Trotz Wirtschaftskrise - So entwickelt sich die deutsche Wirtschaft bis 2029 – und das bedeutet es für Sie
Erst wird alles teurer. Dann schwächelt die Wirtschaft. Deutschland erlebt Krise nach Krise. Drohen Massenarbeitslosigkeit und Super-Inflation? Der Internationale Währungsfonds (IWF) gibt überraschendes Antworten. Unter anderem dürften unsere Nachfahren noch lange wohlhabender leben als die Chinesen.
1. Die deutsche Wirtschaft wächst auf Jahre schwächer als die Wirtschaften vieler Länder
Das passiert: Wie sich unser Wohlstand entwickelt, zeigt die Wirtschaftsleistung pro Kopf. Sie berechnet, wie viel Wohlstand für jeden einzelnen Bewohner eines Landes abfällt. Dadurch macht sie Länder unterschiedlicher Größe vergleichbar.
Von 2024 bis 2029 bleibt das Wirtschaftswachstum pro Kopf in Deutschland laut IWF-Prognosen deutlich hinter dem vieler anderer Länder zurück. Während der durchschnittliche Inder nach diesem Zeitraum fast 50 Prozent mehr Wohlstand erarbeitet als heute, sind es beim durchschnittlichen Deutschen nur vier Prozent mehr.
Das bedeutet es: Bis 2029 wächst der Wohlstand des durchschnittlichen Inders im Vergleich zu heute deutlich stärker als der des durchschnittlichen Deutschen. Ähnliches gilt für viele Länder.
2. Krise, Krise, Krise? Gewöhnen Sie sich daran
Das passiert: Um die aktuelle Lage einzuordnen, hilft es, den Blick zu weiten: Die gegenwärtige Krise ist nicht die erste in der Bundesrepublik. Nichts spricht dafür, dass sie die letzte bleibt. Trotz Krisen erwirtschaftet der Durchschnittsbürger im Jahr 2024 rund fünfmal so viel Wohlstand wie im Jahr 1980.
Dieser Prozess stockte immer wieder. Deutschland kriselte unter anderem Anfang der 1980er, um das Jahr 2000 und nach 2007. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf brach zeitweise um bis zu einem Viertel ein.
Der Wohlstand wuchs dennoch deutlich, weil auf Krisen stärkere Aufschwünge folgten. Trotz Finanzkrise (2007), Corona-Pandemie (2020) und Energiekrise (2022) erwirtschaftet der Durchschnittsdeutsche im Jahr 2023 inflationsbereinigt rund ein Fünftel mehr Wohlstand als vor diesen Krisen im Jahr 2006.
Das bedeutet es: Krisen bleiben vorübergehende Probleme, solange Deutschland sie überwindet. Die Frage lautet: Überwindet die Bundesrepublik auch die aktuelle Krise?
3. Trotzdem leben Sie noch lange wohlhabender als der durchschnittliche Chinese
Das passiert: Was es bedeutet, wenn die Wirtschaft in Indien und China stärker wächst als in Deutschland, zeigen zwei Zahlen:
Im Jahr 2023 erwirtschaftete der Durchschnittsbürger in Deutschland rund viermal so viel Wohlstand wie in China und rund 20-mal so viel wie in Indien.
Selbst wenn sich die Wirtschaften dieser Länder langfristig so unterschiedlich entwickeln, wie es der IWF für die kommenden fünf Jahre vorhersagt, erzeugt der Durchschnittsbürger in China erst in 38 Jahren mehr Wohlstand als in Deutschland. In Indien dauert es 43 Jahre.
Das bedeutet es: Beim Wohlstandsvergleich bleiben Wachstumsraten ein Punkt von mehreren. Wie beim Marathon spielt auch der Vorsprung eine Rolle. Hat Läufer A 20 Kilometer Vorsprung, muss Läufer B lange schneller rennen, um ihn einzuholen. Im Vergleich zu China und Indien besitzt der Durchschnittsdeutsche einen riesigen Vorsprung.
Sorgen, schnell überholt zu werden, muss sich die Bundesrepublik nicht machen. Sorgen, irgendwann überholt zu werden, schon. Wer schneller läuft, holt jeden Vorsprung auf.
