Turnier kostete Frankreich 7,7 Milliarden Euro - Deutschland will Olympia - allein die Bewerbung kostet sieben Millionen
Die Entscheidung ist gefallen: Deutschland will sich um die Austragung der Olympischen Spiele 2040 bewerben. Welche wirtschaftlichen Vorteile, aber auch Risiken darin liegen, analysiert Unternehmer und Investor Martin Limbeck.
Welche wirtschaftlichen Vorteile könnte eine Olympiabewerbung für Deutschland bringen?
Stephan Kemper, Chef-Investmentstratege bei BNP Paribas, hat es mit Blick auf die Spiele in Paris treffend auf den Punkt gebracht: „Die Olympischen Spiele sind eine große Party, zumindest finanziell gesehen. Die kosten meistens mehr Geld, als sie einnehmen. Und ich befürchte, dass es bei einer Ausrichtung in unserem Land genauso kommen wird."
Natürlich kann eine Ausrichtung der Olympischen Spiele auch positive Effekte haben. Vorausgesetzt, die Planung wird nicht nur auf die zwei Wochen fokussiert, in der die Augen der Welt auf dem Austragungsort liegen.
Gegenüber dem ZDF bezeichnete FDP-Politiker Philipp Hartewig eine Bewerbung aus Deutschland vor allem als eine Chance. Weil in Sportstätten und Infrastruktur sowieso investiert werden müsse. Und sich im Zuge der olympischen Mission auch leichter eine “Bewegungsoffensive für Kinder und Jugendliche“ mit Leben füllen lasse. Zudem würde der Bau eines Olympischen Dorfs für über 10.000 Athletinnen und Athleten ebenfalls für einen positiven Wirtschaftsboom sorgen.
Ich habe den Eindruck, dass es bereits den Kindern von heute ziemlich egal ist, ob gerade Olympische Spiele sind oder nicht. Ob das in 16 Jahren anders sein wird?
Natürlich werden durch die Bewerbung und vor allem die Ausrichtung der Spiele neue Arbeitsplätze geschaffen, was erst einmal positiv ist. Hinzu kommen Aufträge zum Bau von Unterkünften, gegebenenfalls noch weiteren Austragungsstätten, Sanierung von Straßen, Ausbau des Personennahverkehrs. Für die strauchelnde Baubranche wäre das ein Lichtblick, keine Frage.
Doch woher sollen die Mitarbeiter dafür kommen, wenn viele Unternehmen so schon unter massivem Fachkräftemangel leiden? Und wer bezahlt das alles?
Welche Herausforderungen könnten bei einer Olympia-Finanzierung in Deutschland auftreten?
Eine Olympiabewerbung ist kostspielig. Egal, ob sie am Ende erfolgreich ist oder nicht. Sollte Deutschland den Zuschlag bekommen, käme dann noch die Finanzierung der Ausrichtung der Spiele dazu. Hier geht es insgesamt um einen zweistelligen Milliardenbetrag. Nur, um mal eine Hausnummer zu nennen: Die Spiele in Paris sollen rund 7,7 Milliarden Euro gekostet haben.
Und wozu eigentlich? Um der Welt zu präsentieren, dass Deutschland noch nicht ganz auf dem absteigenden Ast ist? Weil das Internationale Olympische Komitee (IOC) dem Land zutraut, zwei Wochen ein Event der Superlative über die Bühne zu bringen? Dass die Entscheidungen des Komitees auch mit Vorsicht zu genießen sind, hat die Vergangenheit gezeigt.
Der Bund stellt für Machbarkeitsstudien sowie die eigentliche Bewerbung bis zum Jahr 2027 knapp sieben Millionen Euro bereit. Das finde ich im Angesicht von Haushaltsstreit und einem fast nicht vorhandenen Wirtschaftswachstum schon fast anmaßend.
Um Investoren zu gewinnen, muss das Konzept schlüssig sein. Und Investoren allein werden nicht reichen – auch die Bürger des jeweiligen Austragungsort müssen hinter der Bewerbung stehen. Und das taten sie in der Vergangenheit nicht, wenn wir uns etwa an die Bemühungen von München oder Hamburg in den letzten Jahren erinnern. Beide Referenten wurden von den Bürgern abgelehnt.
