Tödlicher Anschlag in Hanau: Alle Informationen im Überblick

Über vier Monate nach dem Anschlag von Halle erschüttert Deutschland ein weiteres blutiges Attentat. Ein Deutscher tötet in Hanau neun Menschen. Anschließend erschießt er wohl seine Mutter und sich selbst. Beim Trauerzug in Hanau gedenken Zehntausende der Opfer.

Das SEK am Tatort in Hanau (dpa)
Das SEK am Tatort in Hanau (dpa)

Das Wichtigste in Kürze:

  • 9 Menschen bei Angriff mit Schusswaffe in Hanau getötet

  • Mutmaßlicher Täter und seine Mutter tot aufgefunden

  • Viele Opfer mit Migrationshintergrund

  • Generalbundesanwalt: Rassistische Gesinnung des Täters

  • Grüne legen Aktionsplan gegen Rechts vor

  • Islam-Verbände: Politiker verharmlosen Problem der Islamfeindlichkeit

  • Bundesinnenminister Seehofer bezeichnet Gewalttat als rechtsterroristischen Terroranschlag

  • Zahlreiche Menschen demonstrieren nach Hanau gegen Rechts

  • Zehntausende gedenken der Opfer bei Trauerzug in Hanau

  • Massive Kritik an der AfD

  • Kanzlerin Merkel verurteilt Rassismus als “Gift in unserer Gesellschaft”

Zehntausend gedenken in Trauerzug

Mehrere tausend Menschen haben in Hanau der Opfer des mutmaßlich rassistischen Anschlags gedacht und ein Zeichen gesetzt für Toleranz und Menschlichkeit.

“Wichtig ist für uns, Flagge zu zeigen. Gegen Terror, Fremdenfeindlichkeit und antimuslimischen Rassismus“, sagte Mitorganisator Teyfik Oezcan. “Unsere Botschaft lautet: Wir sind Deutschland. Wir gehören zusammen.“

Nach Schätzungen der Polizei liefen bis zu 10.000 Menschen vom Tatort Kurt-Schumacher-Platz in der Innenstadt. Dort gab es eine Kundgebung, an der Angehörige der Opfer, der türkische Botschafter Ali Kemal Aydın, Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) sowie Vertreter verschiedener Religionen teilnahmen. Es sei dringend nötig, ein Gegengift zu finden für den Hass, sagte Botschafter Aydın. Die türkische Gemeinde erlebe von Jahr zu Jahr mehr Angriffe auf Personen, auf Moscheen oder auf Vereine. “Das kann und darf so nicht weitergehen.“ Lippenbekenntnisse reichten nicht aus.

Tausende demonstrieren in Hanau gegen rechte Hetze

Rund 3.000 Menschen haben nach Angaben der Polizei am Samstag in Hanau gegen Hetze und Menschenverachtung demonstriert. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie «Muss erst getötet werden, damit Ihr empört seid?» oder «Menschenrechte statt rechte Menschen». Für die Demonstration vom Freiheitsplatz in der Innenstadt zu den beiden Tatorten hatten die Veranstalter mit 2.000 Teilnehmern gerechnet.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir legte am Samstag in Hanau einen Kranz für die Opfer des Anschlags nieder. Es sei schwer, Worte zu finden, sagte er auf dem Heumarkt, wo der Attentäter einen Teil seiner Opfer erschoss. Er hoffe, «dass dieses Jahr in die Geschichte eingeht als das Jahr, in dem die Republik ernst macht gegen Rechtsradikalismus».

Grüne legen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vor

Die Grünen dringen im Bundestag auf einen schnellen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in Deutschland. Zu den Sofortmaßnahmen sollen ein Krisenstab, ein Rassismus-Beauftragter und schärfere Waffengesetze gehören.

Die FDP forderte, kleinere Verfassungsschutzämter zusammenzulegen. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der «Passauer Neuen Presse», die AfD solle als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz beobachtet werden. Zuvor hatte das schon SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gefordert.

Der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Edgar Franke, sagte zu, dass die engsten Angehörigen der Opfer der Gewalttat in einigen Tagen eine Soforthilfe von 30.000 Euro erhalten werden. In mehreren deutschen Städten wandten sich auch am Freitagabend wieder Demonstranten gegen rechte Gewalt und Intoleranz. Weitere Kundgebungen sind am Wochenende geplant.

