Trump, Nato & EU: Wie wir mit seiner „Art of the Deal“ leben müssen

Egal was er macht – immer schön cool bleiben! (Bild: AP Photo/Evan Vucci)
Egal was er macht – immer schön cool bleiben! (Bild: AP Photo/Evan Vucci)

Der US-Präsident hinterlässt in Brüssel ein verbales Trümmerfeld. Darauf lässt sich nur tiefenentspannt reagieren.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Um Donald Trump zu verstehen, braucht es zweierlei: Zum einen sollte sein 1987 erschienenes Buch „The Art of the Deal“ mit jeder seiner Seiten inhaliert werden. Und zum anderen sollte den Trumpschen Worten ein Filter nachgebaut werden, der erfasst, was der Präsident genau meint, wenn er sagt: Bad. Terrific. Wonderful, von Amazing ganz zu schweigen. Er benutzt halt zu wenige differenzierende Worte.

Da muss man nicht gleich erschrecken, wenn er meint, die Deutschen mit ihrem Handelsüberschuss seien bad, very bad. Irgendetwas in mir meint, Trump ist nicht im Grunde seines Herzens nun überzeugt, wir Deutschen seien sehr böse und hätten schon das Ticket für die Hölle gelöst.

Apropos, mutig ist der Mann schon. Wagte er sich doch nun in jene Stadt, die er im Januar noch als „Höllenloch“ bezeichnet hat, er landete in Brüssel. Ob er sich vor diesem Ort wegen des gewagten Kombinationsnationalgerichts Muscheln mit Fritten beeindruckt zeigte, oder doch weil es ein „Terrornest“ sei, ist nicht bekannt. Jedenfalls muss er sich gedacht haben, Angriff sei die beste Verteidigung. Als er wieder abhob, hat er einen verbalen Trümmerhaufen hinterlassen.

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Die europäischen Politiker, die er in Brüssel traf, sind konsterniert. In langen Monaten hatten sie ihn und seinen Apparat bearbeitet: Handelsverträge können EU-Länder nur gemeinsam abschließen, die Militärausgaben der europäischen Nato-Mitglieder beziffern sich nicht nur an den Beiträgen, die an die Natokasse fließen. Und überhaupt, die EU ist weder ein monolithischer Staat noch ein Setzkasten, aus dem man sich mal hier, mal dort bedienen kann. Genützt hat es alles nichts.

In der Wüste war es besser

Trump schob die Verhandlungsergebnisse beiseite und tönte, die Ausgaben zur Nato seien viel zu gering. Und wie schön es bei den Saudis gewesen sei, seinem kürzlich absolvierten Besuch dort – schließlich hatten die ihn nett befeiert und nicht mit Zahlen genervt.

Längst hat sich herauskristallisiert, was den Leitfaden der neuen US-Politik ausmacht. Trump hält sich an sein Buch „The Art of the Deal“, eigentlich halt für Geschäftsleute geschrieben, aber Politik erscheint ihm womöglich wie ein Geschäft. Erstes Ziel: America first. Dem ordnet er alles unter. Deutsche Autos in den USA? Ein Graus. Zweites Ziel: Verbreite Stress, zeige dich unnachgiebig und haue Maximalforderungen raus, immer das Höchste und das Meiste. Irgendwann erreichst du mit dieser Zermürbungstaktik, dass der Gegenüber nachgibt und dir mehr überlässt, als er ursprünglich geplant hatte. Peng. Der Colt, der nur Knallerbsen geladen hatte, steckt wieder im Holster.

Vielleicht könnten die Europäer darauf reagieren, indem sie sich vergewissern, dass es eben doch nur Knallerbsen sind, die Trump zündet. Nur tiefenentspannt lässt sich damit leben, dass der US-Präsident nicht nur ungehobelt spricht, sondern sich auch rein körperlich ins rechte Licht zu setzen weiß: Bei einem Rundgang durchs neue Nato-Hauptquartier rempelte Trump mal eben den montenegrinischen Premier beiseite, ganz in Sandkastenmanier, raffte sein Sacko für Fotografen und lächelte, als müsse er eine Mahlzeit aus Nägeln goutieren. Oder Muscheln mit Fritten.

Auf Trump kann man nur gelassen reagieren. Beim ursprünglich bedachten Kurs bleiben. Warten, bis sich der Dampf seiner Worte legt. Und man sollte nicht darauf verfallen, ihn auch nur in einer einzigen Sache zu kopieren.

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Trumps Umgang mit den Medien zum Beispiel ist paranoid. Die zu ihm gelassenen Pressevertreter werden nach Kritiklosigkeit ausgewählt und bevorzugt, das Weiße Haus zieht sich zurück; eine erwartbare Reaktion von jemandem, der kontrollieren will, was sich nicht kontrollieren lässt. Doch in Europa geht der erste Spitzenpolitiker einen ähnlichen Weg: Emmanuel Macron zieht ebenfalls einen Kordon um den Elysée-Palast, in den er jüngst als Präsident Frankreichs eingezogen ist. Areale, die Journalisten bisher betraten, sind nun tabu. Wer Macron bei Auslandsreisen begleitet, wird nun persönlich entschieden. Dies drückt Unsicherheit aus, die Macron nicht haben sollte.

Denn eines können sich Europas Politiker sicher sein: Trumps damaliges Buch heißt „The Art of the Deal“, ins Deutsche ist es falsch übersetzt worden als „Die Kunst des Erfolges“. Ein Deal aber könnte, theoretisch, beiden Seiten Erfolg bringen. Bei Trump ist längst nicht garantiert, dass seine „Kunst“ automatisch „Erfolg“ zeitigt. Selbstmord aus Angst vor dem Tod ist eine schlechte Option.

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