Teufel von Avignon vor Gericht - Nachdem Richter erstes Vergewaltigungsvideo zeigt, verlassen Zuschauer den Saal
Am Freitag passiert im Prozess gegen Dominique Pelicot etwas Außergewöhnliches. Der Richter entscheidet sich, einige Videos der Vergewaltigungen von Gisèle Pelicot auf deren Antrag hin zu zeigen. Danach verlassen einige Zuschauer den Saal, in dem zuvor völlige Stille herrschte.
Vergewaltigungsopfer Gisèle Pelicot hat sich in Frankreich juristisch durchgesetzt: In dem Gerichtsverfahren gegen ihren Ex-Mann und 50 ihrer weiteren mutmaßlichen Vergewaltiger haben Journalisten und Prozessbesucher die Fotos und Videos der sexuellen Gewaltakte nun doch zu sehen bekommen. Insgesamt wurden am Freitag zehn Videos und drei Fotos gezeigt. Dies sei ein „Sieg“, sagten die Anwälte der 72 Jahre alten Pelicot am Freitag im südfranzösischen Avignon.
Der Vorsitzende Richter Roger Arata hatte eine frühere Entscheidung rückgängig gemacht. Die Fotos und Videos sollten jedoch nur dann gezeigt werden, „wenn es der Wahrheitsfindung diene“, sagte Arata.
Gisèle Pelicots Anwälte begrüßten die Entscheidung. „Die öffentlichen Debatten können dazu beitragen, dass andere Frauen nicht in die Situation geraten“, betonte der Anwalt Stéphane Babonneau. Mehrere Anwälte der Angeklagten hatten sich vergeblich gegen die Anwesenheit von Zuschauern und Journalisten ausgesprochen. „Was soll es nützen, diese Abscheu auslösenden Filme zu zeigen?“ fragte der Anwalt Olivier Lantelme.
Nachdem Richter erstes Vergewaltigungsvideo zeigt, verlassen Zuschauer den Saal
Als die Videos dann abgespielt wurden, herrschte Stille im Saal. „Über eine Stunde lang folgten die harten, unerträglichen Bilder aufeinander“, berichtet Justine Chevalier, die für den französischen TV-Sender „BFM TV“ im Gerichtssaal ist.
Das erste Video wurde auch von allen Anwesenden verfolgt. „Manche halten die Hände vor den Mund, andere vor die Augen“, so Chevalier. Am Ende hätte ein Handvoll Leute den Saal verlassen. Beim dritten Video hätte schließlich niemand mehr im Publikum hingesehen - auch der Angeklagte Dominique Pelicot nicht. Auf die Frage eines Anwalts soll er „ich schäme mich, ich bin angewidert, ich will das alles nicht noch einmal sehen“, geantwortet haben.
Gisèle Pelicot, die laut der Zeitung „L'Express“ während die Videos liefen, meistens auf ihr Handy blickte, hatte sich von Beginn an dafür eingesetzt, dass der Prozess nicht wie ursprünglich vorgesehen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. „Die Scham muss die Seite wechseln“, betonte sie. Sie wird dafür regelmäßig auf dem Weg vom und zum Gerichtsaal mit Beifall bedacht.
Ihr Ex-Mann Dominique Pelicot hatte gestanden, seine Frau über Jahre hinweg immer wieder mit Schlafmitteln betäubt und vergewaltigt zu haben. In mindestens 92 Fällen waren auch fremde Männer beteiligt, die Dominique Pelicot in Internetforen kontaktiert hatte. Den Angeklagten drohen Haftstrafen von bis zu 20 Jahren.
Mehrere Mitangeklagte sehen sich als „Opfer“ und wollen aus Angst gehandelt haben
In den vergangenen Prozesstagen hatten mehrere der Mitangeklagten den Vorwurf der Vergewaltigung zurückgewiesen. Manche erklärten, dass sie den Eindruck gehabt hätten, die Frau stelle sich bloß schlafend. Ein anderer bezeichnet sich selbst als „Opfer“ von Dominique Pelicot und betonte, aus Angst vor ihm gehandelt zu haben.
Wieder ein anderer mutmaßte, dass ihm ebenfalls Drogen eingeflößt worden seien, da er sich an nichts mehr erinnern könne. Dominique Pelicot hingegen betonte mehrfach: „Sie haben alle Bescheid gewusst.“
Im September waren vor Gericht erstmals mehrere Fotos und Videos gezeigt worden, die Dominique Pelicot selbst von den Taten angefertigt hatte. Auf seiner Festplatte fand sich ein Ordner „Missbrauch“ mit zahlreichen Unterordnern, die mit den Pseudonymen der anderen Männer beschriftet waren.
Beim ersten Mal mussten die Zuschauer den Saal verlassen, Journalisten konnten bleiben. Später entschied der Vorsitzende Richter, dass auch die Journalisten die Bilder nicht sehen sollten. Dagegen hatten die Anwälte sowohl von Gisèle als auch von Dominique Pelicot protestiert.