Touristen werden abgewiesen - Italienische Urlaubsinsel wird zur Wüste – die ersten Seen sind schon weg

Siziliens Lago di Pergusa ist jetzt nur noch eine kleine braune Pfütze (unten)<span class="copyright">Fabrizio Villa/Getty Images</span>
Siziliens Lago di Pergusa ist jetzt nur noch eine kleine braune Pfütze (unten)Fabrizio Villa/Getty Images

Einst galt die italienische Urlaubsinsel Sizilien als die „Kornkammer Europas“. Doch Hitze und Mega-Dürre drohen aus dem Paradies eine Wüste zu machen. Noch ließe sich gegensteuern, sagen Experten – aber die Bewohner fühlen sich von der Politik alleingelassen.

Der einzige natürliche See der Insel ist nur noch eine Pfütze. Der Lago di Pergusa in der Mitte von Sizilien ist ein wichtiger Zwischenstopp für migrierende Vögel auf dem Weg nach Afrika, in der Nähe liegen ein großer Wald und ein Naturschutzgebiet. Der See wurde schon in den Schriften des antiken römischen Dichters Ovid erwähnt, der Juli 2024 droht ihm aber den Garaus zu machen. Nach Monaten der Dürre kam jetzt auch noch eine Hitzewelle hinzu, immer wieder wurde auf der Insel die 40-Grad-Marke überschritten. Die Folge: Der einzigartige Lago di Pergusa ist fast vollständig ausgetrocknet.

„Konkrete Gefahr der Wüstenbildung“

Eine Katastrophe mit Ansage, sagen Lokalpolitiker. „Seit mehr als einem Jahr bitten wir die Region, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um den Pergusa-See und sein besonderes Naturschutzgebiet vor der konkreten Gefahr der Wüstenbildung zu bewahren“, kritisierte der lokale Abgeordnete Fabio Venezia in einer Mitteilung. Die Regionalregierung in Palermo habe sich zu einem Gespräch bereit erklärt, dieses sei jedoch mysteriöserweise wieder abgesagt worden.

Auch von der Staatsregierung in Rom komme keine Hilfe, kritisieren regionale Politiker und Experten. Im Mai rief der sizilianische Regionalpräsident Renato Schifani den Notstand aus und bat bei der Regierung der rechtsextremen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni um Hilfe. Statt der erbetenen 130 Millionen Euro kamen jedoch nur 20 Millionen.

Vergebliche Papaya-Hoffnung

Eine ganze Insel fühlt sich derzeit im Stich gelassen. Schon seit Monaten kommt es zu Demonstrationen von Landwirten, deren Existenz durch die Dürre bedroht ist: Ganze Ernten verschrumpeln auf den Feldern, die Tiere sind schwach und abgemagert. Einige Landwirtinnen und Landwirte versuchen, auf eher untypische Anbauprodukte wie Mangos, Papayas oder Kaffeebohnen auszuweichen, mit eher durchwachsenem Erfolg. Denn auch die Alternativen brauchen: Wasser.

„Auf Sizilien fallen durchschnittlich 500 bis 600 Liter pro Quadratmeter Regen im Jahr. Seit dem vergangenen Herbst haben wir nur 250 Liter Niederschlag verzeichnet“, sagt Filippo Buttafuoco von der italienischen Winzergenossenschaft Settesoli. „Das ist die Hälfte des Wassers, das dem Land normalerweise zur Verfügung steht.“ Wegen der Trockenheit begann die Weinlese auf Sizilien dieses Jahr so früh wie noch nie, zwölf Tage früher als üblich.

„Wir wissen nicht, was wir sagen sollen“

Auch gegen den für Sizilien sonst so bedeutsamen Sommertourismus regen sich Proteste: Den Pool für deutsche Urlauber mit kostbarem Wasser füllen, während der Rest der Insel austrocknet? Bloß nicht. Denn auch die für die Wasserversorgung wichtigen Stauseen verschwinden derzeit in rasend schnellem Tempo. Etwa 120 Kilometer westlich des Lago di Pergusa ist der Fanaco-Stausee beinahe völlig ausgetrocknet, er versorgt Teile der Hauptstadt Palermo mit Trinkwasser. Örtlichen Medienberichten zufolge ist der See nur noch eine kleine gelbliche Pfütze.

