Toronto: Polizist bleibt bei Festnahme des mutmaßlichen Amokfahrers souverän

Polizisten sichern nach der Amokfahrt in Toronto den Tatort. (Bild: Getty Images)
Polizisten sichern nach der Amokfahrt in Toronto den Tatort. (Bild: Getty Images)

Ein 25-Jähriger rast in Toronto eine belebte Straße entlang und tötet dabei zehn Menschen. Als sein Auto zum Stehen kommt, überwältigt ihn ein einzelner Polizist. Der Täter soll ihn mehrmals aufgefordert haben, ihn zu töten. Doch der Beamte reagiert besonnen – und wird jetzt als Held gefeiert.

Der 25-jährige Alek Minassian hat am Montag im Norden von Toronto innerhalb kürzester Zeit unfassbares Leid verursacht. In Schlangenlinien soll er mit 60 Stundenkilometern 15 Straßenblocks entlanggefahren und dabei immer wieder zwischen Straße und Gehweg gewechselt haben – wohl um möglichst viele Personen zu treffen. Als der Van schließlich zum Stehen kommt, sind zehn Menschen tot, von weiteren 15 Verletzten schweben vier in Lebensgefahr.

Nach der Fahrt versuchte der bis dahin polizeilich unbekannte Software-Entwickler zu flüchten, wurde aber gestellt: Auf einer Videoaufnahme ist zu sehen, wie er von einem einzelnen Polizisten festgenommen wird. Täter und Polizist stehen sich gegenüber und zielen augenscheinlich aufeinander. „Töte mich! Schieß mir in den Kopf!“, ruft der Täter dem Polizisten zu, der ruhig und professionell bleibt und ihn auffordert, sich auf den Boden zu legen. Währenddessen bleibt er mit gezogener Waffe hinter seinem Wagen, selbst dann, als sich der Täter auf ihn zu bewegt. Auch als der ein weiteres Mal „Töte mich!“ ruft, entgegnet der Polizist „Nein, auf den Boden!“ Auf einem anderen Video, gefilmt auf Höhe der Straße, ist zu sehen, wie der Täter mehrmals vorgibt, eine Waffe aus seiner Tasche zu ziehen und dem Polizisten droht: „Ich habe eine Waffe in meiner Tasche“, woraufhin er erwidert: „Ist mir egal. Auf den Boden.“ Wenig später lässt der Täter den schwarzen Gegenstand fallen und sinkt auf die Knie, wo er sich überwältigen und festnehmen lässt. Was der vermutliche Täter in der Hand hielt, als er dem Polizisten drohte, ist nicht bekannt. Später bestätigte die Polizei, dass der Täter zum Zeitpunkt seiner Verhaftung keine Waffe bei sich trug.

Viele User teilen ihre Gedanken zu dem Vorfall auf Twitter und anderen sozialen Kanälen – und posten ebenfalls Videos des Vorfalls.

Das ist so beängstigend. Meine Kollegin hat mir eben dieses Video davon geschickt, was heute zwischen Yonge und Finch Street passiert ist.

Das Netz feiert den Polizisten nun als Helden für sein überlegtes und ruhiges Verhalten, das er in dieser Extremsituation an den Tag legte. Der Fall ist auch mit Blick auf ähnliche Situationen eine Ausnahme: Bei den zahlreichen Terroranschlägen und Amokfahrten der vergangenen Jahre wurden die Täter meist von der Polizei getötet – oder töteten sich selbst. Nur in Einzelfällen, etwa nach den Anschlägen von Paris, konnten einzelne mutmaßliche Attentäter lebend gefasst und zu ihren Motiven verhört werden.

Der Polizist ist etwa Mitte 30 und seit sieben Jahren im Dienst der Polizei. Das ist alles, was der Präsident der Toronto Police Association, Mike McCormack, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg über den Mann preisgab, der zu ihm gesagt habe, er habe die Entscheidung auf Basis seines Trainings und seiner Einschätzung getroffen. „Mike, ich habe nur meinen Job gemacht. Was ich gemacht habe, war keine große Sache. Aber sieh dir diese armen Menschen an.“ Den namentlich unbekannten Polizisten beschrieb McCormack als bescheiden und entspannt. Die Einsatzkräfte müssten die traumatischen Erlebnisse nun ebenfalls verarbeiten, sagte McCormack noch.

Im Netz wurde das Video bislang tausendfach geteilt. Die Reaktionen heben vor allem den Unterschied zwischen amerikanischer und kanadischer Polizei hervor, den viele als entscheidend betrachten.

Der Unterschied zwischen kanadischer und amerikanischer Polizei.

Eine beeindruckende Zurückhaltung und einen kühlen Kopf zeigt dieser Beamte der Toronto Police. Einfach beeindruckend. Sein Kollege in den USA hätte seine Pistole auf den Verdächtigen abgefeuert (und würde als Held gefeiert werden). Herzschmerz für die Opfer.

Großartige Arbeit dieses Polizisten. Unglaubliche Zurückhaltung. Hier in den Vereinigten Staaten wäre der Verdächtige 20 Mal erschossen worden.

Wäre der Täter schwarz, wären schon 30 Schüsse auf ihn abgegeben worden.

Über den besagten Polizisten ergießen sich Lob und Anerkennung für seine mutige Festnahme, mit der er dem Schrecken ein Ende bereitete – ohne einen Schuss abzugeben.

Ein unglaublicher Polizist.

Noch bis Montag hatten sich in Toronto die Außenminister der G7-Staaten getroffen, weswegen auch ein terroristisches, politisches Motiv zunächst nicht ausgeschlossen werden konnte. Schon davor galt die mittlere Terrorwarnstufe für Toronto, die auch nach der Amokfahrt unverändert blieb.

Obwohl Kanada einen friedlicheren Ruf genießt als die USA, ist es nicht das erste Mal in der jüngeren Vergangenheit, dass es dort zu einer Amokfahrt kommt. Im September des Vorjahres attackierte ein Mann zuerst einen Polizisten mit einem Messer und fuhr dann mit seinem Van Passanten nieder. Vor vier Jahren rammte ein Mann in Québec zwei Soldaten und verletzte einen davon tödlich.