Three Mile Island - Jetzt wollen die Amerikaner ihr größtes Pannen-AKW zurück ans Netz bringen

Damals lief noch Reaktorblock 1: Das mittlerweile stillgelegte Kernkraftwerk Three MIle Island im US-Bundesstaat Pennsylvania, hier in einer Aufnahme aus dem März 2011 (Archivbild)<span class="copyright">Jeff Fusco/Getty Images</span>
Damals lief noch Reaktorblock 1: Das mittlerweile stillgelegte Kernkraftwerk Three MIle Island im US-Bundesstaat Pennsylvania, hier in einer Aufnahme aus dem März 2011 (Archivbild)Jeff Fusco/Getty Images

Eine Kernschmelze im US-Atomkraftwerk Three Mile Island versetzte die Welt im Jahr 1979 in Schock. Jetzt soll die seit Jahren stillliegende Anlage wieder flottgemacht werden, mit dem Segen der US-Regierung. Das Argument: Der Energiehunger der Künstlichen Intelligenz lässt keine andere Wahl.

Viel hätte am frühen Morgen des 28. März 1979 nicht gefehlt, und die USA hätten ihre eigene Version des Tschernobyl-Desasters erlebt. Zwei defekte Ventile und unzureichend ausgebildetes Personal hatten im Reaktorblock 2 des Kernkraftwerks Three Mile Island im Bundesstaat Pennsylvania zu einer Kernschmelze geführt. Mehr als 100.000 Menschen wurden evakuiert, der Reaktor war Schrott, alleine die Kosten der Aufräumarbeiten betrugen knapp eine Milliarde Dollar.

„In ziemlich guter Verfassung“

Im Jahr 2019 war auch Reaktorblock 1 des Kraftwerks geschlossen worden, seitdem liegt das Pannen-AKW still. Jetzt jedoch soll es wiederauferstehen – zumindest wenn es nach dem Eigentümer Constellation Energy geht. Der Energiekonzern erwägt derzeit einen Neustart von Three Mile Island, erste Tests laufen nach Unternehmensangaben bereits. „Wir haben festgestellt, dass das Kraftwerk in ziemlich guter Verfassung ist“, sagte Konzernchef Joe Dominguez der „Washington Post“ . „Wir glauben, es ist technisch machbar, es wieder an den Start zu bringen.“

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Three Mile Island wäre nicht das erste eingemottete Kernkraftwerk, das die USA zurück ans Netz bringen wollen. Im März hatte das US-Energieministerium bekanntgegeben, das Comeback des sogenannten Palisade-Atomkraftwerks im Bundesstaat Michigan mit einer Bürgschaft über insgesamt 1,5 Milliarden Dollar unterstützen zu wollen. „Die Kernenergie ist unsere größte Quelle von CO2-freier Energie und schafft 100.000 Jobs im ganzen Land“, sagte Energieministerin Jennifer Granholm damals in einer Mitteilung. Im Kongress in Washington, D.C. hatten Demokraten und Republikaner erst im Juni in seltener Einigkeit den sogenannten „Advance Act“ verabschiedet, der Investitionen in die Kernenergie fördern soll.

Hungrige Datenzentren

Insgesamt 93 Reaktoren sind derzeit in den USA aktiv, damit stehen die Vereinigten Staaten weltweit mit Abstand auf Platz 1. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien sieht die Regierung von Präsident Joe Biden die Kernkraft als wichtiges Puzzleteil zur Klimaneutralität. Und das nicht nur in Michigan oder Pennsylvania: Im Bundesstaat Kalifornien hätte das Kraftwerk Diablo Canyon eigentlich spätestens im nächsten Jahr schließen sollen, mit Hilfe einer staatlichen Bürgschaft wurde die Laufzeit jedoch bis 2035 verlängert.

Gerade die Bevölkerungszentren an den Küsten sind auf Kohlestrom-Importe aus anderen Bundesstaaten angewiesen. Atomkraft könnten den schmutzigen Strom ersetzen. Auch die riesige Tech-Branche um Apple, Microsoft, Google oder Nvidia spielt eine wichtige Rolle: Denn deren Energiehunger wird immer größer, gerade durch die rasanten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Die Datenzentren, die für die Entwicklung sowie den Betrieb von Künstlicher Intelligenz notwendig sind, werden bis 2030 insgesamt neun Prozent des US-Energiebedarfs ausmachen, heißt es in einer Analyse der Denkfabrik EPRI . Und auch in den Vereinigten Staaten erfreuen sich Wärmepumpen und Elektroautos immer größerer Beliebtheit.

Das große Preis-Problem

Um diesen Energiehunger zu stillen, müssen die USA alle Register ziehen – so sehen es viele Politiker und Branchenvertreter. Zumal der Ausbau der Erneuerbaren Energien in den Vereinigten Staaten immer wieder auf bürokratische Hindernisse trifft. Ob der große Atom-Plan aber aufgehen wird, steht in den Sternen. Denn das größte Problem der Kernkraft ist nicht die Sicherheit, sondern der Preis.

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Nach dem Unglück in Reaktor 2 lief Three Mile Island noch 40 Jahre weiter, bis es die Kräfte des Marktes schlussendlich ins Aus drängten. Eine Bohr-Offensive nach Öl und Gas in der Amtszeit von Präsident Barack Obama hatte die fossilen Energien in den USA so günstig gemacht, dass die Kernkraft preislich nicht mehr mithalten konnte. Und jetzt kommen auch noch billige Sonnen- und Windenergie hinzu. Three Mile Island hatte vor seiner Schließung jahrelang um finanzielle Unterstützung aus der Politik gekämpft, am Ende vergeblich. Und das Palisade-Kraftwerk in Michigan hatte 2016 dichtmachen müssen, weil es fast 100 Prozent seines Stroms an einen örtlichen Versorger abgab – der aber den Liefervertrag nicht mehr verlängern wollte, aus Kostengründen.

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Sechzigjähriger Rückbau

Hinzu kommt, dass die Kosten bei Bauprojekten im Bereich der Kernkraft gerne mal aus dem Ruder laufen. Aktuell dient das Vogtle-Kraftwerk im Bundesstaat Georgia der US-Branche als Warnung: Das Kraftwerk hatte im Juli 2023 sowie im April 2024 zwei neue Reaktorblöcke ans Netz gebracht – mit sieben Jahren Verspätung und 20 Milliarden Dollar teurer als geplant.

Diese gewaltigen Summen wieder einzuspielen, wird für die Energiekonzerne nicht selten zur Herausforderung. Eine endgültige Entscheidung sei im Falle von Three Mile Island ohnehin noch nicht gefallen, sagte Konzernchef Dominguez. Allerdings bleibt noch ein bisschen Zeit: Der Rückbau von Reaktorblock 1 wird aller Voraussicht nach erst im Jahr 2079 abgeschlossen sein – genau 100 Jahre nach der Kernschmelze im Nachbarblock.