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Trump droht Amtsenthebung: Das wären die Folgen kurz vor Ende seiner Präsidentschaft

Die Präsidentschaft Trumps dauert nur noch neun Tage. Trotzdem wollen die Demokraten ihn noch aus dem Amt werfen – mit weitreichenden Folgen für alle Beteiligten.

Eine amerikanische Flagge weht auf dem Dach des Weißen Hauses. (Bild: dpa)
Eine amerikanische Flagge weht auf dem Dach des Weißen Hauses. (Bild: dpa)

Es ist still geworden um Donald Trump – keine Tweets, keine Facebook-Posts, keine öffentlichen Auftritte. Der amtierende Präsident hat sich ins Weiße Haus zurückgezogen. Manche sagen, er habe sich verbarrikadiert.

Seit Trump seine Anhänger mehr oder weniger direkt dazu aufgerufen hat, den US-Kongress zu stürmen (O-Ton: „Es wird wild“), ist nichts mehr, wie es war. Die Welt um den Präsidenten herum ist ins Wanken geraten. Seine letzten treuen Anhänger, die von politischem Gewicht sind, haben sich von Trump distanziert.

Vizepräsident Mike Pence, Mitch McConnell, der mächtige republikanische Fraktionschef im Senat, und auch schillernde Senatoren wie Lindsey Graham aus South Carolina – alle wenden sich ab von Trump, spät, aber entschlossen.

Und vor allem: Da sind die kampfeslustigen Demokraten, die ein zweites Impeachment gegen Trump in Gang setzen wollen – auch das hat es in der amerikanischen Geschichte noch nicht gegeben.

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Die demokratische Mehrheitsführerin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte es bereits angedeutet, dass die Taten Trump so „schwerwiegend sind, dass es strafrechtliche Konsequenzen“ haben müsse. Ihr Parteikollege Ted Lieu bestätigte nun, dass die Partei bereits am Montag das Verfahren auf den Weg bringen will.

„Wir erwarten eine Abstimmung im Plenum in der kommenden Woche“, sagte er dem Sender CNN. In dem Resolutionsentwurf wird Trump als „eine Gefahr für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung“ bezeichnet.

Die Demokraten hatten den Präsidenten bereits im Dezember 2019 im Rahmen der Ukrainekrise wegen Machtmissbrauchs und Behinderung der Ermittlungen des Kongresses angeklagt. Drei Monate später sprach ihn der republikanisch dominierte Senat frei.

Die Motive der Demokraten

Auch in dem jetzt anstehenden Verfahren ist es alles andere als sicher, dass die Demokraten die zur Verurteilung des Präsidenten notwendige Zweidrittelmehrheit zusammenbekommen. Auch zeitlich ist ein Urteil im Senat vor der Machtübergabe nahezu ausgeschlossen, selbst wenn das Repräsentantenhaus kommende Woche das Verfahren eröffnen sollte.

Was aber sind die Motive der Demokraten, dieses komplexe Verfahren kurz vor dem regulären Ende der Amtszeit Trumps anzustrengen?

  1. Die Amtsenthebung ist gar nicht das wichtigste Ziel der Demokraten. In dem Resolutionsentwurf steht, dass Trump für künftige Regierungsämter gesperrt werden soll. Trump hat bereits mehrmals gesagt, dass er sich nach seiner Präsidentschaft nicht aus der Politik zurückziehen wolle. Sogar eine erneute Kandidatur im Jahr 2024 hatte Trump zuletzt im Dezember angedeutet. Dem wollen die Demokraten nun vorbeugen. Das zeigt zweierlei: Sie trauen dem talentierten Demagogen Trump auch nach den jüngsten Eskapaden durchaus ein Comeback zu. Zudem halten sie die Trump-Basis für so stabil und groß, dass sie ein bestimmender Faktor der amerikanischen Politik bleiben wird. Die Demokraten wissen: 74 Millionen US-Bürger hatten Trump bei den Wahlen im November gewählt.

  2. Den Demokraten geht es auch darum, mit dem Verfahren ein Zeichen zu setzen. Die grotesken Bilder von der „Schändung“ der wichtigsten US-Institution haben zu einem globalen Reputationsverlust der amerikanischen Demokratie geführt. Das dürfe nicht ungesühnt bleiben – so die Argumentation der Demokraten.

„Es geht um die Würde der Demokratie“, sagt der renommierte US-Ökonom Kenneth Rogoff im Interview mit dem Handelsblatt. Das Verhalten des Präsidenten trage „totalitäre Züge“, er habe indirekt oder sogar direkt zum Sturm auf das Parlament aufgerufen.

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Es sei „absolut notwendig, dass die, die den Angriff auf unsere Demokratie begangen haben, zur Verantwortung gezogen werden“, schrieb Pelosi am Samstag in einem Brief an demokratische Abgeordnete. Diese „Schändung“ sei vom Präsidenten angezettelt worden. Letztlich also geht es um die Rehabilitation des US-Kongresses durch eine Verurteilung des Präsidenten.

Neue Mehrheit im Senat

Nun gibt es in Washington diverse Spekulationen darüber, wie sich das Impeachmentverfahren beschleunigen ließe, um Trump womöglich noch nach Ende seiner Amtszeit zu verfolgen. So könnte das Repräsentantenhaus direkt die Klage erarbeiten, ohne den Justizausschuss mit einzubeziehen.

