"The Deuce": So änderte die #MeToo-Debatte die Sexszenen der Serie

"The Deuce"-Schöpfer David Simon sprach über Sexismus, das Filmen von Pornoszenen in Zeiten von #MeToo und #TimesUp - und die Intimacy-Koordinatorin, die bei den intimen Drehs vor Ort ist.

Die Erfolgsserie "The Deuce" dreht sich rund um die Legalisierung der Pornografie. (Bild: ddp)
Die Erfolgsserie "The Deuce" dreht sich rund um die Legalisierung der Pornografie. (Bild: ddp)

Etwas grotesk war das zeitliche Zusammentreffen schon: Da feiert eine TV-Produktion über Prostitution die großen Erfolge ihrer ersten Staffel – einer Story aus einer Zeit, in der von Respekt gegenüber Arbeitsbedingungen und Rechte von Sexarbeiterinnen sicherlich nie die Rede war. Etwa zeitgleich zum ersten Erfolgs-Peak von "The Deuce" wird einer ihrer Hauptdarsteller, James Franco, der sexuellen Belästigung von jungen Schauspielerinnen beschuldigt. Initiativen wie #MeToo und #TimesUp wecken Awareness gegenüber Sexismus in Hollywood. Kann eine Produktion wie "The Deuce" solche Bewegungen kommentarlos und vor allem unbeschadet übergehen?

Der Serienschöpfer David Simon ließ das "The Deuce"-Team befragen und wollte die Bedingungen am Set optimieren. (Bild: Getty Images)
Der Serienschöpfer David Simon ließ das "The Deuce"-Team befragen und wollte die Bedingungen am Set optimieren. (Bild: Getty Images)

Nein, kann sie nicht – und darf sie auch nicht, wenn man David Simons Aussagen im US-Lifestylemagazin "Men’s Health" Glauben schenken darf. Der Serienschöpfer von "The Deuce" hat sich genauer zu den Hintergründen und Bedingungen am Set seiner "Porno-Serie" geäußert. Besonders interessant: sein Umgang mit den Anschuldigungen gegen seinen Hauptdarsteller James Franco.

Emily Meade hatte sich bei einzelnen Sexszenen unwohl gefühlt

Obwohl keine der Betroffenen am Set von "The Deuce" gearbeitet hatte, recherchierten Simon und HBO hinter den Kulissen und erhielten zwar keinerlei Beschwerden über Franco, doch definitiv über die Bedingungen bei Sexszenen am Set.

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So äußerte sich etwa Schauspielerin Emily Meade (in der Serie die Figur der Lori): Obwohl sie nie belästigt worden sei, habe sie sich bei einzelnen Sexdrehs unwohl gefühlt und eine Art Vertretung als Vermittler zwischen Schauspieler und Regisseur gefordert, heißt es bei "Men’s Health". Ein Schlag in die Magengrube für die Produzenten: "Der Produzent denkt: Wir sind hier, egal was passiert; sie müssen nur mit uns sprechen", wird Simon zitiert. "Aber das ist eine Vermutung, die für uns leicht zu formulieren und schwer zu verstehen ist. Ich meine, wir sind die Chefs. Schauspieler und Schauspielerinnen arbeiten und sie wollen auch weiterhin arbeiten."

Es waren die Aussagen der Schauspielerin Emily Meade, die dafür sorgten, dass heute ein "Intimacy Koordinator" am Set arbeitet. (Bild: ddp)
Es waren die Aussagen der Schauspielerin Emily Meade, die dafür sorgten, dass heute ein "Intimacy Koordinator" am Set arbeitet. (Bild: ddp)

Ein Vermittler zwischen Schauspieler und Regisseur ist sinnvoll

Wie kann man als Producer-Team Schauspielern, die sich aus Angst vor negativen Konsequenzen grundsätzlich lieber nicht äußern würden, zumindest eine Art sicheren Hafen bieten? "Es war unsere Aufgabe, zuzuhören, nicht defensiv zu sein und herauszufinden, wie wir das umsetzen können, was Emily sagte", so Simon. Und dann richtig zu reagieren: David Simon und HBO entschieden sich für die Installation eines "Intimacy Koordinators", vergleichbar mit einem Berater bei Stunt- und Actionparts, der Trainings und Anleitungen von speziellen Szenen übernimmt und als professioneller Vermittler zwischen Schauspieler und Regisseur fungiert.

Alicia Rodis wurde als Intimacy Koordinator eingestellt, um künftig mit den Schauspielern in allen Szenen zu arbeiten, die verschiedene Ebenen der körperlichen und emotionalen Exposition erfordern. Eine Funktion, die laut Simon etwas "Grundlegendes formalisierte, das die ganze Zeit in der Branche hätte da sein müssen". Heute kann er sich die Dreharbeiten ohne diese spezielle Vermittlung nicht mehr vorstellen: "Plötzlich gab es einen Vertrauensmann, dessen Aufgabe es war, die Mitarbeiter zu schützen."

Der Serienschöpfer versteht "The Deuce" als Chance, darüber zu sprechen, wie sich Männer und Frauen in einer postpornografischen Welt verhalten. (Bild: ddp)
Der Serienschöpfer versteht "The Deuce" als Chance, darüber zu sprechen, wie sich Männer und Frauen in einer postpornografischen Welt verhalten. (Bild: ddp)

"Die Geschichte wird zu einer interessanten Metapher unserer Zeit"

Auch die Außenwirkung der TV-Produktion als "Porno-Serie" reflektierte Simon nach den Ereignissen um MeToo erneut – und sieht "The Deuce" als frühen Spiegel der heutigen Debatte. "[The Deuce] ist im Grunde eine Arbeitsgeschichte. Es geht darum, was passiert, wenn die Arbeit keine kollektive Repräsentation hat." Entsprechend ist die Porno-Komponente nur ein Teil der Geschichte – viel wichtiger als Thema sind die fraglichen Bedingungen der Prostituierten, die in den 1970ern noch keinerlei Lobby hatten. "Dies war unsere Chance, darüber zu sprechen, wie sich Männer und Frauen in einer postpornografischen Welt verhalten. Frauen gingen durch die Tür und wussten, dass sie das Produkt waren, waren aber dennoch absolut menschlich - und hatten Erwartungen wie alle Menschen, die absolut menschlich sind", wird Simon von "Men’s Health" zitiert. "Hier wird die Geschichte zu einer interessanten Metapher für unsere Zeit."

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In der dritten Staffel von "The Deuce" wird es noch weitaus mehr um das Thema Arbeitnehmerschutz gehen, so sind unter anderem die Versuche, die Straßenprostitution zu gewerkschaftlichen Organisationen zu machen, ein Thema. Staffel 1 und 2 der Serie sind über Sky Box Sets zu sehen.