Das tragische Ende einer legendären Sportler-Freundschaft
In Sportdeutschland war es eine Randnotiz, als heute vor drei Jahren die NFL-Legende Gale Sayers verstarb.
In den USA dagegen erfüllte die Nachricht viele mit Wehmut, auch über die Football-Fangemeinde hinaus.
Der „Kansas Comet“ war in seiner Heimat ein nationales Kulturgut, nicht nur wegen der Hall-of-Fame-Karriere, die der Football-Star am College und in der NFL bei den Chicago Bears hingelegt hatte.
Die tragisch-berührende Geschichte von Sayers und seinem früh verstorbenen Teamkollegen Brian Piccolo war die Grundlage für einen der populärsten US-Sportfilme aller Zeiten.
Gale Sayers und Brian Piccolo überwanden Grenzen
Im Jahr 1967 war Ausnahme-Athlet Sayers der erste afroamerikanische Zimmergenosse eines weißen NFL-Spielers. Rund 20 Jahre, nachdem die Rassentrennung in der Liga schrittweise aufgehoben wurde - und zu einem Zeitpunkt, als offene Diskriminierung in den Teams noch immer an der Tagesordnung war.
Der in Wichita geborene Sayers, Mechanikersohn und auch ein talentierter Leichtathlet, war schon an der Uni bei den Kansas Jayhawks eine Ausnahmeerscheinung und wurde nach seiner Debütsaison 1965 zum Rookie of the Year gekürt.
Der aus Pittsfield in Massachusetts stammende Piccolo war bei Wake Forest im Südstaat North Carolina ebenfalls ein College-Star - und ein junger Mann mit einem damals nicht selbstverständlichen Gerechtigkeitssinn.
Aus einem Spiel gegen das Team der University of Maryland ist die Anekdote überliefert, dass Piccolo damals demonstrativ zur Bank des gegnerischen Teams ging, auf der Darryl Hill saß, der erste und damals einzige schwarze Spieler in der NCAA-Division ACC. Ein Maryland-Coach berichtete, dass Hill vorher Opfer übler Beschimpfungen aus dem Publikum wurde – und dass Piccolo die Störer zum Schweigen brachte, indem er Hill in den Arm nahm.
Historische Freundschaft in dunklen Zeiten
Piccolo hatte folglich auch keine Probleme damit, auch in der NFL zum Tabubrecher zu werden. Obwohl Sayers und er anfangs persönliche Reibereien hatten, fanden sie zueinander, wurden gute Freunde.
Es war eine „Feelgood Story“ in dunklen Zeiten: Die gesellschaftlichen Risse in Bezug auf das Thema Rassismus waren damals heftig und wurden unter anderem durch den Mord an Bürgerrechtler Martin Luther King 1968 weiter vertieft. Auch am Sport gingen die Verwerfungen nicht vorbei, man denke an den folgenschweren Streit um den verweigerten Kriegsdienst von Muhammad Ali oder an den Black-Power-Protest der Sprinter Tommie Smith und John Carlos bei Olympia 1968.
Die versöhnliche Geschichte von Sayers und Piccolo war da als Filmstoff umso begehrter - noch mehr, als sie eine traurige Wendung zum Melodram nahm.
Der Film "Brian's Song" wurde zum Klassiker
Piccolo erkrankte 1969 an einer besonders aggressiven und unheilbaren Form von Hodenkrebs und starb im Jahr darauf im Alter von nur 26 Jahren. Sayers verarbeitete den Tod in einem Kapitel seiner früh veröffentlichten Autobiografie "I am Third", Regisseur Buzz Kulik machte daraus den Fernsehfilm "Brian's Song" ("Freundschaft bis in den Tod") - mit den Jungstars James Caan ("Der Pate") als Piccolo und Billy Dee Williams (Lando Calrissian aus "Star Wars") als Sayers.
Das Rührstück wurde bei seiner Erstausstrahlung 1971 zum bis dahin meistgesehenen TV-Film aller Zeiten, gewann drei Emmys und zahlreiche andere Preise. In den USA gilt das Werk bis heute als Klassiker, der 2001 neu verfilmt und x-fach zitiert wurde - deutsche Serienfans könnten die Parodie in einer Episode der Sitcom „King of Queens“ vor Augen haben, in der Comedian Kevin James (Doug Heffernan) sich im Fieber in die Piccolo-Rolle träumte.
Der Film nahm sich dabei einige dramaturgische Freiheiten, Weggefährten von Sayers und Piccolo betonen, dass die Freundschaft der beiden zwar gut, aber doch nicht ganz so eng war wie sie im Film porträtiert wurde.
Piccolos Witwe etwa stellte fest, dass die Freundschaft zu Sayers nur "ein kleiner Teil von Brians Leben" gewesen sei.
Sayers' Rede für toten Piccolo rührte Millionen
Keine Erfindung ist jedoch das emotionale Zentrum des Films, Sayers' Dankesrede bei der Vergabe des George S. Halas Courage Award für besondere Leistungen unter schwierigen Bedingungen.
Sayers bekam ihn einen Monat vor Piccolos Tod verliehen, für sein erfolgreiches Comeback nach einer schweren Knieverletzung.
Mit einer berührenden Ansprache, die in dem Film praktisch 1:1 übernommen wurde und die Szene durch ihre Authentizität besonders kraftvoll macht, führte Sayers aus, dass er geschmeichelt sei - aber dass Piccolo der eigentliche Träger des Preises sei:
"I'd like to say a few words about a guy I know, a friend of mine. His name is Brian Piccolo, and he has the heart of a giant and that rare form of courage which allows him to kid himself and his opponent – cancer.
He has a mental attitude which makes me proud to have a friend who spells out 'courage', 24 hours a day, every day of his life.
Now you flatter me by giving me this award. But I say to you here and now, Brian Piccolo is the man of courage who should receive the George S. Halas Award.
It's mine tonight - and Brian Piccolo's tomorrow.
I love Brian Piccolo. And I'd like all of you to love him too. And tonight, you hit your knees: Please ask God to love him."
Gale Sayers, der seine Karriere kurz nach der Ausstrahlung von „Brian‘s Song“ beendete, trat ab als einer der besten Laufspieler der NFL-Geschichte, 2019 wurde er ins Jahrhundert-Team der Liga gewählt. Er starb am 23. September 2020 an den Folgen einer Demenzerkrankung.