Nach Treffen mit Selenskyj in New York - Scholz bleibt dabei - keine weitreichenden Waffen für die Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj (r), Präsident der Ukraine, begrüßen sich bei einem bilateralen Treffen vor Beginn der 79. Generaldebatte der UN-Vollversammlung.<span class="copyright">dpa</span>
Bundeskanzler Olaf Scholz und Wolodymyr Selenskyj (r), Präsident der Ukraine, begrüßen sich bei einem bilateralen Treffen vor Beginn der 79. Generaldebatte der UN-Vollversammlung.dpa

Der ukrainische Präsident Selenskyj wirbt rund um den UN-Gipfel in den USA für seinen Siegesplan und die Freigabe weitreichender westlicher Waffen. Zumindest bei Kanzler Scholz hat er keinen Erfolg.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat unmittelbar vor seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bekräftigt, dass er die Regeln für den Einsatz deutscher Waffen im ukrainischen Abwehrkampf gegen Russland nicht weiter lockern will. Die Bundesregierung habe mit Blick auf die militärische Unterstützung der Ukraine ein paar Entscheidungen getroffen, die sehr klar sind, sagte der SPD-Politiker. Dazu gehöre auch, dass Deutschland Reichweitenbeschränkungen nicht aufheben werde. „Das ist mit meiner persönlichen Haltung nicht vereinbar. Wir werden das nicht machen. Und dafür haben wir gute Gründe.“

Selenskyj bittet die Verbündeten immer wieder um weitreichende Waffen, um russische Logistik und Militärflugplätze der Luftwaffe weit hinter der Frontlinie auch auf russischem Territorium angreifen zu können. Die weitreichendste von Deutschland gelieferte Waffe ist der Raketenwerfer Mars II, der Ziele in 84 Kilometern Entfernung treffen kann. Für ein begrenztes Gebiet rund um Charkiw hat die Bundesregierung den Einsatz dieser Waffe oder auch der Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von 56 Kilometern auch gegen Ziele auf russischem Boden erlaubt.

Scholz befürchtet “große Eskalationsgefahr“

Die Lieferung weitreichender Präzisionswaffen an die Ukraine hat Scholz auch für die Zukunft und unabhängig von Entscheidungen der Bündnispartner ausgeschlossen. Erst kürzlich bekräftigte er sein Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von der Ukraine bis nach Moskau (etwa 500 Kilometer) mit der Begründung, dass das „eine große Eskalationsgefahr“ mit sich bringen würde.

Die Nato-Partner USA, Großbritannien und Frankreich haben Marschflugkörper mit Reichweiten bis zu 300 Kilometern geliefert. Derzeit läuft eine Diskussion darüber, ob der Einsatz dieser Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium grundsätzlich erlaubt werden soll. Es wird erwartet, dass Selenskyj diese Woche bei seinem Besuch in Washington mit US-Präsident Joe Biden darüber sprechen wird.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat erklärt, dass er den Einsatz weitreichender westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief auf russischem Territorium als Kriegsbeteiligung der Nato werten würde.

Selenskyj bedankt sich bei Deutschland

Der ukrainische Präsident stellte das Treffen mit Scholz trotz der Abfuhr bei den Raketen positiv dar. Er danke Deutschland für die Hilfe, schrieb er auf seinem Telegramkanal. Dabei nannte er vor allem Berlins Beitrag zur Friedenskonferenz in der Schweiz, der nach dem Wunsch Selenskyjs noch in diesem Herbst eine zweite folgen soll. Auf Scholz' Absage zu den Raketenlieferungen ging er nicht explizit ein, mahnte nur allgemein dazu, Einigkeit zu demonstrieren. „Zusammen haben wir Tausende Leben gerettet und können ganz Europa sicher mehr Stärke und Sicherheit geben“, schrieb er nach dem Treffen.

Kiew nennt Lage im Osten der Ukraine angespannt

Trotz des deutschen Nein setzt Kiew weiter auf die Freigabe der Waffen durch andere Partner. Mit diesen Waffen will die Ukraine vor allem russische Flugzeuge noch am Boden bekämpfen, ehe sie Verteidigungsstellungen, aber auch Städte in der Ukraine bombardieren.

So steht das ukrainische Militär nach eigenen Angaben im Osten des Landes weiter unter Druck. „Die Lage im Raum Pokrowsk und Kurachowe bleibt angespannt“, teilte der Generalstab in Kiew in seinem abendlichen Lagebericht mit. Von den insgesamt 125 russischen Angriffen entlang der Front seien mehr als 50 in diesem Abschnitt geführt worden. „Die Hauptanstrengungen hat der Feind Richtung Pokrowsk unternommen“, präzisierte die ukrainische Militärführung.

Während den Ukrainern selbst von unabhängigen Beobachtern bescheinigt wird, den Vormarsch der Russen auf das strategisch wichtige Pokrowsk abgebremst zu haben, bleibt die Lage vor dem weiter südlich gelegenen Kurachowe gefährlich für die Verteidiger. Durch Vorstöße russischer Truppen nahe der Bergarbeiterstadt Hirnyk droht dort mehreren Einheiten die Einkesselung.

Eine ähnliche Umgehung der Verteidigungsstellungen deutet sich auch noch weiter südlich nahe der Stadt Wuhledar an, die die Russen in der Vergangenheit vergeblich durch frontale Sturmangriffe einzunehmen suchten.

Russische Angriffe aus der Luft

Am Abend und in der Nacht startete Russland zudem weitere Angriffe auf das ukrainische Hinterland. Luftalarm gab es in mehreren ukrainischen Regionen. Im südukrainischen Gebiet Saporischschja wurde nach Behördenangaben ein Objekt der kritischen Infrastruktur getroffen. Zudem sei ein Geschoss in einem Wohnhaus eingeschlagen, eine Person sei ums Leben gekommen, zwei weitere seien verletzt worden, schrieb der Militärgouverneur von Saporischschja, Iwan Fjodorow.

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