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Tierretter in Uniform: «Ein Tier gibt einem etwas zurück»

Polizeikommissarin Farina Nolde und Polizeikommissar Torsten Schrader halten während eines Polizeieinsatzes in Lahe zwei Hundewelpen.
Polizeikommissarin Farina Nolde und Polizeikommissar Torsten Schrader halten während eines Polizeieinsatzes in Lahe zwei Hundewelpen.

Ein adipöser Igel im Abwasserrohr, eine Kuh auf einem Baugerüst, eine abgesperrte Autobahn für eine Entenfamilie - immer wieder rücken Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr für Tierrettungsaktionen an. Die Tierretter in Uniform freuen sich vor allem über eines.

München/Kassel/Hannover (dpa) - Wenn man eine Fledermaus einfangen will, ist vor allem eines wichtig: Sie sollte nicht fliegen, denn eine fliegende Fledermaus einzufangen ist fast unmöglich.

Was also sollte Polizeioberkommissar Alexander Schmitz tun? Sein Problem: In ein Patientenzimmer eines Krankenhauses in Hannover hatte sich eine Fledermaus vor der Kälte des jüngsten Wintereinbruchs verkrochen - die sollte er fangen.

Schließlich habe sich das Tier hinter einem Heizungsrohr verkrochen, sagte der 34-Jährige vom Kommissariat Nordstadt in Hannover. Man könne sie nicht mit Lederhandschuhen anfassen, die Tiere reagierten darauf aggressiv, sei er gewarnt worden. Er habe das Tier anlocken, packen und in eine Schachtel mit Luftlöchern stecken können. Bei der Tierschutzorganisation Bund bleibt es bis zum Frühjahr, dann wird es ausgewildert. Es sei «schön, wenn man Tieren helfen kann», sagte Schmitz. «Ein Tier gibt einem immer etwas zurück.» Im Fall der Fledermaus sicher nicht so leicht erkennbar. Hunde dagegen seien dankbar, wenn sie sich an jemanden «anlehnen» könnten.

Immer wieder müssen Einsatzkräfte ausrücken, weil sich Tiere auf Gleisen oder Autobahnen verirren - oder eben in einem Krankenhaus. Eine Kuh auf einem meterhohen Brücken-Baugerüst sorgte im Mai 2018 im oberbayerischen Oberaudorf für Aufsehen. Zwei Dutzend Menschen halfen bei der Bergung. Im selben Jahr gab es einen Einsatz in Morsbach-Rom bei Gummersbach, nachdem eine Kuh von ihrer Weide ausgebüxt war. Sie trabte einen Hang hinunter, auf das Wellblechdach einer Veranstaltungshalle - und brach ein. Anderswo gab es: einen adipösen Igel im Abwasserrohr, einen Bussard, der in eiskaltem Wasser um sein Leben rang oder eine Ente, die mit vier Küken über die A 45 bei Dortmund watschelte. Die Polizei fing die Küken per Kescher.

Unklar ist, wie viele Tierrettungen Verkehrsbehinderungen verursachen. Die Innenministerien der Länder führen zwar Statistiken, aber «Tierrettung» gibt es als Sparte häufig nicht. «Jeder Einsatz, bei dem ein Tier eine Rolle spielt, wird unter dem Stichwort «Tier» erfasst», sagte etwa ein Sprecher des Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen. «Das kann aber zum Beispiel auch nur ein Tierkadaver sein.» Die Deutsche Bahn führt ebenfalls keine Statistik über Tierrettungsversuche entlang der Gleise. Angaben zu Kosten und Schäden sind einer Bahnsprecherin zufolge daher nicht möglich. Auch die Polizei Hannover erfasst diese Einsätze statistisch nicht.

