Tim Bendzko: "Ich bin ein Perfektionist"

Ist "immer noch Mensch": Tim Bendzko

Tim Bendzko (31, "Keine Maschine") hat sich mit seinem dritten Studioalbum zurückgemeldet: Vor einer Woche kam "Immer noch Mensch" in die Läden und landet direkt auf dem Thron der deutschen Albumcharts. Produziert wurde es bei ihm zuhause - nur einer der Gründe, warum es sein bisher persönlichstes Werk ist. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt der Sänger, was an diesem Album anders ist als an seinen Vorgängern. Außerdem spricht er über sein Hobby Fotografie, Instagram und die absurde Geschichte hinter seinem ersten Bild.

Mit "Immer noch Mensch" wollten Sie Ihren musikalischen Kern herausarbeiten. Gibt das Album folglich bisher am meisten von Ihnen preis?

Tim Bendzko: Ja, das würde ich so sagen. Wenn man mich vor zehn Jahren gefragt hätte, wie mal ein Album von mir klingen soll, hätte ich genau dieses Album beschrieben. Natürlich findet man immer das, was man gerade gemacht hat, am tollsten. Aber wenn ich mir vorstelle, wie ich klinge... Dann klinge ich genau so.

Und was ist der Kern? Wie würden Sie den aktuellen Stand definieren?

Bendzko: Das ist bei Musik natürlich immer etwas schwierig. Ich denke, man kann bei jedem Song erkennen, wie ich ihn geschrieben habe. Wenn ich ein Lied beispielsweise auf der Gitarre oder dem Klavier geschrieben habe, dann ist das die jeweilige Basis des Songs. Wir haben versucht, die einzelnen Lieder mit der Band umzusetzen, ohne sie in eine völlig andere Richtung zu treiben. Es wurde auch alles handgemacht, also in dem Sinne, dass wir echte Instrumente eingespielt und nicht irgendwelche vorhandenen Samples benutzt haben.

Wie würden Sie dieses Album von seinen zwei Vorgängern unterscheiden?

Bendzko: Der größte Unterschied ist, dass ich bei den ersten beiden Alben die Hälfte der Songs auf fertige Beats geschrieben habe, in der Hoffnung, da eine andere Farbe reinzubringen. Dieses Mal habe ich alle Lieder auf ein Instrument geschrieben. Dadurch ist das neue Album etwas organischer, musikalischer und näher dran an der Live-Umsetzung.

Wo Sie gerade Farbe erwähnen - ich habe einmal mit einer Künstlerin gesprochen, die Ihre Alben in Farben definiert. Welche Farbe würden Sie denn Ihren drei Alben geben?

Bendzko: Puh, gute Frage. Das ist gar nicht so einfach... Also das erste Album "Wenn Worte meine Sprache wären" bekommt ein helleres Blau. "Am seidenen Faden" ist Blau-Grün und "Immer noch Mensch" sehe ich als Marine-Blau.

Ihre Lieder "Hinter dem Meer", "Keine Maschine" und "Leichtsinn" treffen perfekt auf die heutige Generation zu: Jeder muss funktionieren, es bleibt quasi keine Zeit für nichts. Was können wir besser machen?

Bendzko: Ich bin an sich nicht der Typ, der Leuten Ratschläge oder eine Anleitung gibt, wie das Leben funktioniert. Aber ich denke, allein die Feststellung, dass es besser geht, ist schon der erste Schritt. Und zu der kann man ja nur kommen, wenn man alles in Frage stellt. Das klingt erst mal negativ, aber das ist es nicht. Man darf nur nichts einfach so hinnehmen, sondern sollte sich fragen: "Bin ich so zufrieden?" Sollte das nicht zutreffen, gibt es bestimmt einen Weg, das zu verbessern. Das ging mir vor Jahren auch so, als ich noch Autos versteigert habe. Irgendwann stellte ich fest, dass ich fast ein Jahr lang nicht mehr darüber nachgedacht hatte, wie es eigentlich danach weitergeht.

Im Lied "Keine Maschine" lautet eine Zeile "Ich brauche die Kontrolle zurück, kann nicht mehr nur funktionieren". Wie wichtig ist es Ihnen, alles unter Kontrolle zu haben?

Bendzko: Ich bin kein Kontroll-Freak, aber ich bin Perfektionist. Ich habe zum Beispiel kein Problem damit, Aufgaben in andere Hände zu geben. Aber dann will ich sicher sein, dass derjenige auch bis zum Schluss dranbleibt und nicht etwa die Verantwortung noch mal weitergibt.

Ihr drittes Album war quasi ein "Do it yourself"-Projekt. Von der Musik bis hin zu Produktion, sogar die Porträts aller Beteiligten für ein Fotobuch haben Sie selbst geschossen. Woher kam die Idee dazu?

Bendzko: Anfang vergangenes Jahr habe ich angefangen, mich mal wieder intensiv mit Fotografie und Videografie zu beschäftigen. Das hatte ich schon öfter versucht, aber dieses Mal habe ich mich wirklich eingelesen und auch erste gute Ergebnisse gehabt. Irgendwann kam mir die Idee, von möglichst vielen Leuten, die am Album mitwirken, ein Porträt zu machen. Mir war es wichtig, einmal zu verdeutlichen, wie viele Menschen an so etwas beteiligt sind. Und da ich das Album bei mir zuhause aufgenommen habe, dachte ich mir, dass ich diese Fotos am besten selbst mache.

Was fotografieren Sie am liebsten?

Bendzko: Ich mag es generell, Menschen in Fotos festzuhalten. Die Gelegenheit bietet sich nur nicht allzu oft, da ich mich meist mit den gleichen Menschen umgebe und ich kann ja nicht immer nur die gleichen zehn Leute fotografieren. Das wäre ja auf Dauer langweilig. Wenn ich im Urlaub bin, wird aus mir aber schon auch ein kleiner Landschaftsfotograf.

Sie fotografieren aber auch oft ihren Hund Fridolin - der hat sogar seinen eigenen Instagram-Account.

Bendzko: Dieser Hund ist einfach so unendlich fotogen. Ich habe anfangs versucht, mich zurückzuhalten, aber das ging nicht. Wenn er in die Kamera guckt, sieht er einfach immer aus wie ein kleiner Alien. Deswegen habe ich beschlossen, dass ich das der Außenwelt nicht vorenthalten kann. Und sein Account ist ja schon auch gefragt...

Apropos Instagram: Wissen Sie noch, was Ihr erstes Bild auf ihrem jetzigen Account war?

Bendzko: Ich glaube, das waren Spuren im Schnee, wenn ich mich nicht täusche...

Respekt, das stimmt!

Bendzko: Und ich weiß sogar noch, warum ich das Foto gemacht habe. Da hatte ich zum ersten Mal den fertig aufgenommenen Song "Am seidenen Faden" gehört. Das war beim Joggen. Während ich unterwegs war, hat es angefangen zu schneien. Ich laufe immer Runden und irgendwann kam ich an die Stelle, an der ich vorher schon einmal war und habe quasi meine Spuren vor mir im Schnee gesehen. Und genau in diesem Augenblick kam die Zeile "Ich laufe meinen Spuren hinterher". Da war ich etwas irritiert und musste das festhalten, weil es so eine völlig absurde Situation war.

Foto(s): Sony Music/Christoph Köstlin