Doch auch wenn es eine schnelle Abstimmung über ein Impeachment in der ersten Kammer gäbe, müssten die Demokraten die Neubesetzung des Senats abwarten. Diese wird erst nach der Amtseinführung Joe Bidens am 20. Januar vollzogen. Da die beiden demokratischen Kandidaten die Nachwahl in Georgia gewonnen hatten, verfügen die Demokraten wegen der ausschlaggebenden Stimme der künftigen Vizepräsidenten Harris nach der Amtsübergabe über eine knappe Mehrheit im Senat.

Das heißt, der mehrheitlich demokratische Senat könnte dann die Länge und Regeln des Verfahrens bestimmen. Das wiederum bedeutet, dass der Senat dafür stimmen kann, juristisch gegen Trump vorzugehen, obwohl dieser nicht mehr im Amt ist.

Das allerdings ändert auch nichts an der Tatsache, dass eine Zweidrittelmehrheit für eine Verurteilung im Rahmen des Impeachments unrealistisch ist. Denn dafür fehlen den künftigen 50 demokratischen Senatoren immer noch 17 Republikaner.

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Zwar wächst auch unter den republikanischen Senatoren Skepsis gegenüber Trump. Der republikanische Senator Pat Toomey etwa sagte dem Sender Fox News am Samstag, Trumps Vergehen würden die Kriterien für ein Amtsenthebungsverfahren erfüllen.

Ähnlich äußerte sich sein Kollege Ben Sasse. Und bereits am Freitag hatte die republikanische Senatorin Lisa Murkowski offen Trumps Rücktritt gefordert. Alle drei Senatoren gelten aber schon länger als innerparteiliche Kritiker des Präsidenten.

Fakt ist: Der Senat kommt zu seiner nächsten regulären Sitzung erst am 19. Januar, also einen Tag vor der Inauguration Bidens, zusammen. Aus einem von der „Washington Post“ verbreiteten Memorandum des republikanischen Mehrheitsführers McConnell geht hervor, dass das Verfahren nach den geltenden Regeln frühestens am 20. Januar um 13 Uhr beginnen könnte – eine Stunde nach Bidens Vereidigung und Trumps Ausscheiden aus dem Amt.

Der künftige Präsident selbst hatte bereits ankündigt, sich in die Debatte um das Impeachment nicht einzuschalten. Auch für ihn birgt ein solches Verfahren Risiken. Denn es könnte Bidens Amtsstart erheblich erschweren. Das Verfahren würde den Senat bis zu einem Urteil womöglich über Wochen weitgehend blockieren.

Biden ist aber darauf angewiesen, dass die Senatoren seine nominierten Kabinettsmitglieder und zahlreiche hohe Regierungsmitarbeiter im Amt bestätigen. Auch sein Plan, die Corona-Konjunkturhilfen des Staats massiv zu erweitern, könnte sich erheblich verzögern.

Selbstbegnadigung wäre Novum

Trump selbst geht es zunächst vor allem darum, sich vor der Justiz zu schützen. Als Präsident genießt er weitgehende Immunität vor Strafverfolgung. Diese Immunität endet aber mit seiner Amtszeit am 20. Januar. US-Medien berichten bereits, dass Trump nach der Wahl vom 3. November mehrfach mit Beratern darüber diskutiert habe, sich selbst zu begnadigen.

Die Selbstbegnadigung eines Präsidenten wäre ein Novum. Es ist umstritten, ob ein solcher Schritt rechtlich zulässig wäre. Die Verfassung schließt eine Selbstbegnadigung nicht ausdrücklich aus.

Die zweite mögliche Variante, dass Trump tatsächlich seinen Stellvertreter Mike Pence für den letzten Amtstag zum Präsidenten macht und dieser ihn dann begnadigt, ist kaum denkbar. Nach Berichten von US-Medien haben beide miteinander gebrochen. Seit vergangenem Donnerstag herrsche „Funkstille“ zwischen ihnen.

Funkstille, was Trump angeht, herrscht auch auf den großen Social-Media-Plattformen des Landes: Facebook und vor allem auch Twitter, also jenes Sprachrohr mit 90 Millionen Trump-Followern, das tatkräftig dabei mithalf, den Milliardär aus New York zum Präsidenten zu machen.

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Ende der Woche hatten beide Tech-Konzerne Trumps Konten dauerhaft gesperrt. Auch Apple und Google sahen sich veranlasst, tätig zu werden. Sie warfen die Twitter-Alternative Parler aus ihren App-Stores. Parler war in den vergangenen Monaten zu einer Alternative für Trump-Unterstützer geworden, weil das Netzwerk anders als Twitter und Facebook auch radikale und gewaltverherrlichende Posts weitgehend zulässt.

Es wird also, zumindest was das Washingtoner Establishment angeht, nicht nur einsam um Trump, es wird auch stiller. „Präsident Trump wird von frühmorgens bis abends spät arbeiten. Er wird viele Anrufe tätigen und viele Meetings abhalten“, heißt seit ein paar Tagen die Standardfloskel in dem Terminkalender, den das Weiße Haus täglich an die Medien verschickt. Das stand auch am Samstag und Sonntag auf Trumps Agenda.

Ihm treu zur Seite steht Trump allerdings seine Fanbasis. Trotz aller Empörung über die gewalttätigen Ausschreitungen im Kongress – bei einer Umfrage des Instituts YouGov gaben 45 Prozent der republikanischen Wähler an, den Sturm auf das Kapitol zu unterstützen. Lediglich 43 Prozent der Befragten verurteilten den Angriff.

Neulich sagte der amtierende Präsident, dass die „unglaubliche Reise“ für ihn und seine treuen Unterstützer gerade erst angefangen habe. So aussichtslos die Lage Trumps derzeit erscheint – auch seine politischen Gegner müssen fürchten, dass das weit mehr als nur reine Durchhalteparolen sind.

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