Trittin bei Illner: "Zerfallendes Russland kann für die europäische Sicherheit ein erhebliches Risiko bedeuten"

Um "einen langen Zermürbungskrieg" zu verhindern, seien mehr Munitionslieferungen an die Ukraine notwendig, forderte Jürgen Trittin von den Grünen bei "Maybrit Illner". (Bild: ZDF)
Um "einen langen Zermürbungskrieg" zu verhindern, seien mehr Munitionslieferungen an die Ukraine notwendig, forderte Jürgen Trittin von den Grünen bei "Maybrit Illner". (Bild: ZDF)

Wann - und vor allem wie - findet der russische Angriffskrieg in der Ukraine ein Ende? Eine Antwort darauf blieb Maybrit Illners Talkrunde am Donnerstag schuldig. Sicherheitsexperte Peter Neumann sprach jedoch eine Warnung aus - vor den Konsequenzen einer klaren Niederlage Russlands.

"Ich bin kein Politiker, ich darf offen sprechen", erklärte Peter Neumann am Donnerstagabend bei "Maybrit Illner". Im Gegensatz zum ebenfalls anwesenden CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen könne der Professor für Sicherheitsstudien am King's College London deshalb klar sagen: "Die strategischen Konsequenzen eines Zerfalls Russlands wären für Europa und den Westen mindestens genauso groß wie die eines weitergehenden Konfliktes in der Ukraine. Und das ist das strategische Dilemma." Eine völlige Niederlage Russlands stelle demnach ein großes Risiko für ganz Europa dar, dies sei auch Macron und Scholz bewusst. "Es ist einfach zu sagen: Wir wollen, dass die Ukraine gewinnt", so Neumann. "Aber wie verhindert man gleichzeitig, dass in Russland ein solches Chaos entsteht, das uns in allerlei Hinsicht betrifft?"

Was angesichts der von Neumann geschilderten Zwickmühle denn "eigentlich unser strategisches Ziel" hinsichtlich des Kriegsendes sei, wollte Röttgen daraufhin wissen. Seiner Ansicht nach gebe es derzeit zu viele Lager, die sich Sorgen um Russland machten. "Das ist eine Unterstützung der Ukraine, die auch russlandpolitische Ziele verfolgt", befand der CDU-Mann. Diese halte er für falsch: "Nach meiner Überzeugung gibt es ein Ziel - und das ist Frieden in Europa." Die Zeit des Imperialismus liege hinter uns, so Röttgen - das müsse nun auch Putin verstehen. Sollte der russische Machthaber mit der "Methode Krieg" Erfolg haben, rücke das Ziel eines friedlichen Europas jedoch in weite Ferne.

"Es ist einfach zu sagen: Wir wollen, dass die Ukraine gewinnt", erklärte Peter Neumann. "Aber wie verhindert man gleichzeitig, dass in Russland ein solches Chaos entsteht, das uns in allerlei Hinsicht betrifft?" (Bild: ZDF)
"Es ist einfach zu sagen: Wir wollen, dass die Ukraine gewinnt", erklärte Peter Neumann. "Aber wie verhindert man gleichzeitig, dass in Russland ein solches Chaos entsteht, das uns in allerlei Hinsicht betrifft?" (Bild: ZDF)

Norbert Röttgen: "Es ist keine Überraschung, dass im Krieg Munition verbraucht wird"

Anders sah dies Grünen-Politiker Jürgen Trittin, der erneut Neumanns These aufgriff: "Putin darf mit seinem Imperialismus nicht durchkommen, aber ein zerfallendes Russland kann für die europäische Sicherheit ein erhebliches Risiko bedeuten." Röttgen jedoch wollte davon nichts wissen. "Das ist die Kontinuität der alten Russlandpolitik", warnte er im ZDF-Talk. "Das war immer der Gedanke: Wir müssen Rücksicht auf Russland nehmen."

Vielmehr plädierte der Christdemokrat dafür, die Ukraine weiterhin in jeglicher Hinsicht zu unterstützen - auch mit Munition. Es sei "unerklärbar", dass von Europa nicht längst mehr Munition geliefert worden sei. "Wir hätten früher anfangen müssen zu produzieren. Es ist keine Überraschung, dass im Krieg Munition verbraucht wird", sagte er. Zudem sei es auch im europäischen Interesse, "dass die Ukraine im russischen Angriffskrieg Widerstand leistet".

Von einem "strategischen Dilemma" wollte Norbert Röttgen (CDU) nichts wissen: "Nach meiner Überzeugung gibt es ein Ziel - und das ist Frieden in Europa." (Bild: ZDF)
Von einem "strategischen Dilemma" wollte Norbert Röttgen (CDU) nichts wissen: "Nach meiner Überzeugung gibt es ein Ziel - und das ist Frieden in Europa." (Bild: ZDF)

Jürgen Trittin: Ohne Munitionslieferungen steht ein "Zermürbungskrieg" bevor

Auch Trittin sprach sich für Munitionslieferungen aus: Europa müsse mindestens die doppelte Menge, möglicherweise sogar das Vierfache der letzten Zusagen der Amerikaner liefern, forderte er. Dies müsse "schnell gehen" - ansonsten laufe die momentane Situation "auf einen langen Zermürbungskrieg" hinaus, mahnte Trittin. "Wir haben heute Berichte gekriegt vom lettischen Militär-Geheimdienst, der beschrieben hat, dass Russland mit seinen Vorräten noch zwei Jahre mit dieser Intensität Krieg führen kann." Damit die Ukraine ebenso lange Widerstand leisten könne und letztlich eine Pattsituation herbeiführen könne, sei nun vor allem Europa gefragt. In dieser Hinsicht waren sich alle Gäste bei "Illner" einig: Die Unterstützung der USA sei - mit Blick auf den bevorstehenden Wahlkampf um die Präsidentschaft - aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Verfallsdatum versehen.