Mit einem echten tierischen Notfall hatte Torsten Schrader, Polizeibeamter im hannoverschen Stadtteil Lahe, zu tun. Bei einer Verkehrskontrolle fand er kurz vor Weihnachten 2018 in einem Lieferwagen 50 Tauben und acht Hundewelpen, offensichtlich für den illegalen Handel bestimmt. Ihm sei klar gewesen, dass etwas nicht stimme. Eine Tierärztin habe ihm bestätigt, dass die Hundebabys viel zu jung seien, um verkauft zu werden. Die Welpen wurden einem Tierheim übergeben. «So hat man den Tieren vielleicht Leid erspart», sagte der 46-Jährige.

Denn Welpenhandel ist ein Problem: In Tierheimen gebe es «so gut wie keine Hunde und Katzen mehr», sagte Schrader. In der Corona-Pandemie sind Haustiere ganz besonders gefragt. Das lockt unseriöse Züchter und Händler an. Der illegale Tierhandel blüht denn auch laut Tierschutzbund in Deutschland. Nach Angaben der Tierärztin würden die Welpen für Summen zwischen 800 und 1000 Euro gehandelt, sagte der Beamte. Die illegalen Händler seien daher «nicht froh» gewesen, als sie die Hunde abgeben mussten.

Auf Social-Media-Kanälen kämen Meldungen von Tierrettungsaktionen dagegen gut an, bestätigen Polizei und Feuerwehr. Vereinzelt beschwerten sich Autofahrer, wenn etwa der Grund von Sperrungen nicht nachvollziehbar sei. «Da gab es schon die Annahme von einzelnen Verkehrsteilnehmern, die Polizei staut zum Vergnügen den Verkehr auf», sagte die Sprecherin der Autobahnpolizei Thüringen.

Das glückliche Ende der Jagd auf die Fledermaus in Hannover brachte überwiegend positive Rückmeldungen. «Viele sind tierlieb, zu denen zähle ich mich auch», sagte Schmitz. Polizei werde so tatsächlich als Helfer gesehen. Er habe nur Angst gehabt, die zarten Flügel zu verletzen - oder dass die Fledermaus zubeißt, sagte der 34-Jährige. «Hat sie aber nicht gemacht.» Schrader wiederum hat gemischte Gefühle angesichts der meist positiven Reaktionen: Ist es wichtiger, sich um Tiere zu kümmern als um Menschen? Er hat das Gefühl, Tierrettungen kämen besser an.

Zuständig für die Rettung von Tieren sei in der Regel die Feuerwehr, sagte eine Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes. Nach Angaben einer Sprecherin des bayerischen Innenministeriums rücken die Feuerwehren in dem Land jährlich rund 4000 Mal zu Einsätzen im Zusammenhang mit Tieren aus.

So hatte die Feuerwehr Gelsenkirchen kürzlich in einem fast zweistündigen Einsatz mit einer am Kirchturm baumelnden Taube zu tun. Feuerwehrleute kamen mit einer Drehleiter, Höhenretter stiegen bis in die Turmspitze, einer von ihnen kletterte auf das Geländer. Das Tier war schon länger tot. «Das hat auch was mit Ethik zu tun», sagte ein Feuerwehrsprecher. «Schöner wäre es gewesen, wir hätten Leben retten können.» Wie in Nordhessen, wo ein Schwan auf einer ICE-Strecke saß und den Verkehr lahmlegte. Der offensichtlich trauernde Gefährte eines verendeten Schwans ließ sich partout nicht von den Gleisen locken. Das gelang erst der Feuerwehr - doch 23 Züge verspäteten sich einen Tag vor Weihnachten um jeweils rund 50 Minuten.

Im August sorgte die Münchner Feuerwehr wegen eines Karpfens für Schlagzeilen: Der Fisch war nur zum Teil mit Wasser bedeckt, in einem Bottich wurde er zur Feuerwache gebracht. Der «betagte Graskarpfen» fand schließlich eine neue Heimat im hauseigenen Zierteich der Wache. Ausgenommen von der Hilfsbereitschaft seien nur: «Löwen und Tiger».