Islam-Verbände: Politiker verharmlosen Problem der Islamfeindlichkeit

Vertreter der Islam-Verbände haben deutsche Politiker nach der Bluttat in Hanau aufgerufen, Islamfeindlichkeit klar als Problem zu benennen. Er habe von den Politikern auch nach dem Anschlag «diese klare Haltung vermisst», sagte der Sprecher des Koordinationsrates der Muslime, Zekeriya Altug, am Freitag in Berlin. Er hätte sich gewünscht, dass bei den Gedenkveranstaltungen in Hanau deutlich benannt worden wäre, dass die Opfer Muslime waren. Es sei zwar gesagt worden, «dass man zusammenstehen möchte, aber nicht mit wem».

Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Filiz Polat, sagte: «Es ist Aufgabe der Politik, aber vor allem dieser Bundesregierung, ein gesellschaftliches Klima zu schaffen, in der die Einwanderungsgesellschaft als Bereicherung anerkannt wird.»

Zur Frage der Sicherheit vor rassistischen Angriffen fügte Altug hinzu, zusätzliche Schutzmaßnahmen für Moscheen seien notwendig. Das bedeute aber nicht, dass künftig vor jeder Moschee ein Polizist stehen müsse. Denn antimuslimische Rassisten würden sich dann nur andere Orte aussuchen, um Muslime anzugreifen. «Die Shisha-Bars waren ja nicht willkürlich gewählt», sagte er.

Nach dem tödlichen Anschlag positionieren sich Menschen in Hanau gegen Rechts. (Bild: PATRICK HERTZOG / AFP)
Nach dem tödlichen Anschlag positionieren sich Menschen in Hanau gegen Rechts. (Bild: PATRICK HERTZOG / AFP)

Nach dem Anschlag hatten zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld gegeben. Gefordert wird zudem ein härteres Vorgehen gegen rechte Gewalt. Die Ermittlungen nach der Bluttat mit elf Toten konzentrieren sich derweil unter anderem auf die Frage, ob der mutmaßliche Täter Mitwisser oder Unterstützer hatte.

«Heute ist die Stunde, in der wir zeigen müssen: Wir stehen als Gesellschaft zusammen, wir lassen uns nicht einschüchtern, wir laufen nicht auseinander», sagte Steinmeier in Hanau. Er sprach von einer «Terrortat», da sie Angst und Schrecken verbreiten sollte. In Berlin versammelten sich am Brandenburger Tor rund 500 Menschen, darunter zahlreiche Spitzenpolitiker, und bildeten eine große Menschenkette rund um das Tor.

Karnevalsumzüge nach Anschlag in Hanau: Sicherheit im Blick

In den Karnevalshochburgen KÖLN und DÜSSELDORF soll das Attentat bei den Rosenmontagszügen auf den Wagen eine Rolle spielen. Die Sprecherin des Festkomitees Kölner Karneval, Tanja Holthaus, sagte, ein Wagen werde angepasst. Der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly plant einen eigenen Wagen zu Hanau. «Es wird kein Wagen, über den man lachen kann, aber es wird ein Statement der Narren sein», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Wir sind nicht nur für Friede, Freude, Eierkuchen zuständig, wir haben ja einen politischen Karneval.»

In MAINZ soll es weder Schweigeminuten geben, noch fallen Veranstaltungen aus, wie der Sprecher des Mainzer Carneval-Vereins, Michael Bonewitz, sagte. Aus polizeilicher Sicht ändere sich in puncto Sicherheitsvorkehrungen zunächst nichts, sagte ein Polizeisprecher in Mainz.

In MÜNCHEN war zunächst unklar, ob die Veranstaltungen am Faschingsdienstag stattfinden werden. Der Weiberfasching auf dem Viktualienmarkt war am Donnerstag kurzfristig abgesagt worden.

Kritik an der AfD nach Anschlag von Hanau

Nach dem mutmaßlich rassistisch motivierten Anschlag von Hanau haben zahlreiche Politiker der AfD eine Mitschuld gegeben.