Erste Gemeinden wie die Hügelstadt Agrigent, berühmt für ihre weißen Klippen und altgriechischen Ruinen, weisen bereits Touristen ab und buchen sie auf umliegende Hotels um. „Die Leute fragen bei uns verständlicherweise im Vorfeld an und wollen beschwichtigt werden“, sagte Giovanni Lopez, Eigentümer einer Pension in Agrigent, dem US-Nachrichtensender CNN . „Aber wir wissen nicht, was wir sagen sollen.“ Von den Gästen seien schon Beschwerden gekommen, weil wassersparende Filter in den Duschköpfen verbaut sind. Insgesamt 93 Gemeinden der Insel, mit knapp einer Million Einwohner, rationieren die Trinkwasserversorgung.

Das Ende des Winter-Regens

Die Mittelmeerinsel am südlichen Stiefel-Ende Italiens war schon immer trockener als andere Regionen des Landes. Doch abgesehen von wenigen Ausnahmen konnten sich die Bewohner bis dato immer darauf verlassen, dass in den Wintermonaten genug Regen fällt, um die Tanks und Grundwasser-Hohlräume und Stauseen für das kommende Jahr zu füllen. Das ist jetzt anders, dank des Klimawandels: Statt Regen im Winter gibt es Waldbrände im Sommer.

Schon seit drei Jahren leidet Sizilien unter der Dürre, und die Infrastruktur der Insel ist denkbar schlecht vorbereitet. Die Wasserversorgung auf Sizilien speist sich zum einen aus wenigen großen Quellen wie den Stauseen und Grundwasser-Hohlräumen, zum anderen aus kleinen Tanks, die Bauernhöfe und größere Hotels für sich selbst vorhalten. Der Ausbau der Wasserleitungen hielt aber mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt. Die Folge: Es gibt zu wenige Leitungen für eine effektive Versorgung der Insel, und die vorhandenen Leitungen sind oft marode.

Schon seit 2003 lasse sich beobachten, dass auf Sizilien weniger Regen falle, sagte Giuseppe Luigi Cirelli, Professor für Agrarhydraulik an der Universität von Catania, Ende Mai dem Nachrichtensender Euronews . „Sizilien erlebt einen Regen-Rückgang von mehr als 40 Prozent, was einen signifikanten Rückgang der gesammelten Wassermengen in unseren Hauptreservoirs zur Folge hat“, erklärte Cirelli. „Das hat vor allem Konsequenzen für die Verteilung des Wassers. Hinzu kommt die mangelnde Instandhaltung der Leitungen über die letzten 25 Jahre, wodurch wir selbst dann geringere Kapazitäten hatten, wenn es genug regnete.“

Keine Hilfe aus Rom

Die Regionalregierung in Palermo ist sich des Problems bewusst, doch die Lösung ist komplex – und teuer. Mehr Pipelines seien nötig, mehr Brunnen fürs Grundwasser und mehr Entsalzungsanlagen zur Nutzung des umliegenden Mittelmeeres, heißt es in einer Studie, die die Regionalregierung erst vor wenigen Monaten in Auftrag gegeben hatte. Dafür braucht es aber eine kräftige Finanzspritze aus Rom, die über die bereits veranschlagten 20 Millionen Euro hinausgeht.

Ob die benötigte Hilfe jemals in Palermo ankommen wird, ist offen. Schon im Frühjahr hatte die sizilianische Regierung in Rom erfolglos nach Unterstützung gebeten, um Wasser vom Festland auf die Insel zu transportieren. Stattdessen ließ sich Tourismusministerin Daniela Santanché im April bei einem Besuch in Catania mit den Worten zitieren, Sizilien habe das Potenzial, das ganze Jahr über Touristen anzuziehen – nicht nur im Sommer.

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