Wovor wir ebenfalls nicht die Augen verschließen sollten: Deutschland hat bereits sieben gescheiterte Bewerbungsanläufe hinter sich. Warum muss es noch ein achtes Mal sein? Klar wären Spiele in Deutschland im Jahr 2040 symbolträchtig, 50 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Doch darüber hinaus? Scheint es vor allem der olympische Gedanke zu sein, der diese Idee trägt. Dabei sein ist alles! Das umreißt auch das Abschneiden der deutschen Athleten in Paris. Deutschland platzierte sich auf Platz 10 des Medaillenspiegels, abgeschlagen hinter Ländern wie den Niederlanden und Australien und weit hinter China oder den USA gegenüber.
Es ist also nicht so, als wären wir eine sportlich extrem bedeutende Nation, die deswegen für die Austragung der Spiele prädestiniert wäre. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn sich nicht auch in Sachen Sportförderung endlich etwas tut. Da wäre das Geld in meinen Augen besser aufgehoben als in einer Olympiabewerbung.
Wie könnten die Infrastruktur und andere langfristige Investitionen, die für Olympia benötigt werden, das Wirtschaftswachstum in Deutschland beeinflussen?
Zuerst einmal wird es mit Sicherheit positive Effekte geben. Studien belegen, dass Olympische Spiele im Schnitt zwischen 50.000 und 300.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Dies ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn es bedeutet nicht automatisch, dass dadurch die Arbeitslosenquote sinkt.
Bei den Olympischen Spielen in London 2012 gingen nur rund zehn Prozent der Jobs an Arbeitssuchende. Alle restlichen offenen Stellen wurden mit Kandidaten besetzt, die sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus beworben haben. Was wir außerdem nicht außer Acht lassen dürfen: Viele dieser Jobs fallen nach den Spielen sofort wieder weg, der Booster für den Arbeitsmarkt wäre daher in erster Linie vorübergehend.
Entscheidend ist auch, dass nicht nur alles auf dem Reißbrett geplant und über die Köpfe der Menschen, die am Standort leben, entschieden wird. Die Olympischen Spiele können eine Chance für die deutsche Wirtschaft sein – wenn auch über 2040 hinaus geplant wird. Welche Angebote können auch nach den Spielen erhalten bleiben? Was wird getan, um die generalüberholte Infrastruktur auch nach dem Besucheransturm in Schuss zu halten? Wie können Austragungsorte anderweitig genutzt werden? Gibt es Möglichkeiten, Bereiche mit leichten Modifikationen zum Beispiel als Treffpunkt für Jugendliche oder Freizeitsportler nutzbar zu machen?
Ein trauriges Beispiel dafür, wie eine Olympiaaustragung mehr schaden als nutzen kann, ist Rio de Janeiro: Die Organisatoren haben damals nachhaltige Spiele versprochen – doch davon ist so gut wie nichts geblieben. Die eigens gebauten Sportstätten waren bereits einige Jahre später verfallen, weil sich über die Nachnutzung keine Gedanken gemacht oder die Konzepte nicht zu Ende gedacht wurden. Einige Stadien sind heute nur noch Ruinen, weil es an Infrastruktur wie Toilettenanlagen und Versorgungsmöglichkeiten fehlt. Oder weil es kaum Pläne für Weiternutzungen gibt, die Geld in die Kassen spülen.
Bereits 2018 wurde bekannt, dass der Olympiapark die Stadt jährlich 12 Millionen Euro im Unterhalt kostet. Geld, das die Stadt schon damals nicht hatte. Und ein Fehler, der Deutschland bei einer erneuten Bewerbung und erst recht bei einer Zusage nicht unterlaufen darf.
Gibt es Beispiele aus der Vergangenheit, bei denen Gastgeberländer wirtschaftlich von den Olympischen Spielen profitiert haben?
Natürlich gibt es auch Länder, für die ihre Ausrichtung der Olympischen Spiele ein voller Erfolg war. Beispielsweise Barcelona, das im Jahr 1992 Austragungsort war. Im Zuge der Vorbereitungen hat die Stadt massiv an Attraktivität gewonnen: Aus dem Industrieviertel am Meer wurde eine Wohngegend mit Stadtstrand, die Verkehrsnetze wurden optimiert und erweitert, Hotels gebaut und so weiter. Diese Veränderungen haben auch nach den Spielen deutlich mehr Touristen angezogen; die Stadt profitiert heute noch von der Umgestaltung.
Aus rein wirtschaftlicher Sicht waren auch die Spiele in München 1972 für die Stadt positiv, denn die stadtplanerischen Veränderungen an Bebauung und Infrastruktur haben die Stadt damals um 10 bis 20 Jahre nach vorne gebracht, schätzen Experten. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass das andere Zeiten waren. Für Frankreich steht der Realitätsschock an – und wir dürfen gespannt sein, was im Nachbarland wirklich nachhaltig von Olympia bleibt.