Ein Trainer erklärt: Wie die Geisterkulisse das Spiel verändert

Die Bedingungen des Re-Starts stellen Spieler und Trainer vor neue Herausforderungen. Mainz' Ex-Coach Sandro Schwarz erklärt SPORT1, worauf es nun ankommt.

Ein Trainer erklärt: Wie die Geisterkulisse das Spiel verändert
Ein Trainer erklärt: Wie die Geisterkulisse das Spiel verändert

Geisterspiele in der Bundesliga: für Fans eine völlig andere Erfahrung, aber auch für Spieler und Trainer.

Na klar: Heimmannschaften werden nicht mehr durch die Unterstützung ihrer Anhänger gepusht, Coaches müssen sich unter anderem auch daran gewöhnen, dass ihre Rufe und Anweisungen plötzlich gut hörbar sind.

Und auch diese Fragen drängen sich auf: Wie verändern die neuen, durch Corona verursachten Bedingungen die Herangehensweise an einen Spieltag? Wer profitiert, wer hat einen Nachteil, was müssen alle Beteiligten lernen? Ändern sich sogar die Voraussetzungen im Meister- und Abstiegskampf?

SPORT1 hat nachgefragt bei Sandro Schwarz, bis vor kurzem Trainer beim FSV Mainz 05 - und nun aufmerksamer Beobachter der neuen Situation.

Erkenntnis 1: Trainer müssen sich umgewöhnen

Schwarz ist sich sicher: Allen Kollegen war klar, dass die veränderte Geräuschkulisse auch ihr Verhalten am Spielfeldrand beeinflussen würde. Trotzdem: "Nach dem ersten Spiel werden sie in der Analyse überrascht gewesen sein, was man alles gehört hat", meint er.

Unter diesen Bedingungen spiele Emotionalität an der Seitenlinie womöglich gar eine noch größere Rolle: "Was das Coaching-Verhalten angeht, ist es möglicherweise ganz nah an U19-, U20-Wettbewerben", meint Schwarz. Dort also, wo viele Trainer der neuen Generation ihr Handwerk gelernt haben.

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Erkenntnis 2: Spielstarke Teams profitieren

Für Schwarz drängte sich bereits am ersten Spieltag nach dem Re-Start der Eindruck auf, dass die Geisterspiele den Graben zwischen spielstarken und spielschwachen Teams vertiefen.

"Fußballerisch gute Mannschaften haben da schon einen Vorteil, die die Dinge dann auch sauber ausspielen können", sagt Schwarz - zumal er nicht den Eindruck hat, dass sich Faktoren wie Intensität, Lauf- und Sprintleistung unter den neuen Bedingungen verändert haben.

Die Emotion, die vom Publikum vermittelt wird, fehle allerdings, vor allem den Underdogs: "Wenn eine fußballerisch gute Mannschaft in ihrer Bereitschaft und Mentalität nicht nachlässt, ist es relativ schwierig, sie zu besiegen." Was auch bedeutet: Teams wie Borussia Dortmund und der FC Bayern sind gegen Abstiegskandidaten also der noch größere Favorit.

Doch worauf kommt es an, wenn zwei Teams mit ähnlich gutem Kader aufeinandertreffen?

Erkenntnis 3: Mentalitätsspieler noch wichtiger

Spielerische Qualität ist das eine - aus Sicht von Schwarz ist aber auch der Faktor Einstellung nun mehr denn je eine Schlüsselqualifikation.

"Mentalitätsspieler" seien nun mehr denn je gefragt. Akteure, die "sich von allen anderen Dingen frei machen und sich selbst so pushen, dass sie die bestmögliche Leistung abrufen".

Der Wegfall von Reaktionen und Emotionen des Publikums sei eine Sondersituation, in der sich zeige, wer die Fähigkeit habe, äußere Einflüsse auszublenden, sich richtig einzustellen, vorzubereiten und zu fokussieren: "Der Schlüssel wird jetzt sein, bei sich zu bleiben, seine eigene Leistung so zu pushen, dass man dann das bestmögliche Ergebnis rausholen kann."

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Das Fazit?

Aus Sicht des Experten ist es für Spieler und Trainer nun wesentlich zu verinnerlichen, was sich durch die Geisterspiele verändert - und was nicht.

"Das Spiel an sich verändert sich ja nicht. Wir spielen weiterhin elf gegen elf", sagt Schwarz.

Die Erfahrung eines Geisterspiels sei zwar eine andere, schon bei der Vorbereitung: "Schon bei der Busfahrt, am Straßenrand, im Stadion, wenn du hineinfährst, das ist schon noch mal ein Kitzel, der jetzt fehlt. Und dennoch sollten wir nicht vergessen, warum wir alle dieses Spiel angefangen haben: Das war auf dem Bolzplatz, auf dem Fußballplatz."

Ebenso wie sich die Profis an die Umstellung auf Fußball vor großer Kulisse gewöhnen mussten, müssten sie sich nun eben an das unfreiwillige Zurück-zu-den-Wurzeln gewöhnen.

"Der Spieler muss sich in großer Eigenverantwortung selbst für das Spiel in eine gewisse Stimmung bringen", meint Schwarz. "Diejenigen, die sich unabhängig von äußeren Umständen top auf einen Wettkampf vorbereiten können, werden erfolgreich sein."

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