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Kein böses Blut - Ancelotti bedankt sich nach Entlassung

Nach gut sechs Minuten waren auf der Pressekonferenz des SSC Neapel alle Fragen beantwortet - nur eine noch nicht.

"Sehen wir uns Samstag?", wollte ein Journalist noch von Carlo Ancelotti wissen. Und Ancelotti antwortete lapidar: "Wir sehen uns Samstag."

Doch aus dem Wiedersehen wird nichts. Nur wenige Stunden nach der 4:0-Gala in der Champions League gegen den KRC Genk ist Ancelotti bei Napoli Geschichte. Am Samstag gegen Parma Calcio wird der frühere Bayern-Trainer nicht mehr auf der Bank der Partenopei sitzen.

Dennoch: Schlechtes Blut zwischen Ancelotti und dem Verein scheint es nicht zu geben. Am Mittwochnachmittag bedankte sich der frühere Bayern-Trainer via Twitter bei Spielern, Staff und dem Präsidenten Aurelio De Laurentiis, dass sie ihm "eine unvergessliche Erfahrung in einer tollen Stadt wie Neapel ermöglichten."

Dennoch: So skurril der Zeitpunkt anmutet, ist er letztlich der Schlusspunkt einer Entwicklung, die sich über Wochen abgezeichnet hat. Dazu passt, dass De Laurentiis laut italienischen Medienberichten schon vor dem 4:0 über Genk über Ancelottis Schicksal entschieden haben soll.

Neapel-Boss seit Sonntag mit Gattuso einig

Wie die Gazzetta dello Sport schreibt, soll sich De Laurentiis am Sonntag mit Gennaro Gattuso getroffen haben und mit ihm eine Einigung über ein Engagement als neuer Cheftrainer des italienischen Vizemeisters erzielt haben.

Nur war Ancelotti zu dem Zeitpunkt noch im Amt.

Seine Entlassung nach dem 1:1 bei Udinese Calcio, dem siebten sieglosen Spiel in der Serie A in Folge, schien aber nur noch eine Frage der Zeit.

Die längste Durststrecke im italienischen Oberhaus seit 2010 und der Absturz auf Platz sieben gaben letztlich den Ausschlag für die Trennung nach nur 17 Monaten.

Champions League vs. Serie A: Neapels zwei Gesichter

Dass Ancelotti in der Champions League souverän ins Achtelfinale einzog und erstmals in der Klubhistorie die Gruppenphase ohne Niederlage überstand, half ihm am Ende auch nicht mehr.

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"Die Tatsache, dass ich infrage gestellt werde, ist absolut normal, es ist Teil dieser Welt", sagte Ancelotti auf der Pressekonferenz nach der Partie gegen Genk. "Die Mannschaft, wie ihr häufig geschrieben habt, hatte in der Liga schlechte Leistungen gezeigt. In der Champions League kann man sich nicht beschweren, aber was wir in der Liga abgeliefert haben, war angesichts unseres Wegs in der Champions League ungenügend."

Ancelotti ging noch davon aus, am Mittwoch ein Gespräch mit De Laurentiis zu führen. Doch der Präsident zog diesen Termin vor. Am späten Abend unterrichtete der Neapel-Boss Ancelotti beim Abendessen im Hotel Vesuvio von seiner Entscheidung, wenig später veröffentlichte der Klub ein knappes Statement.

"Die Freundschaft, Wertschätzung und der gegenseitige Respekt zwischen Präsident Aurelio De Laurentiis und Carlo Ancelotti bleiben intakt", hieß es darin.

Wirbel um Trainingslager und Boykott der Spieler

Das Verhältnis war in den vergangenen Wochen allerdings angespannt. Anfang November ordnete De Laurentiis nach der 1:2-Niederlage bei der AS Roma ein Trainingslager an. Nach dem 1:1 in der Champions League gegen Salzburg kam es zum Eklat. Die Spieler boykottierten die Rückkehr ins Trainingslager, Ancelotti schwänzte daraufhin die obligatorische Pressekonferenz nach dem Spiel.

Anschließend soll es laut Corriere dello Sport zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Spielern gekommen sein. Demnach wurden die Mittelfeldspieler Allan und Piotr Zielinski von wütenden Anhängern attackiert. Abwehr-Hüne Kalidou Koulibaly heuerte in der Folge einen Bodyguard für seine Familie an, Lorenzo Insignes Frau soll zwischenzeitlich aus der Stadt "geflohen" sein.

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Ancelotti: Aus bei Bayern nicht vergleichbar

Ancelotti ist schon lange im Geschäft, seine größten Erfolge liegen allerdings schon etwas zurück. 2014 gewann er mit Real Madrid zum dritten Mal in seiner Trainerlaufbahn die Champions League, nachdem er zuvor schon zwei Mal mit Milan den Henkelpott holte. Bei den Bayern war bereits zu Beginn seiner zweiten Saison Schluss, nach einer 0:3-Niederlage in der Champions League bei Paris Saint-Germain.

Die Situation damals in München sei nicht mit der in Neapel zu vergleichen, meinte Ancelotti noch am Dienstagabend. "Ich dachte, es braucht einen Generationswechsel und geriet in Konflikt mit einigen Spielern", sagte der Coach. "Hier sind wir in der Situation, dass das Team nicht in der Lage war, sein volles Potenzial auszuschöpfen, aber es gab keine Konflikte, abgesehen von vereinzelten Vorfällen, die überall passieren."

Das Verhältnis von Ancelotti zu seiner Mannschaft soll bis zuletzt intakt gewesen sein. Der Corriere dello Sport berichtete von Tränen einiger Profis in der Kabine.

Ancelotti bereits unterwegs nach England?

Wirklich überrascht wurde Ancelotti von seiner Demission indes nicht. "Ein Trainer hat immer den Koffer gepackt", hatte der 60-Jährige vor seinem "Schicksalsspiel" betont.

Seine Reise könnte schnell weitergehen. Englische Medien berichten bereits davon, dass sowohl der FC Arsenal als auch der FC Everton um die Dienste des Italieners buhlen sollen.

Ein baldiges Wiedersehen mit Ancelotti ist also wahrscheinlich - wenn auch nicht am Samstag in Neapel.