"Todesfalle! Finger weg": Shitstorm um smartes Katzenklo
Online-Händler erleben einen Shitstorm. Der dreht sich um ein smartes Katzenklo-Modell, das laut Rezensionen "eine Todesfalle" ist. Wir klären die Hintergründe.
Katzenklos putzen nervt, muss aber sein, damit die Tiere ihre Geschäfte nicht überall sonst in der Wohnung verrichten. Seit einiger Zeit sind smarte Katzenklos im Handel, die den Job übernehmen, dafür aber oft richtig teuer sind. Da sich die Geräte vor allem in den USA gut verkaufen, gibt es auch viele billig konstruierte Kopien auf dem Markt - und eins der Modelle sorgt aktuell für einen rasant anwachsenden Shitstorm.
Das selbstreinigende, smarte Katzenklo M1 des Herstellers Amztoy soll laut der Online-Ausgabe der britischen Tageszeitung Daily Mail Ende Juli eine junge Siamkatze namens Mochi stranguliert haben. Das Amztoy-Modell verschwand bei Amazon.com, nachdem die Besitzerin der Katze in einem mittlerweile gelöschten TikTok-Post für Aufruhr in den sozialen Medien gesorgt hatte.
Ähnliche oder sogar baugleiche Modelle finden sich unter anderen Markennamen aber weiterhin im Handel, etwa bei Amazon.com, eBay, den US-Onlinehändlern Wayfair und Walmart sowie bei AliBaba. Teilweise sind die Angebote allerdings auch wieder verschwunden. Um den Beweis zu erbringen, dass alle Modelle dieser Bauart für Katzen zur Todesfalle werden können, orderte zuletzt der YouTuber Philip Bloom eines der Amztoy-Katzenklos. Mit erschreckendem Ergebnis.
Der Videobeweis
Grundsätzlich hält Philip Bloom smarte, selbstreinigende Katzentoiletten für nützliche und sichere Geräte: Auf seinem Youtube-Kanal "One Man Five Cats" testet der siebenfache Katzenbesitzer sie regelmäßig, ehe seine pelzigen Mitbewohner*innen sie überhaupt betreten dürfen. Nur bei diesem spezifischen Test bekam er seinen Arm während eines Sensoren-Tests des baugleichen Modells nur mit viel Kraft, unter Schmerzen und mit deutlich sichtbaren Druckstellen wieder frei.
Eine gute Woche nach Veröffentlichung des Test-Videos landen Suchende bei nahezu allen Modellen bei Amazon.com auf Fehlerseiten. Es gibt aber nach wie vor Angebote bei Walmart, eBay – und bis vor wenigen Tagen auch noch bei Amazon.de. Dort wuchs die Anzahl negativer Rezensionen, die vor der "Todesfalle" warnten und sich auf Philip Blooms Video bezogen, flott.
Hinweis: Mittlerweile ist das Angebot auf Amazon.de nicht mehr gelistet und auch die letzten Angebote auf Amazon.com sind verschwunden. Amazon.de hat auf unsere Anfrage reagiert und eine Stellungnahme abgegeben. Dazu weiter unten mehr.
Zuerst mal: Was ist denn genau das Problem mit diesen Katzenklo-Modellen?
Gefahr für Katzen – und Menschen
Es ist die Konstruktion: Der Eingang des Katzenklos ist ins Gehäuse eingelassen. Er besteht aus robustem, zusätzlich verstärktem Kunststoff mit einer harten, scharfen Kante. Dort klettern die Katzen hinein. Im Innern befindet sich eine Hartplastik-Trommel mit ausgefräster Öffnung und Siebeinsatz: dort sollen sich die Katzen erleichtern.
Die Trommel ist im Gehäuse eingehängt und über ein Zahnrad mit einem recht kraftvollen Motor verbunden. Während des Reinigungsvorgangs dreht sie sich einmal um 90 Grad nach oben weg und siebt Streuklumpen in den Müllsammelbehälter. Dabei verschließt sich der Eingang durch die rotierende Trommel – und die klemmt im Extremfall unerbittlich alles ein, was ihr im Weg ist, auch den Arm eines erwachsenen Mannes.
"Es ist buchstäblich eine Guillotine für Katzen", kommentiert eine Produkt-Designerin unter Philip Blooms Youtube-Video, das seit vergangenen Sonntag mehr als 868.000 Aufrufe erhalten hat: "Das Ausmaß an Fahrlässigkeit, das hier an den Tag gelegt wird, spottet jeglicher Beschreibung."
