Teil der Vorwürfe wohl erfunden - „Links und chronisch wütend“: Das ist die Grüne im Zentrum der Gelbhaar-Affäre
Shirin Kreße, bis Samstag noch Bezirksvorsitzende der Grünen in Berlin, soll Vorwürfe sexueller Belästigung gegen den grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar erfunden haben. Doch wer ist die 27-Jährige, die als gut vernetzt im linken Parteiflügel gilt?
„Links“ und „chronisch wütend“ – so beschreibt sie sich selbst auf ihrem Instagram-Account: Die 27 Jahre alte Berlinerin Shirin Kreße steht im Mittelpunkt einer innerparteilichen Affäre der Grünen um mutmaßlich frei erfundene Vorwürfe sexueller Belästigung.
Die Affäre führte dazu, dass dem grünen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar aus Berlin-Mitte, der dem Realo-Flügel angehört, eine erneute Kandidatur für die kommende Bundestagswahl in fünf Wochen verwehrt wurde.
Nutznießer davon wurde ein anderer prominenter Grünen-Politiker: Andreas Audretsch, Bundestagsabgeordneter aus Neukölln und Wahlkampfmanager von Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck . Der dem linken Parteiflügel angehörende Grünen-Politiker wies nach Bekanntwerden der mutmaßlichen Falschbehauptungen von Kreße jede Verbindung zu der einstigen Parteilinken von sich.
Kreße gilt als gut vernetzt im linken Parteiflügel
Kreße, die am Samstag all ihre Parteiämter niederlegte und mit einem Austritt einem möglichen Parteiausschluss selbst zuvorkam, war Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bezirksparlament Mitte. Zudem war sie Vorsitzende der als einflussreich geltenden „Arbeitsgemeinschaft Feminismus“ der Grünen .
Laut „Tagesspiegel“ galt Kreße innerhalb des Berliner Landesverbandes der Grünen als „gut vernetzt“, insbesondere im linken Flügel. Zudem war sie Mitarbeiterin des Grünen-Politikers Ario Mirzaie, der Sprecher seiner Fraktion für „Strategien gegen Rechts“ im Berliner Abgeordnetenhaus ist. Die 27-Jährige soll seit Samstag nicht mehr für Mirzaie arbeiten.
Berliner Grüne sorgte auf Bundesparteitag für Aufsehen
Die Grünen-Politikerin wurde erstmals 2021 zur Bezirksvorsitzenden gewählt. Sie kandidierte damals auf Platz 5 der Bezirksliste und ist gleich in den Fraktionsvorstand aufgestiegen.
Ihre „Machtbasis“ habe sie laut „Tagesspiegel beim Parteinachwuchs „Grüne Jugend“ gehabt, die nicht nur in Berlin, sondern auch bundesweit als Trutzburg des linken Parteiflügels bekannt ist. Noch im selben Jahr wurde Kreße zur Fraktionschefin gewählt und seither in diesem Amt immer wieder bestätigt. Zudem war sie Sprecherin für Gesundheit und Queerpolitik.
Deutschlandweit bekannt wurde Kreße beim Bundesparteitag der Grünen 2023 in Karlsruhe. Dort hatte sie beantragt, ein Zitat von Konrad Adenauer (CDU) im Wahlprogramm der Grünen zur europäischen Friedensordnung zu streichen. Die junge Grünen-Politikerin hatte befunden, Adenauer sei in seiner Zeit selbst für CDU-Politikerinnen zu sexistisch gewesen.
Falsche Anschuldigungen unter falscher Identität
Nach Informationen des „Tagesspiegel“ soll Kreße unter einer falschen Identität mit dem Namen „Anne K.“ gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender RBB eine eidesstattliche Erklärung abgegeben haben, in der dem 48 Jahre alten Gelbhaar sexuelle Belästigungen vorgeworfen worden seien.
Der RBB, der zuerst über die Vorwürfe gegen Gelbhaar berichtet hatte, zog am Freitag einen Teil seiner Berichterstattung zurück. In einem neuen RBB-Beitrag hieß es dann, die Vorwürfe gegen Gelbhaar könnten unter einer falschen Identität erhoben worden sein.
Inzwischen hat RBB-Chefredakteur David Biesinger gegenüber dem „Tagesspiegel“ eingeräumt, dass dem Sender bei der Recherche ein Fehler unterlaufen sei. So habe man versäumt, die Identität der Person hinter der eidesstattlichen Erklärung ausreichend zu prüfen.
Staatsanwaltschaft bestätigt Strafanzeige gegen Kreße
Am Dienstag bestätigte nun auch die Berliner Staatsanwaltschaft, dass der RBB Strafanzeige gegen Kreße wegen falscher Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Gelbhaar gestellt hat. Dies berichtet der „Business Insider“.
„Als Delikt ist hier Verleumdung notiert“, so ein Sprecher. Mit anderen Worten: Kreße soll nach den RBB-Erkenntnissen offenbar für gleich mehrere falsche Erklärungen verantwortlich sein.
Erste Gerüchte über Vorwürfe gegen Grünen im Dezember gestreut
Kreße hatte laut Medienberichten erstmals bei einer Runde der Parteilinken unmittelbar vor dem Grünen-Parteitag im Dezember schwere Anschuldigungen sexueller Belästigung gegen Gelbhaar erhoben. Dies sei der Grund dafür gewesen, dass Gelbhaar vom Landesverband aufgefordert worden war, auf seine Kandidatur bei der Bundestagswahl zu verzichten. Im Anschluss daran war auch die Wahl des 48-Jährigen zum Direktkandidaten für den Berliner Bezirk Pankow für ungültig erklärt und eine Neuwahl veranlasst worden. Gelbhaar hat die Verdächtigungen als „frei erfunden“ bezeichnet.
Am Sonntag hatte Kreße dann gegenüber dpa erklärt, dass sie am Samstag aus der Partei ausgetreten sei und alle Ämter niedergelegt habe. Den Vorwürfen, sie habe die angebliche sexuelle Belästigung erfunden, hatte die 27-Jährige dabei nicht widersprochen.