«Natürlich gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erstarken der AfD und der Zunahme rechter Gewalt», sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Unterdessen laufen die Ermittlungen zu der Bluttat mit elf Toten am Freitag mit Hochdruck weiter.

Pistorius beklagte, dass ausländischen Mitbürgern die Menschenwürde abgesprochen werde. «Das ist so gefährlich, weil es manche erst dazu bringt, zur Tat zu schreiten. Hier ist eine fatale Enthemmung in Gang geraten, und die AfD trägt daran Mitschuld.»

Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle fordert im Gespräch mit der «Rheinischen Post» (Freitag) Konsequenzen für die staatliche Sicherheitspolitik. Insbesondere der Umgang mit der AfD müsse verändert werden. «Der Verfolgungsdruck auf die Überschneidung von Rechtsterrorismus und AfD muss nach Hanau deutlich zunehmen.»

Blumen und Kerzen wurden in der Nähe des Tatorts niedergelegt (Bild: Reuters/Ralph Orlowski)
Blumen und Kerzen wurden in der Nähe des Tatorts niedergelegt (Bild: Reuters/Ralph Orlowski)

Seehofer ordnet Trauerbeflaggung an

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat in Hanau die Prüfung politischer Konsequenzen in Aussicht gestellt. Möglicherweise seien auch weitere Gesetzesänderungen notwendig, sagte der CSU-Politiker. Was sich im Bereich des Rechtsextremismus zuletzt entwickelt habe, sei sehr besorgniserregend.

Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, sagte Seehofer, es deute aber alles auf ein “rassistisches Motiv” hin. Rassismus sei ein “Gift”, betonte Seehofer, der am Vormittag gemeinsam mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) nach Hanau geflogen war.

Lambrecht versprach den Angehörigen der Getöteten Unterstützung. Sie sagte: “Wir werden alles tun, um so gut es geht, in einer solch schwierigen Situation zu helfen. So eine Tat kommt nicht aus dem Nichts”, betonte Lambrecht. Es sei wichtig, dem Hass entgegen zu treten.

Seehofer ordnete Trauerbeflaggung an allen öffentlichen Gebäuden in Deutschland an.

In Hanau und zahlreichen anderen deutschen Städten fanden am Abend Mahnwachen für die Opfer und Demonstrationen gegen Rassismus statt.

Was bisher über den Anschlag bekannt ist

Tathergang

  • Die ersten Schüsse fielen den Ermittlern gegen 22.00 Uhr in der Hanauer Innenstadt, zuerst in einem Lokal am Heumarkt und kurz darauf in einer Bar in unmittelbarer Nähe.

  • Auch im zwei Kilometer entfernten Stadtteil Kesselstadt fielen Schüsse. Die Tatorte: ein Auto und ein Kiosk am Kurt-Schumacher-Platz.

  • Dorthin soll der mutmaßliche Täter mit dem Auto geflüchtet sein.

  • Stunden später entdeckte die Polizei die Leiche des mutmaßlichen Todesschützen in seiner Wohnung. Dort fanden die Ermittler auch die Leiche seiner 72-jährigen Mutter.

  • Es wird davon ausgegangen, dass der mutmaßliche Täter erst seine Mutter und dann sich erschossen hat.

  • Durch Zeugenaussagen und Aufnahmen von Überwachungskameras kamen die Ermittler dem Mann auf die Spur.

Der Täter

  • Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um den 43-jährigen Tobias R. aus Hanau. Der Deutsche habe wohl allein gehandelt, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach einer Telefonschalte der Innenminister von Bund und Ländern.

  • Der Mann war seit 2012 im Schützenverein Diana Bergen-Enkheim als Schütze aktiv, wie der Deutsche Schützenverein bestätigte. Die Waffen soll er legal besessen haben.

  • Laut dem Verein selbst war Tobias R. ein “eher ruhiger Typ”, der in keiner Weise auffällig geworden sei.

  • Nachbarinnen beschreiben ihn als “ganz unauffälligen jungen Mann”. Er habe zudem einen “bisschen verstockten Eindruck gemacht” und sei sehr schüchtern gewesen.

  • Tobias R. soll zuvor nicht im Visier der Ermittler gewesen sein.

