Thadeusz: Es ist ein Sommer, als läge Wilmersdorf in Andalusien

Vom Umgang mit dem Dauersonnenschein. Wir dürfen uns von der Sonne nicht provozieren lassen, findet Jörg Thadeusz.

Der Mann aus Norddeutschland hielt sich die Hand vor den Mund. Niemand sollte sehen, was er Unerhörtes enthüllen würde. Auf meine lahme Gesprächseröffnung, wie toll das Wetter sei, begann er sofort zu raunen. Das Wetter sei nicht nur jetzt super, letztlich würde seit Mai die Sonne unentwegt scheinen. Das überforderte ihn sichtlich. Bei 14 Grad, Dauerregen und straffen Böen hätte er gelächelt. So kennt er das.

Umzingelt von Nordseeurlaubern, an die im Hochsommer Regenjacken und Heißgetränke abgegeben werden. Aber jetzt, was tun mit diesen kalifornischen Verhältnissen?

Schlecht drauf können wir. Der Deutsche brennt mit Wonne aus. Trifft sich zu irgendeiner Selbsthilfe in einer subventionierten Begegnungsstätte irgendwo im nasskalten Hinterwald. Eine Depression, die wir bisher noch nicht hatten, redet uns ein Nachrichtenmagazin aus Hamburg gern als Titelthema ein.

Wir sind in uns zu Hause, wenn endlich November ist und uns das „Deutsche Requiem“ von Brahms in ein Gemütsdunkel singt. Dieser Sommer fordert uns dagegen heraus. Wenn es so weitergeht, müssen nicht mal mehr die Kinder um acht ins Bett. Sondern toben durch die warme Nacht, als läge Wilmersdorf in Andalusien. Wo es seit Wochen kühler ist, als in Berlin.

Wir dürfen uns von der Sonne nicht provozieren lassen. Mag schon sein, dass viele Frauen längst nicht mehr wissen, wo sie eigentlich ihre Socken aufbewahren. Wenn eigentlich mürrische Männer beim Lächeln auf dem Fahrrad erwischt werden, weil es ihnen so schön warm ins Gesich...

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