Tim Walz sprach hier im US-Wahlkampf von einem Besuch in Afghanistan, keinem Kriegseinsatz
Während die US-Präsidentschaftswahl 2024 immer näher rückt, ist in Beiträgen konservativer Kommentatoren erneut Filmmaterial einer alten Rede von Tim Walz aufgetaucht. In den Beiträgen wird behauptet, dass der demokratische Vizepräsidentschaftskandidat in dem Video sage, dass er im Krieg in Afghanistan gekämpft habe. Dies ist jedoch falsch – der Clip wurde gekürzt, um die Stellen auszulassen, in der der Veteran der Nationalgarde davon sprach, das Land als Mitglied des Kongresses besucht zu haben.
"Wieder einmal in einem Fall von 'stolen valor' erwischt." Unter "stolen valor", zu Deutsch "erschlichenem Heldentum", verstehen die Kommentare das unrechtmäßige Rühmen mit mutigen Taten, etwa einem Kriegseinsatz. "Es gibt jetzt mehr als 20 Fälle, in denen Tampon-Tim behauptet, er sei in Afghanistan und im Irak im Kriegseinsatz gewesen, obwohl er nicht einmal in eines der beiden Länder gereist ist", heißt es in einem X-Post vom 1. September 2024 von Alex Jones, dem Gründer von InfoWars.
In dem Beitrag wird mit "Tampon-Tim" auf ein Meme verwiesen, das den Gouverneur von Minnesota dafür kritisiert, dass er ein Gesetz unterzeichnet hat, durch das kostenlose Menstruationsprodukte in Schulen zur Verfügung gestellt werden. Der Beitrag enthält ein Video, in dem Walz sagt: "Wissen Sie, worüber sich unsere Truppen Sorgen machten, als ich in Afghanistan war? Sie machten sich Sorgen um die Gesundheitsversorgung ihrer Familien und um ihre Renten."
Mehrere andere konservative Persönlichkeiten aus den Medien teilten den Clip ebenfalls über Facebook, Instagram und Threads.
Nachdem Präsident Joe Biden im Juli 2024 angekündigt hatte, dass er nicht für eine Wiederwahl kandidieren und Kamala Harris unterstützen würde, wählte die derzeitige Vizepräsidentin Tim Walz als ihren Kandidaten für die Vizepräsidentschaft bei der Wahl im November 2024. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump und seine Anhängerschaft haben seitdem die Kritik an dem demokratischen Kandidatenpaar verstärkt und damit eine Flut an Desinformation ausgelöst. Weitere Faktenchecks zu den US-Wahlen 2024 sammelt AFP hier.
Der 60-jährige Walz trat in die Nationalgarde ein, als er 17 Jahre alt war und diente 24 Jahre lang im In- und Ausland, bevor er seine Karriere 2005 beendete, um für den Kongress zu kandidieren. Dann war er zwölf Jahre im Repräsentantenhaus tätig.
Der Veteran wurde mit einer Reihe von Angriffen auf seine militärische Laufbahn konfrontiert, darunter widerlegte Behauptungen, er habe seine Einheit im Stich gelassen, nachdem sie in den Irak entsandt worden war.
Die neuesten Falschbeiträge sind ähnlich – das vollständige Video zeigt, dass Walz darin gar nie behauptet, im Krieg gekämpft zu haben, sondern stattdessen auf eine Kongressreise nach Afghanistan verweist.
Eine umgekehrte Bildsuche zeigt, dass das online geteilte Filmmaterial aus einer Rede stammt, die Walz am 28. Februar 2012 auf der Washington Conference Commanders Call vor der American Legion gehalten hat (hier und hier archiviert).
Im vollständigen Video hebt der Redner, der Walz vorstellt, die Afghanistan-Reise hervor, die Walz im Oktober 2011 unternommen hat. Ein Bericht auf der Website der US-Armee beschreibt den Besuch und erwähnt Walz als Teil einer Kongressdelegation (hier archiviert).
Die Bemerkungen des Redners machen deutlich, dass es um einen Delegationsbesuch ging:
"Im vergangenen Herbst besuchte er unsere im Ausland stationierten Soldaten," sagte der Redner. Während dieses Besuchs wäre Walz vor allem von den Inhalten der Gespräche, die er mit vielen der Truppenangehörigen führte, überrascht. "Die Soldaten waren nicht auf Sprengfallen, Scharfschützen und die auf sie gerichteten Waffen fokussiert. Sie beschäftigten sich mit Budget-Fragen," wie zum Beispiel die Erhöhung der Kosten vom Gesundheitssystem für US-Streitkräfte und ihre Angehörigen, die private Altersvorsorge und die Reduzierung der Truppenstärke, sagte der Redner.
Walz ging in seiner Rede näher darauf ein und betonte, wie wichtig es sei, dass bei den Haushaltsmaßnahmen des Kongresses die US-Truppen Vorrang hätten.
"Wir müssen sicherstellen, dass die Haushaltsmaßnahmen und die Entscheidungen, die wir hier treffen, das widerspiegeln, was die amerikanische Bevölkerung will," sagte er. Er sagte, er hätte mit seiner Wählerschaft im Süden von Minnesota gesprochen und ihnen erzählt, dass die Truppen sich Sorgen um die Gesundheitsversorgung ihrer Familien und um ihre Renten machen würden.
"Ich sagte: Findet Ihr wirklich, dass sie sich darüber Sorgen machen sollten? Während ihre Freunde und Kollegen täglich erschossen werden? Und doch machen sie sich am Ende des Tages darüber Sorgen. Wir können schwierige Entscheidungen treffen, aber wagen Sie es nicht, diese an vorderster Front als Erstes auf den Prüfstand zu stellen, es gibt andere Entscheidungen, die getroffen werden können."
Walz hatte Afghanistan auch 2008 mit einer anderen Kongressdelegation besucht (hier archiviert), die laut lokalen Medienberichten die medizinische Versorgung von Soldaten und den Zugang zu medizinischen Unterlagen untersuchte.
Die Falschbehauptung verbreitete sich so ähnlich bereits zuvor: Walz' Kommentare über die Teilnahme an einer Zeremonie, bei der der Leichnam eines Soldaten auf ein Flugzeug verladen wurde, um von der afghanischen Militärbasis Bagram nach Hause geschickt zu werden, wurden in ähnlichem falschen Kontext geteilt. In der Rede von 2021 sagt der Gouverneur nicht, dass er in Afghanistan stationiert war (hier archiviert).
US-Army Lieutenant Colonel Kristen Auge, Sprecherin der Nationalgarde von Minnesota, sagte zuvor gegenüber AFP, dass Walz nicht in Afghanistan gekämpft habe, aber 2003 mit seiner Einheit nach Italien entsandt wurde, um die Operation "Enduring Freedom" zu unterstützen.
AFP wandte sich an das Büro von Walz und die Wahlkampagne von Kamala Harris, um eine Stellungnahme zu erhalten, erhielt jedoch keine Antwort.
Fazit: In einem online verbreiteten Video rühmt sich US-Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz nicht mit einem erfundenen Afghanistan-Kriegseinsatz. Vielmehr spricht er über Gespräche mit Soldaten bei einer Delegationsreise, die er nach Afghanistan unternahm. In den online geteilten Beiträgen wird dieser Kontext weggelassen.
18. September 2024 Änderung der Formatierung der Absätze 11-14