  • Über den Werdegang des Täters gibt es keine offiziellen Angaben. Über sich selbst schreibt der Täter auf seiner Homepage, er habe eine Banklehre absolviert und BWL in Bayreuth studiert. Die Universität in Bayreuth bestätigte, dass Tobias R. dort von September 2000 bis März 2007 Student war. Nach Angaben von Bayerns Innenminister Herrmann hat er zeitweilig in Oberfranken und in Oberbayern gewohnt. “Zuletzt hat er sich wohl 2018 im südbayerischen Raum aufgehalten.”

Die Opfer

  • Die neun Todesopfer aus den Lokalen sind zwischen 21 und 44 Jahre alt

  • Mehrere Opfer waren Kurden, fünf hatten die türkische Staatsbürgerschaft

  • Die 72 Jahre alte Mutter des mutmaßlichen Täters war offenbar sein letztes Opfer

  • Sechs Menschen wurden verletzt, eine Person davon schwer

Motiv

  • Die Ermittler gehen von einem rechtsradikalen und rassistischen Hintergrund der Tat aus. Hinweise auf der Homepage des Täters wiesen darauf hin.

  • Wenige Tage vor dem Verbrechen hatte der mutmaßliche Täter ein Video mit Verschwörungstheorien bei Youtube veröffentlicht. Darin sagt der Mann etwa, in den USA existierten unterirdische Militäreinrichtungen, in denen Kinder misshandelt und getötet würden.

  • Der Mann behauptet in dem Video, Deutschland werde von einem Geheimdienst gesteuert. Außerdem äußert er sich negativ über Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei.

  • Auch auf der Homepage des mutmaßlichen Täters wurde ein Schreiben mit den Verschwörungstheorien veröffentlicht.

Was wir nicht wissen

  • Unbekannt ist, wie lange sich das Tatgeschehen hingezogen hat und wo sich der 43-Jährige vor der Tat aufgehalten hat.

  • Auch die Identität der Getöteten und Verletzten wurde zunächst nicht öffentlich gemacht.

  • Unklar ist, ob der mutmaßliche Täter Mitwisser oder Unterstützer für seinen Anschlag hatte. Dies prüft derzeit die Bundesanwaltschaft.

  • Auch das Verhältnis zur erschossenen Mutter ist ungeklärt. Der Vater wird nach dpa-Informationen von der Bundesanwaltschaft nicht als Beschuldigter geführt.

  • Unbekannt ist auch, ob der mutmaßliche Täter eine psychische Erkrankung hatte.

Reaktionen aus der Politik

Die Bundesregierung reagierte bestürzt auf das Verbrechen. "Die Gedanken sind heute Morgen bei den Menschen in #Hanau, in deren Mitte ein entsetzliches Verbrechen begangen wurde", schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert am Donnerstagmorgen auf Twitter. "Tiefe Anteilnahme gilt den betroffenen Familien, die um ihre Toten trauern", fügte er hinzu. Seibert äußerte die Hoffnung, dass die Verletzten bald wieder gesund werden.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sein Entsetzen über die “terroristische Gewalttat in Hanau” zum Ausdruck gebracht. Der Bundespräsident erklärte am Donnerstag in Berlin: “Meine tiefe Trauer und Anteilnahme gelten den Opfern und ihren Angehörigen. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung. Ich stehe an der Seite aller Menschen, die durch rassistischen Hass bedroht werden. Sie sind nicht allein.” Steinmeier zeigte sich aber “überzeugt: Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland verurteilt diese Tat und jede Form von Rassismus, Hass und Gewalt. Wir werden nicht nachlassen, für das friedliche Miteinander in unserem Land einzustehen.”

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich entsetzt über die Gewalttat von Hanau gezeigt. “Die Tragödie, die sich gestern Nacht in Hanau ereignet hat, hat mich zutiefst erschüttert”, schrieb die CDU-Politikerin am Donnerstag auf Twitter. Ihre Gedanken seien bei den Familien und Freunden der Opfer. Ihnen sprach von der Leyen ihr Beileid aus. “Wir trauern heute mit Ihnen.”

