Terrorismus-Experte Shams Ul-Haq - Ende der Kadyrow-Ära? Wohin Tschetscheniens politisch steuert
Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow steht offenbar vor dem politischen Ende – gesundheitliche Probleme setzen ihm zu. Terrorismus-Experte Shams Ul-Haq analysiert die potenziellen Nachfolger und die Frage, ob Tschetschenien ein neuer starker Mann oder ein Kurswechsel erwartet.
Wer ist Präsident Ramsan Kadyrow?
Ramsan Kadyrow, Präsident der in Russland gelegenen autonomen Republik Tschetschenien, wählte Ende Oktober starke Worte. „Ein Tschetsche zahlt immer zurück. Sie haben uns gebissen. Wir vernichten sie“, verkündete er. Er reagierte damit auf einen ukrainischen Raketenangriff gegen die Militärakademie im tschetschenischen Gudermes am 29. Oktober, an der seit 2003 russische Spezialeinheiten ausgebildet werden. Kadyrow erklärte, seine Kommandeure an der ukrainischen Front nun angewiesen zu haben, keine Gefangenen mehr zu machen, sondern ukrainische Militärangehörige zu vernichten. Kriegsgefangene würden allenfalls als menschliche Schutzschilde benutzt.
Der 1976 geborene Kadyrow ist seit Mai 2007 Präsident Tschetscheniens. Der Aufstieg des Kadyrow-Clans war eine Folge beiden Tschetschenien-Kriege von 1994 bis 1996 und 1999 bis 2009, in denen es der russischen Armee gelang, separatistische Tendenzen zu ersticken. Infolge dieses Konflikts gelang es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, seinen Lieblings-Kandidaten Achmad Kadyrow an die Staatsspitze der islamisch geprägten tschetschenischen Republik zu hieven.
Putin beförderte Kadyrow zum Generaloberst
Kadyrow stand für eine Eingliederung Tschetscheniens in die russische Föderation. Als Achmad Kadyrow 2004 bei einem Bombenattentat ums Leben kam, folgte ihm 2007 sein Sohn Ramsan als Präsident, obwohl ihm von Menschenrechtsorganisationen Kriegsverbrechen während des Tschetschenienkrieges nachgesagt wurden. Ramsan Kadyrow wurde schließlich ein Garant für feste Einbindung der Tschetschenen in die russischen Strukturen, während er im Gegenzug den Wiederaufbau seines verwüsteten Landes organisierte.
Im Zuge des Ukrainekrieges schickte Kadyrow deshalb auch tschetschenische Einheiten an die Front, um die russischen Truppen zu unterstützen. Dafür wurde er zum Generaloberst befördert, einem der höchsten Ränge im russischen Militär.
Allerdings gab es in den letzten Jahren Spekulationen über den Gesundheitszustand Kadyrows, da er bei bei zahlreichen Staatsterminen fehlte und vertreten werden musste. Die „Novaya Gazeta Europe“ berichtete, dass bei Kadyrow bereits 2019 eine chronische nekrotische Pankreatitis, also eine Entzündung und Zersetzung der Bauchspeicheldrüse, diagnostiziert worden sei. Da auch nach Krankenhausaufenthalten keine Hoffnung auf Genesung bestände, würde bereits nach einem Nachfolger gesucht.
Welche Nachfolger des kranken Kadyrow werden gehandelt?
Als ein solcher wird der 1973 geborene Apti Alaudinov, Kommandeur der auch am Ukrainekrieg beteiligten Achmat-Spezialeinheiten, gehandelt. Alaudinov, der ein Studium an der juristischen Fakultät der Tschetschenischen Staatsuniversität absolviert hat, hatte zahlreiche enge Verwandte bei den Kämpfen gegen die Truppen des Separatistenführers Dschochar Dudajew verloren. Er war bereits Justizminister, stellvertretender Innenminister und Polizeichef Tschetscheniens.
Er würde für Kontinuität der vom Kadyrow-Clan geleiteten Politik stehen, obgleich es in der Vergangenheit Spannungen zwischen Alaudinov und Kadyrow gegeben haben soll. Im Gegensatz zu Kadyrows hemdsärmeligen Image steht Alaudinov für akademische Bildung und ein rationaleres Auftreten, so dass der als Aushängeschild kompatibler für viele Russen wäre.
Als alternative Kandidaten für eine Kadyrow-Nachfolge werden aber auch Abubakar Edelgeriev und Muslim Khuchiev genannt. Edelgeriev, war früher Polizist, dann tschetschenischer Landwirtschaftsminister und Premierminister. Er fungiert derzeit als Berater des russischen Präsidenten hinsichtlich des Klimawandels. Der Journalist und ehemalige Fernsehkorrespondent Khuchiev arbeitete unter anderem als Leiter des Pressedienstes des Präsidenten der Republik Tschetschenien und war Bürgermeister der Hauptstadt Grosny.