Türkei: Frau tötet Ehemann in Notwehr - Ihre Festnahme löst Empörung aus

Triggerwarnung: Beschreibung von sexueller Gewalt

In der türkischen Großstadt Antalya hat eine Frau ihren Ehemann getötet – eigener Aussage zufolge in Notwehr. Er habe demnach gedroht, sie und die beiden gemeinsamen Kinder umzubringen. Dennoch wurde Haftbefehl gegen die Frau erlassen. Das rief landesweit große Empörung hervor.

Dem tödlichen Zwischenfall ging nach Angaben von Melek İpek schwere Misshandlung durch ihren Ehemann voraus (Bild: Twitter)
Dem tödlichen Zwischenfall ging nach Angaben von Melek İpek schwere Misshandlung durch ihren Ehemann voraus (Bild: Twitter)

Die 31-jährige Melek İpek aus der türkischen Großstadt Antalya hat am vergangenen Freitag ihren Ehemann, eigenen Aussagen zufolge in Notwehr, erschossen. Dennoch erließ das zuständige Gericht einen Haftbefehl gegen die Frau. Sie wurde daraufhin am Samstag in ein Gefängnis überstellt. Die Entscheidung löste landesweit Empörung und Wut auf die Behörden aus, außerdem eine Welle der Solidarität mit der inhaftierten Frau.

Laut einem Bericht der kurdischen Nachrichtenagentur Firatnews (ANF) rufen seither Menschenrechtsgruppen und Organisationen, die sich speziell für die Rechte von Frauen und Mädchen einsetzen, zur Freilassung der Inhaftierten auf.

Der Tat ging eine Nacht voller Gewalt voraus

Weiter heißt es in dem Bericht von ANF, die bislang einzige deutschsprachige Quelle zu der Tat, dass die Ehe schon lange von Gewalt geprägt gewesen sei. Das gehe aus dem Vernehmungsprotokoll hervor, das in voller Länge auf Change.org veröffentlicht wurde. Dort wurde am Wochenende eine Petition ins Leben gerufen, die als Ziel die Freilassung Melek İpeks benennt. Bislang haben rund 7000 Menschen unterzeichnet.

Nach Aussage der Frau ging ihrer Tat in Notwehr eskalierte Gewalt vonseiten des Mannes voraus: Demnach habe er sie am Abend zuvor gefesselt und über Nacht vergewaltigt und schwer misshandelt. Dann habe er angekündigt, die beiden gemeinsamen Töchter im Alter von sechs und acht Jahren und danach sie selbst töten zu wollen.

Solidarität in sozialen Medien

Daraufhin habe sie ein Gewehr gegriffen und versucht, damit ihren Mann abzuschrecken. Der aber stürzte sich auf sie, wobei sich ein tödlicher Schuss gelöst habe. Danach habe sie den Notruf gewählt und auf das Eintreffen der Ärzt*innen gewartet. Diese konnten nur noch den Tod des Mannes feststellen.

ANF zitiert dazu eine Aussage Melek İpeks aus dem Protokoll: „Es tut mir leid und ich bedauere, was passiert ist. Aber wenn dieses furchtbare Ereignis nicht passiert wäre, wären meine Töchter und ich jetzt tot.“

Demonstrierende in Istanbul am 25. November 2020, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Sie fordern mehr politisches und gesellschaftliches Engagement gegen Femizide und die in der Türkei verbreitete Gewalt gegen Frauen. (Bild: REUTERS/Murad Sezer)
Demonstrierende in Istanbul am 25. November 2020, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Sie fordern mehr politisches und gesellschaftliches Engagement gegen Femizide und die in der Türkei verbreitete Gewalt gegen Frauen. (Bild: REUTERS/Murad Sezer)

In sozialen Medien kursieren zahlreiche Bilder der Frau, die anscheinend direkt nach der Tat aufgenommen worden sind. Darauf ist ihr Gesicht dunkelblau verfärbt und blutüberströmt zu sehen. Dazu werden Solidaritätsbekundungen geteilt und häufig der Link zu der Petition auf Change.org.

Inhaftierte meldet sich aus Gefängnis

Am Montagmittag meldete sich der Anwalt von Melek İpek via Twitter und teilte dort eine Botschaft der Inhaftierten. Darin heißt es laut Übersetzung durch ANF: „Sie hat gesagt, sie vermisse ihre Töchter sehr und bedanke sich für die Unterstützung, die Aufmerksamkeit und die Gebete so vieler Menschen. Sie werde bald Gerechtigkeit erhalten und ihre Kinder in die Arme schließen. Auf die Frage, wie es ihr gehe, antwortete sie: Wenigstens gibt es hier keine Schläge.“

Der Anwalt kündigte zudem Haftbeschwerde an und äußerte seine Überzeugung, dass seine Mandantin nach entsprechender Prüfung bald freigelassen werde.

Femizide: Keine Seltenheit

Laut der türkischen Frauenrechtsorganisation KDCP kommen Morde an Frauen durch Männer, sogenannte Femizide, in der Türkei häufig vor. Im vergangenen Jahr sind mindestens 300 Frauen von Männern aus ihrem Umfeld ermordet worden, darunter über 170 von ihren Ehemännern, Lebenspartnern oder Ex-Männern.

Ähnliches gilt auch für Deutschland: Laut der Rosa-Luxemburg-Stiftung wurden hierzulande im Jahr 2019 insgesamt 117 Frauen und Mädchen „aufgrund von tiefliegendem Frauenhass“ von aktuellen oder ehemaligen Partnern getötet, 191 entkamen zudem dem Versuch.