Nach Trumps Amtsantritt: Israel startet Militäreinsatz im Westjordanland

Einen Tag nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat Israel einen Militäreinsatz im Westjordanland gestartet. Die Palästinenserbehörde sprach von zehn Toten, die israelische Armee von einem Einsatz gegen "Terroristen". (JAAFAR ASHTIYEH)
Einen Tag nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat Israel einen Militäreinsatz im Westjordanland gestartet. Die Palästinenserbehörde sprach von zehn Toten, die israelische Armee von einem Einsatz gegen "Terroristen". (JAAFAR ASHTIYEH) (JAAFAR ASHTIYEH/AFP/AFP)

Einen Tag nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat Israel einen Militäreinsatz im Westjordanland gestartet. Die israelische Armee gab am Dienstag bekannt, einen "Antiterroreinsatz" in Dschenin im Norden des Palästinensergebietes begonnen zu haben. Das Gesundheitsministerium der Palästinenserbehörde sprach von zehn Getöteten und 35 Verletzten. Zuvor hatte Trump in einer seiner ersten Entscheidungen nach seiner Vereidigung US-Sanktionen gegen israelische Siedler im Westjordanland zurückgenommen.

Die israelische Armee und der Inlandsgeheimdienst Schin Bet erklärten, sie hätten im als Hochburg palästinensischer Kämpfer geltenden Dschenin einen Einsatz unter dem Namen "Iron Wall" (Eiserne Mauer) gestartet.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, mit dem Einsatz werde das Ziel verfolgt, den "Terrorismus auszumerzen". Das Vorgehen sei Teil einer Strategie, gegen den Iran überall dort vorzugehen, wohin dieser seine Waffen liefere, "ob im Gazastreifen, im Libanon, in Syrien oder im Jemen" - oder eben im Westjordanland.

Israel wirft dem Iran vor, neben der Hamas im Gazastreifen und mehreren anderen bewaffneten Gruppen im Nahen Osten auch Kämpfer im Westjordanland finanziell und mit Waffenlieferungen unterstützen zu wollen.

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Der für Dschenin zuständige palästinensische Gouverneur Kamal Abu al-Rub sagte der Nachrichtenagentur AFP, die israelische Armee sei mit Apache-Helikoptern in der Luft und Militärfahrzeugen am Boden vorgegangen. Ein Sprecher der palästinensischen Sicherheitskräfte warf der Armee vor, mit scharfer Munition auf palästinensische Zivilisten und Sicherheitskräfte geschossen zu haben.

UN-Generalsekretär António Guterres forderte die israelischen Sicherheitskräfte auf, bei ihrem Vorgehen im Westjordanland "größte Zurückhaltung" zu üben. Guterres sei "weiterhin zutiefst besorgt" und rufe die Sicherheitskräfte auf, "größtmögliche Zurückhaltung zu üben und tödliche Gewalt nur dann anzuwenden, wenn dies zum Schutz von Menschenleben absolut unvermeidlich ist", erklärte sein stellvertretender Sprecher Farhan Haq.

Im seit 1967 von Israel besetzten Westjordanland leben inmitten von drei Millionen Palästinensern mehr als 490.000 Israelis in Siedlungen, die vom größten Teil der internationalen Gemeinschaft als illegal angesehen werden - aber immer weiter ausgebaut werden. Die Lage hat sich seit dem Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen deutlich zugespitzt.

US-Präsident Trump hatte am Montag kurz nach seiner Vereidigung per Dekret US-Sanktionen gegen israelische Siedler im Westjordanland zurückgenommen. Sein Amtsvorgänger Joe Biden hatte damit im Februar 2024 die Sanktionierung von Menschen und Gruppen wegen gewalttätiger Übergriffe auf Palästinenser im Westjordanland ermöglicht.

Der rechtsextreme israelische Finanzminister Bezalel Smotrich dankte Trump im Onlinedienst X für dessen "unerschütterliche Unterstützung".

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Befürworter einer israelischen Annexion des Westjordanlandes setzen große Hoffnungen auf die zweite Amtszeit Trumps. Smotrich hatte vergangenes Jahr angekündigt, er wolle die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland annektieren und sehe in der Rückkehr Trumps an die Macht eine "Gelegenheit" dafür. Ein Nahost-Friedensplan aus Trumps erster Amtszeit sah eine Annexion von Teilen des Palästinensergebiets durch Israel vor, scheiterte jedoch.

Die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland warnte ihrerseits, Trump animiere "die extremistischen Siedler" zur Gewalt. Nach Angaben von deren Außenministerium zündeten am Montagabend in den Dörfern Al-Funduk und Dschinsafut im Norden des Westjordanlands etwa 50 "maskierte terroristische Siedler" Autos, Wohnhäuser und Geschäfte an. Insgesamt 21 Menschen seien bei den Angriffen, die "unter der Aufsicht und dem Schutz der israelischen Armee" stattgefunden hätten, verletzt worden. Israels Armee bestätigte Ausschreitungen von israelischen Zivilisten gegen Sicherheitsbehörden.

Die Aufhebung der US-Sanktionen und der Einsatz der israelischen Armee erfolgten vor dem Hintergrund einer Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen, die am Sonntag in Kraft getreten war. In einem ersten Austausch waren drei entführte und als Geiseln gehaltene israelische Frauen und dutzende palästinensische Gefangene freigekommen.

Trump äußerte nach seiner Vereidigung Zweifel an einem Fortbestehen der Waffenruhe im Gazastreifen. Er sei "nicht zuversichtlich", sagte er.

Der Generalstabschef der israelischen Armee, General Herzi Halevi, reichte unterdessen seinen Rücktritt ein und begründete diesen mit seiner "Verantwortung" für das "Versagen" der Armee am 7. Oktober 2023.

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Der Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter Gruppen auf Israel hatte damals den Gaza-Krieg ausgelöst. Bei dem Angriff waren israelischen Angaben zufolge 1210 Menschen getötet worden, 251 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt.

Israel ging danach massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach dem jüngsten Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde des Gebiets, die nicht unabhängig überprüft werden können, mehr als 47.100 Menschen getötet.

Dem scheidenden israelische Armeechef Halevi zufolge waren unter diesen Getöteten insgesamt fast 20.000 Hamas-Mitglieder. Der militärische Flügel der Islamisten sei durch den 15-monatigen Einsatz der Armee "schwer getroffen" worden, sagte Halevi.

se/dja