4. Sie leben auch noch lange wohlhabender als der durchschnittliche Franzose
Das passiert: Auch in Europa sagt der IWF vielen Ländern stärkeres Wachstum voraus als Deutschland. Trotzdem dauert es Jahrhunderte, bis die Bewohner dieser Länder wohlhabender leben als die Menschen in der Bundesrepublik – selbst wenn sich der derzeitige Ausnahmetrend fortsetzt.
Die Arbeitslosigkeit bleibt derweil in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich niedriger als in den meisten Ländern. Die Inflation auch.
Das bedeutet es: Die Wirtschaft in Indien und China wächst vor allem deutlich stärker als in Deutschland, weil viele Menschen dort noch ärmer leben. Bringt das Land sie in moderne Berufe oder bringt es ihnen grundlegende Infrastrukturen, vermehrt es ihren Wohlstand mit einfachen Maßnahmen immens. Aufholen geht schnell.
Wer aber überholen und einen Vorsprung aufbauen will, muss sich Neues einfallen lassen. Wie schwer das fällt, zeigt der Blick nach Europa.
Kein Land wächst dauerhaft so schnell wie China und Indien. Auch dort wird sich das Wachstum irgendwann verlangsamen. Den Tag, an dem der Durchschnittsbürger dort so wohlhabend lebt wie in Deutschland, erlebt sehr wahrscheinlich niemand, der diesen Text liest. Wer ein gutes Leben sucht, findet in Deutschland weiter bessere Ausgangsbedingungen als in den meisten anderen Ländern.
5. Die Schweizer leben im Mittel wohl immer wohlhabender als Deutschland
Das passiert: Deutlich schlechter schneiden die Deutschen ab, wenn wir sie mit einigen kleinen Ländern vergleichen. In der Schweiz erwirtschaftet der Durchschnittsbürger knapp doppelt so viel Wohlstand wie in Deutschland. Entsprechend besser leben die Menschen dort.
Auch in Deutschland klaffen riesige Lücken zwischen den einzelnen Bundesländern. Im kleinen Hamburg entfällt auf einen Einwohner mehr als doppelt so viel Wohlstand wie in Thüringen.
Das bedeutet es: Ländervergleiche hinken. Kein Land ist gleichmäßig. Kleine Länder sind aber gleichmäßiger als große Länder. Einige sind gleichmäßig arm, andere gleichmäßig wohlhabend. Gleichmäßig wohlhabende Länder wie die Schweiz oder Luxemburg liegen in Wohlstandsstatistiken weit vorn.
Größere Länder bestehen aus wohlhabenden und weniger wohlhabenden Regionen. In Paris leben die Menschen wohlhabender als auf dem französischen Land, in Peking wohlhabender als in der chinesischen Provinz.
Wären Peking, Paris und Bayern eigene Länder, stünden sie statistisch besser da. Trotzdem hätten die Menschen dort dann eher mehr Probleme. Verteidigungsfähiges Militär, wirksame Klimapolitik und Durchsetzungsvermögen bei internationalen Verhandlungen erfordern Größe.
Wachstumszahlen allein zeichnen daher sehr löchrige Bilder der Wahrheit. Wichtiger als die Angst, überholt zu werden, bleibt für Deutschland die Frage, wie es seine Probleme löst.
6. Andere Länder hin oder her: Deutschland muss seine wahren Probleme lösen
Das passiert: Deutschland überstand vergangene Krisen, weil es seine Probleme löste. Anfang der 2000er führte die rot-grüne Bundesregierung Hartz IV ein, auf Finanzkrise und Corona-Pandemie reagierten die Kabinette um Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Milliardenhilfen. Einschneidende Maßnahmen beseitigten einschneidende Probleme.
Das bedeutet es: Deutschland muss jetzt wieder Probleme lösen. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie gut wir das tun.
Die Probleme, die der IWF Deutschland attestiert - veraltete Infrastruktur, zu strenge Schuldenbremse, Fachkräftemangel - brodeln schon lange. Doch in den vergangenen zehn Jahren diskutierte die Bundesrepublik über Euro-Austritt, EU-Austritt, Corona-Verschwörung. Diese Realitätsflucht mindert unsere Problemlösungsfähigkeit und gefährdet unsere Zukunft mehr als die Probleme selbst.