Zwar werben die Anbieter*innen der smarte Katzenklos mit einer Reihe von Sensoren, die verbaut sind, um Unfälle zu verhindern, doch diese funktionieren offenbar nicht unter allen Umständen, wie das Test-Video weiter ausführt.
Firmware-Updates: Mangelnde Hinweise
Tatsächlich sind Infrarot-, Gewichts- und Klemmsensoren in all diesen Modellen verbaut. Sie sollten die Rotation der Trommel sofort stoppen, wenn Katzen auch nur in die Nähe des Geräts kommen und erst recht, wenn sie sich darin befinden, schlimmstenfalls eingeklemmt.
Doch laut Philip Bloom funktionierte dieses "Feature" im Test erst nach einem Firmware-Update der App wirklich zuverlässig. Leider erwähnt die mitgelieferte Gebrauchsanweisung laut Bloom die Notwendigkeit, die App zu aktualisieren, mit keinem Wort. Und vermutlich genügt ein fehlerhaftes Update, um das Risiko wieder zu erhöhen.
Doch selbst wenn Unfälle über die Firmware hundertprozentig ausgeschlossen werden könnten: Geräte aus harten Materialien, die über kräftige Motoren und sich konstruktionsbedingt unerbittlich schließende Eingänge verfügen, in denen sich Menschen einklemmen und in denen Tiere ihren Tod finden können, sollten nach dem Auspacken so funktionieren, dass dieser Ernstfall niemals eintreten kann.
Diese Erwartungshaltung könnten Kund*innen zumindest entwickeln, wenn sie rund 300 Euro bezahlen und ihnen Werbevideos suggerieren, dass sie auch auf tagelange Businesstrips verschwinden und den Gesundheitsstatus ihrer Katzen jederzeit über eine App checken können. Dass das überhaupt, geschweige denn über die gesamte Lebensdauer dieser Geräte zuverlässig funktioniert, ist bei dieser Konstruktion zweifelhaft.
Amazons Reaktion
Auf unsere Anfrage vom letzten Freitag lässt die in München ansässige Amazon-Zentrale ausrichten, dass sie den Verkauf von in Frage stehenden selbstreinigenden Katzentoiletten nicht mehr zulassen werde. Als Vorsichtsmaßnahme. Das würde das bereits seit Anfang der Woche gelöschte Listing bei Amazon.de erklären.
Aber wenn Sie finden, dass ein bei Amazon verkauftes Produkt Menschen oder Tiere gefährdet und daher nicht verkauft werden sollte, scheuen Sie sich nicht. Sie können laut einer Amazon-Sprecherin beim Amazon-Kund*innenservice Alarm schlagen, so das zitierfähige Statement.
"Sofern Kund:innen Bedenken hinsichtlich eines gekauften Artikels haben, empfehlen wir ihnen, sich mit dem Amazon Kundenservice in Verbindung zu setzen, damit wir Untersuchungen anstellen und geeignete Maßnahmen treffen können."
Das Mutterschiff Amazon.com hatte etwas länger gebraucht. Das Modell, das am 5. September nochmal auftauchte, zuletzt nur noch $199,99 kostete, aber gleich ab Verkaufsstart gleich vier begeisterte Rezensionen zog, läuft seit dem Abend des 18. September 2024 auf eine der bekannten Hunde-Fehlerseiten.
Die vier begeisterten Rezensionen existieren immer noch auf den ihnen zugeordneten Nutzer*innen-Accounts, etwa diese hier. Denn trotz des Aufwands, den Amazon in puncto Rezensions-Missbrauch ergreift, können alte Rezensionen neuen Angeboten zugeordnet werden. Vergangene Woche tauchte eine Rezension von 2014 auf einer Produktseite von 2024 auf. Dieses Bäumchen-wechsle-dich-Spielchen könnte erklären, wieso Amazon im letzten Jahr nur 150 "Akteure" erwischt hat, wie die Konzernsprecherin selbst betont:
"Im Jahr 2023 ist Amazon gegen mehr als 150 Akteure mit schlechten Absichten rechtlich vorgegangen, die in den USA, China und Europa versucht haben, Rezensionen zu missbrauchen."
Mal sehen, wie viele es 2024 werden.
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