ein bestimmtes Budget aus dem städtischen Haushalt frei, Jugendliche reichen Ideen zur Stadtgestaltung ein, diese werden zu Konzepten ausgearbeitet und schließlich stimmen die Jugendlichen demokratisch darüber ab, welche der Projekte umgesetzt werden sollen. Die favorisierten Ideen setzt die Stadt dann um.

„Das hat uns so fasziniert. Die Jugendlichen in Boston waren wirklich begeistert. Jedes Jahr eine Million Dollar, um selbst entscheiden zu können, was damit geschieht. Ob Stadtbegrünung, öffentliche Wasserspender oder sogar die Renovierung von Obdachlosenunterkünften“, lobt Martin die Vordenker aus den USA.

Wie Team Teilhabe für eine Million Euro für junge Menschen kämpft

Eine neue Dimension demokratischer Beteiligung für junge Menschen, die Clara und Martin in Deutschland noch fehlte. Kurzerhand holten sie das Projekt nach Deutschland und gründeten „Youth Lead The Change Germany“ (YLTC). Damit Jugendliche nicht mehr nur in Jugendparlamenten oder anderen Projekten gehört werden, sondern auch mitbestimmen können, erklärt Clara die Mission hinter YLTC-Germany.

Denn das sei ein Hebel, den sie gegen Rechtsruck und Populismus in der jungen Generation ansetzen wollen. „Unser Projekt kann dazu beitragen, dass junge Menschen sich gehört fühlen und mehr Vertrauen in die Politik oder ihre Stadt haben, weil ihnen selbst Vertrauen entgegengebracht wurde. Obwohl sie noch nicht das rechtmäßige Wahlalter erreicht haben“, ist sich Martin sicher.

„Junge Menschen sind frustriert, dass ihnen oft nicht richtig zugehört wird oder dass für sie statt mit ihnen entschieden wird. Und das nicht erst seit der Pandemie“, ergänzt Clara. „Viele Jugendliche fühlten sich nicht vertreten. Indem YLTC-Germany sich dafür einsetzt, dass junge Menschen in Städten Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen können, geben wir ihnen das, was sie so lange vermisst haben: dass ihre Stimme zählt und dass ihre Beteiligung wichtig ist.“

Statt einer Million stellt Stadt Köln 75.000 Euro bereit

Vier Jahre später tritt Martin auf dem Ashoka Summit in Hamburg auf. Er ist einer der Hamburger Changemaker von Team Teilhabe, eine Initiative, die zahlreiche junge Menschen und ihre Projekte fördert, um das Leben in Hamburg mitzugestalten. Der 23-Jährige berichtet, wie weit YLTC-Germany mittlerweile ist.

„Eine Million Euro haben wir nicht bekommen“, erzählt Martin gegenüber FOCUS online. Lange habe es gedauert, bis die CO-Gründer von YLTC-Germany überhaupt eine Stadt gefunden haben, die ihnen Haushaltsgelder zur Verfügung stellten, um ihr Projekt in die Tat umzusetzen.

Mittlerweile ist YLTC-Germany Kooperationspartner mit der Stadt Köln – und hat 75.000 Euro aus dem Budget für Stadtverschönerung bekommen. Das Feedback der jungen Kölnerinnen und Kölner, die ihre Projektideen einbringen durften und mitabstimmen dürfen, sei durchweg positiv gewesen.

„Eine junge Teilnehmerin sagte, dass sie sich zum ersten Mal wirklich gehört gefühlt hat. Vorher hatte sie nie das Gefühl, dass man ihre Stimme ernst nimmt“, erzählt Martin. „Aber sie konnte mitbestimmen – und ihre Augen haben so geleuchtet, wie die der jungen Menschen aus Boston. Das war ein sehr emotionaler Moment für uns und zeigte, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Bislang sei das Projekt in der Abstimmungsphase, dennoch verraten Clara und Martin, welche Art von Projekten bislang eingereicht wurden: Stadtbegrünung, sichere Radwege für den Schulweg, Wasserspender und Orte, wo Jugendliche sich aufhalten können – ohne groß Geld auszugeben. „Wenn es nach einem sechsjährigen Mädchen geht, dann soll das Geld für E-Mobilität ausgegeben werden“, erinnert sich Martin an die lustigste Idee. Die Idee stammte sicher von den Eltern, erklärt er augenzwinkernd.

All das sind Projekte, die gar nicht in die Klischee-Schublade passen, in der sonst die Generation Z steckt. Die 75.000 Euro aus Köln werden nicht für Partys oder TikTok-Challenges eingesetzt. Sondern für die Gestaltung von Städten, in denen auch Menschen leben, die demokratisch bislang nicht so viel Mitspracherecht haben.