Trick soll Netze entlasten - Solar-Boom überfordert Deutschlands Netze - Ampel reagiert mit simplem Kniff
Deutschland baut in nie dagewesenem Tempo Solarparks und Photovoltaikanlagen. Prinzipiell ist das eine gute Nachricht, für die Netze wird es aber zum ernsthaften Problem. Die Ampel-Regierung will gegensteuern - unter anderem mit einem simplen Kniff.
Deutschland legt den Solarturbo ein: Insgesamt 7,7 Gigawatt Solar-Leistung sind alleine im ersten Halbjahr 2024 in der Bundesrepublik ans Netz gegangen, mehr als 516.000 Photovoltaikanlagen waren bis zur Jahreshälfte installiert worden. Das offizielle Ausbauziel für 2024 wurde schon im Mai erreicht. Der stetig fallende Preis für Solaranlagen und bürokratische Erleichterungen der Ampel-Koalition hatten schon im letzten Jahr einen gewaltigen Boom ausgelöst.
Das ist gut fürs Klima und auch für die Strompreise, doch ein Haken bleibt: Für die Netzbetreiber ist der Anschluss hunderttausender neuer, dezentraler Anlagen eine gewaltige Herausforderung. Das liegt auch daran, dass Deutschland ein Fleckenteppich ist, was das Stromnetz angeht. Knapp 900 Betreiber verwalten in Deutschland das Stromnetz, oft handelt es sich um regionale Anbieter oder Stadtwerke, die nur für das Netz einer einzigen Kommune zuständig sind. Viele von ihnen verfügen über eigene bürokratische Regeln, eigene IT, eigene technische Anforderungen.
Der Flaschenhals der Energiewende
Was die Anbieter jedoch meist gemein haben: Sie haben den Ökostrom-Boom empfindlich unterschätzt. Die sogenannten Einspeisepunkte werden knapp - und bilden einen der größten Flaschenhälse der Energiewende. Über die Einspeisepunkte wird die heimische Solaranlage, aber auch die Wärmepumpe oder die Wallbox für das E-Auto mit dem Stromnetz verbunden. Von ihnen gibt es mittlerweile aber viel zu wenig. Und selbst diejenigen Betreiber, die den Boom kommen sahen, klagen über Fachkräftemangel und Lieferprobleme, etwa für spezielle Trafostationen, die an den Einspeisepunkten nötig sind.
Die Folge sind kostspielige Verzögerungen. Gewerbebetriebe warten teilweise mehr als ein Jahr auf den Anschluss ihrer Anlage, die solange ungenutzt auf dem Hallendach herumsteht. Manche Netzbetreiber haben bereits angekündigt, für die nächsten Jahre gar keine Anträge mehr anzunehmen. Einige versuchen auch, potenzielle Antragsteller mit kleinteiligen bürokratischen Vorgaben oder Wartezeiten bis zum Jahr 2030 abzuschrecken. Legal sind diese Methoden nur bedingt, gerade nach einer Gesetzesverschärfung der Ampel-Koalition aus dem letzten Jahr. Aber der zuständigen Bundesnetzagentur fehlt meist das Personal, um solche Verstöße zu befolgen.
Hoffen auf die „Überbauung“
Aber eine schnelle technische Lösung will die Ampel jetzt auf den Weg bringen. Nach derzeitiger Vorschrift dürfen die Einspeisepunkte nur so viele Anschlüsse vornehmen, dass jede verbundene Wärmepumpe oder Solaranlage zu jeder Zeit 100 Prozent ihrer Leistung einspeisen kann. In der Praxis kommt das aber nie vor, die Einspeisepunkte sind daher nur selten ausgelastet.
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Die Branche fordert schon lange eine Änderung der Vorschrift. Der Bundesverband Erneuerbare Energien hatte im April Berechnungen vorgelegt, nach denen auch eine theoretische Auslastung der Einspeisepunkte von 150 Prozent technisch machbar wäre. Selbst 250 Prozent wären möglich, wenn gleichzeitig die Batteriespeicher weiter ausgebaut werden würden.
Diese sogenannte „Überbauung“ will das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) jetzt ermöglichen, wie der „Spiegel“ berichtet. Dann kann jeder Einspeisepunkt mehr Anlagen aufnehmen als bisher. Das ist auch nötig: Die Klimaziele der Bundesregierung sehen vor, dass bald 22 Gigawatt neue Solaranlagen jährlich ans Netz kommen, zusätzlich sollen sechs Millionen Wärmepumpen ab Anfang 2025 die deutschen Innenräume heizen - und bis 2030 sollen 15 Millionen Elektroautos über die Straßen fahren.