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte, die Tat schockiere, mache sprachlos und “unendlich traurig”. Er fügte hinzu: “Wir sind jetzt in einer Situation, in der wir Einiges wissen, vieles noch nicht”, erklärte Bouffier. Er rief die Bürger auf, sich nicht an diesen Spekulationen zu beteiligen. Es sei noch zu früh für eine Beurteilung der Lage.

Auch der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) zeigt sich in einer Sondersendung von "Bild live" erschüttert über die Gewalttaten. "Das war ein furchtbarer Abend, der wird uns sicherlich noch lange, lange beschäftigen und in trauriger Erinnerung bleiben."

SEK-Beamte sind in der Nähe eine der Tatorte in Hanau (Bild: Boris Roessler/dpa)
SEK-Beamte sind in der Nähe eine der Tatorte in Hanau (Bild: Boris Roessler/dpa)

Die Hanauer Bundestagsabgeordnete Katja Leikert (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: “Ich bin erschüttert darüber, was passiert ist.” Auf Twitter schrieb sie: “In dieser fürchterlichen Nacht in Hanau wünsche ich den Angehörigen der Getöteten viel Kraft und herzliches Beileid.” Und: “Den Verletzten eine hoffentlich schnelle Genesung. Es ist ein echtes Horrorszenario für uns alle. Danke an alle Einsatzkräfte!!”

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat Konsequenzen in Politik und Gesellschaft gefordert. “Unsere politischen Debatten dürfen sich nicht davor herumdrücken, dass es 75 Jahre nach Ende der NS-Diktatur wieder rechten Terror in Deutschland gibt”, sagte der Finanzminister am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Sicherheitsbehörden müssten mit aller Konsequenz den Kampf gegen rechten Terror führen. Doch auch die Gesellschaft müsse “unsere liberale, weltoffene Demokratie gegen ihre Feinde verteidigen”.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat zu verstärktem Kampf gegen rechten Terror aufgerufen. “Rechtsterrorismus ist wieder zu einer Gefahr für unser Land geworden”, betonte Maas am Donnerstag auf Twitter. Es sei längst Zeit zu erkennen: “Demokratie muss sich wehren gegen die Feinde der Freiheit.” Das gelte für den Rechtsstaat. “Das gilt aber auch für uns alle.”

SPD-Chefin Saskia Esken nannte die Tat “entsetzlich”. Sie sprach auf Twitter von “rechtem Terror”. “Viel zu lange haben wir uns davor gescheut, es mit klaren Worten zu benennen”, schrieb Esken. FDP-Chef Christian Lindner betonte auf Twitter: Der “offenbar rassistische Terror” von Hanau sei erschütternd. “Dem Rechtsextremismus müssen wir uns mit aller Entschlossenheit entgegen stellen”, mahnte Lindner.

Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Paul Ziemiak und Markus Blume zeigten sich auf Twitter “fassungslos”. Linke-Parteichefin Katja Kipping twitterte in deutscher, türkischer und kurdischer Sprache: “Wir trauern”. In einem weiteren Tweet meinte Kipping mit Verweis auf die AfD: “Der rassistische Anschlag von Hanau ist kein Unfall. Solche Taten werden angefeuert von rechter Hetze, die von ‘wohltemperierter Grausamkeit’ (Höcke) und ‘Remigration" redet und Menschen ihre Würde abspricht.” Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock twitterte: “Was für eine furchtbare Nachricht.” Es sei gut, dass wegen des “offenbar rassistischen Hintergrunds” die Bundesanwaltschaft jetzt ermittele.

Kurdische Verbände: Entsetzen und Wut

Kurdische Verbände in Deutschland zeigen sich entsetzt über die Gewalttat von Hanau. “Wir stehen alle unter Schock”, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde Deutschland (KGD), Mehmet Tanriverdi, am Donnerstag in Gießen. Nach Informationen der KGD waren Menschen kurdischer Abstammung unter den Opfern. Laut der KGD leben in der Region Hanau 6000 bis 7000 Menschen mit kurdischen Wurzeln. Shisha-Bars würden oft von Menschen kurdischer Abstammung betrieben, sagte Tanriverdi.

