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Titelkandidat Spanien? Die Lehren aus dem Iran-Spiel

Trotz des Trainer-Bebens nur einen Tag vor Beginn der WM waren es die Spanier, die bei ihrem Auftaktmatch gegen Portugal trotz des 3:3 spielerisch am ehesten überzeugen konnten. Wir haben die Spanier gegen den Iran (1:0) genau unter die Lupe genommen. Wie gut sind die Iberer wirklich?

Spanien besiegte den Iran mit 1:0.
Spanien besiegte den Iran mit 1:0.

Der Rauswurf von Coach Julen Lopetegui, der ohne Absprache mit dem Verband bei Real Madrid angeheuert hatte, erschütterte den spanischen Fußball kurz vor dem Start der WM. Die Stimmung in der Seleccion war am Tiefpunkt, angeblich hätte es beinahe eine Prügelei zwischen Sergio Ramos und Verbandschef Luis Rubiales gegeben.

Umso verblüffender, dass genau diese Spanier unter Interimscoach Fernando Hierro am insgesamt überschaubar guten ersten WM-Spieltag die spielerisch beste Leistung ablieferten. So spielten sich die nach Lopeteguis Rauswurf schon halb abgeschriebenen Iberer zurück in die Favoritenrolle.

Zurecht? Yahoo Sport hat sich im Spiel gegen den Iran die größten Faktoren im Spiel der Spanier angesehen. Und zieht ein Fazit.

Das Dreieck Pique-Busquets-Ramos

Natürlich darf der auf Zerstörung und Defensive ausgerichtete Iran nicht als Muster-Beispiel herhalten, dennoch war das spanische Abwehr-Zentrum mit Ramos, Gerard Pique und dem immer wieder nach hinten einrückenden Sergio Busquets für die Iraner aus der Tiefe heraus fast nicht zu bezwingen.

Körperlich und spielerisch ohnehin überlegen löste das Trio so gut wie jede Situation, in der ein langer Ball kam, durch starke Staffelung oder Verdichtung des Zentrum.

Die generelle Arbeit gegen den Ball

Die Marschroute nach spanischen Ballverlusten war klar: Wir wollen die Pille sofort wieder! Der Gegner wurde direkt unter Druck gesetzt, sodass oftmals Ballgewinne oder zumindest Fehlpässe erzwungen wurden. So kam auch das spanische Zentrum mit den Ü30ern Iniesta, Pique und Ramos sowie dem nicht gerade als Sprintexperte verschrieenen Busquets selten durch Tempogegenstöße in Verlegenheit.

Bei weiteren Schlägen oder riskanten Pässen der Iraner in die Spitze schreckten die spanischen Abwehrspieler auch nicht davor zurück, extrem weit herauszurücken und den Zweikampf im Mittelfeld zu suchen. Besonders Dani Carvajal tat sich so in einigen Szenen hervor.

Überragende Individualisten und ihre Eingespieltheit

Es darf wohl festgehalten werden, dass Spanien das Team ist, das durch alle Mannschaftsteile hindurch die höchste Fußballerische Klasse aufweist. Vor allem das Passspiel im Mittelfeld und um den Sechzehner herum war herausragend. In Halbzeit eins lautete die Passanzahl 360 zu 66 (!) für Spanien.

Das Zusammenspiel der Spieler ist trotz Trainerwechsel zwar nicht immer zu einhundert Prozent zielführend, aber so flüßig wie bei keinem anderen Team bisher bei der WM. Aktionen wie Jordi Alba und Iniestas Tiki-Taka-Anfall nach nicht einmal fünf Minuten durften die Zuschauer bislang von den wenigsten Teams bestaunen.

Die Schwachstellen

Zwei Problemzonen machten sich gegen den Iran bemerkbar: Zum einen die defensive Anfälligkeit, sobald das Pressing überspielt war. Schon gegen Portugal kassierten David de Gea & Co. drei Buden und auch der Iran durfte trotz minimaler Spielanteile zu zwei Großchancen kommen (53./82.) und nach einer guten Stunde ein Abseitstor erzielen. Vor allem wenn die erste Pressingreihe mal schnell überspielt wurde, kamen Ramos und seine Nebenleute ins Schwimmen.

Schock für Spanien! Der Iran trifft – das Tor zählt aber nicht.
Schock für Spanien! Der Iran trifft – das Tor zählt aber nicht.

Zum anderen zeigte sich im Angriff die Schattenseite der spanischen Pass-Manie: Zu viele Schnörkel und komplizierte Ideen, zu wenig vertikales Spiel und klare Torabschlüsse. Die Spanier wollten den Ball oftmals ins Tor tragen und blieben unzählige Male an den Beinen der Iraner hängen, die sich teilweise komplett in und an den eigenen Sechzehner zurückzogen. Passend dazu auch das Tor, das nicht aus einer der starken Kombinationen, sondern einem Pressschlag im überfüllten Sechzehner entstand.

Fazit:

Nach einem furiosen Auftaktspiel hat sich Spanien in die mauen Darbietungen der anderen Favoriten eingereiht. Gegen den Iran reichte der Auftritt zum Sieg, gegen stärkere Gegner wird die Seleccion so Probleme bekommen. Nichtsdestotrotz lieferten die Spanier auch in einem schwachen Spiel fußballerische Höhepunkte, gewannen das wichtige Spiel und dürfen in der aktuellen Konstellation wohl als einer der größten Titelkandidaten geführt werden. Auch, wenn das zu einem guten Teil an der schlechten Form der anderen Großen liegt.