Der kurdische Dachverband Konföderation der Gemeinschaften Kurdistans in Deutschland hat in einer Mitteilung Trauer und Wut bekundet und zu Demonstrationen aufgerufen:

Wir sind traurig und wir sind wütend. Traurig sind wir, weil unsere Gedanken nach der gestrigen Nacht bei den Angehörigen der Opfer des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau sind. Unter den Opfern befinden sich auch mehrere Opfer kurdischer Herkunft. Ihre Angehörigen versammeln sich gegenwärtig im Kurdischen Kulturzentrum in Hanau, wo zahlreiche Menschen in dieser schweren Stunde an ihrer Seite stehen und ihren Schmerz teilen.

Wütend sind wir, weil die politischen Verantwortlichen in diesem Land sich rechten Netzwerken und Rechtsterrorismus in diesem Land nicht entschieden entgegenstellen: der NSU, der Anschlag von Halle, der Mord an Walter Lübcke und nun der Terroranschlag in Hanau sind das Ergebnis einer staatlichen Politik, welche sich auf dem rechten Auge blind stellt. Die politische Rhetorik der AfD und ihre Verharmlosung durch die Medien und Politiklandschaft bereiten den Nährboden für den rechten Terror in Deutschland.

In dieser schweren Stunde möchten wir nochmals allen Angehörigen der Opfer unser tiefstes Beileid bekunden. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten ihnen.

Islamverbände: Solidarität mit Opfern rechter Gewalt

Die vier großen Islamverbände in Deutschland haben nach der Gewalttat in Hanau mehr Engagement im Kampf gegen rechten Terror gefordert. Die Gewalt habe sich gegen Migranten als Zielgruppe gerichtet, betonte der Koordinationsrat der Muslime (KRM) am Donnerstag in Köln. Der KRM betonte, man verlange schon seit Monaten, “gegen die rechte Hetze und gegen Islamfeindlichkeit deutlich Stellung zu beziehen.” Der Terror bedrohe alle. Die Politik habe das Problem rechter Gewalt unterschätzt. Alle Akteure der Gesellschaft sollten ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern rechter Angriffe setzen, mahnte der Zusammenschluss von Türkisch-Islamischer Union Ditib, Zentralrat der Muslime, Islamrat IRD und Kulturzentrenverband VIKZ. “Es ist jetzt die Zeit, zusammenzurücken und zusammenzustehen.”

Schweigeminute beim Karneval, Eintracht mit Trauerflor

Mit Gedenken an die Opfer der Gewalttat von Hanau hat in den närrischen Hochburgen am Donnerstag um 11.11 Uhr der Straßenkarneval begonnen. “Sicher haben wir ein Lächeln heute auf dem Gesicht. Aber im Herzen sind wir wirklich bei den Menschen von Hanau, auch bei den Hinterbliebenen, an die wir ganz, ganz sicher denken”, sagte der Kölner Karnevalsprinz Christian II. der Deutschen Presse-Agentur.

In Düsseldorf sagte der Präsident des Comitees Düsseldorfer Karneval, Michael Laumen, auf dem Rathausbalkon: “Wir sind bei den Opfern von Hanau. Unser Düsseldorfer Karneval ist multikulturell.” Für Rosenmontag planen die Düsseldorfer einen Mottowagen zu Hanau. In Köln gab es eine Schweigeminute. Karnevalspräsident Christoph Kuckelkorn sagte: “Im Leben und vor allen Dingen im Karneval sind die Momente der überschäumenden Freude und des Feierns und die der Trauer und die stillen Momente immer nah beieinander. Heute, in den Stunden, überwiegt bei uns allen glaube ich die Fassungslosigkeit.” In München wurde wegen der Gewalttat der Weiberfasching auf dem Viktualienmarkt abgesagt.

Eintracht Frankfurt spielte in der Europa-League-Partie am Donnerstag gegen RB Salzburg mit Trauerflor. Zudem gab es vor dem Anpfiff eine Schweigeminute. Dies geschehe “in Gedenken an die Betroffenen und als klares Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Extremismus”. “Die schrecklichen Vorkommnisse in Hanau in der letzten Nacht sorgen für Trauer und Entsetzen im gesamten Bundesgebiet und speziell in der Rhein-Main-Region. Eintracht Frankfurt ist aufgrund dieser Vorfälle geschockt und in Gedanken bei den Angehörigen der Opfer”, hieß es in einer Presseerklärung.