TV-Doku über "Fußball-Frauen": So könnte eine Quote dem Fußball helfen

Mindestens 30 Prozent Frauen in Fußball-Führungspositionen bis 2024: Das fordert die Initiative "Fußball kann mehr" um neun prominente Frauen mit Fußball-Hintergrund. Warum der kühne Plan Sinn ergibt, zeigt die "ZDFzoom"-Reportage "Fußball-Frauen: Zeit für die Offensive".

Erstliga-Fußballerinnen von Eintracht-Frankfurt beim Training: Nur wenige Spielerinnen der höchsten deutschen Spielklasse können allein von ihrem Sport leben. Dagegen schwelgen ihre männlichen Kollegen bis in dritte und vierte Ligen im Luxus. Ist so etwas noch zeitgemäß? Was könnte mehr Geschlechtergerechtigkeit dem Fußball bringen? (Bild: ZDF /  Heinrich Voelkel)

MeToo, Gender-Debatte, Diversität: In den letzten Jahren hat sich die Wahrnehmung unseres Alltags verändert. Vieles, worüber man früher kaum nachgedacht hat, steht jetzt auf dem Prüfstand. Die von "alten weißen Männern" dominierte Gesellschaft in westlichen Industriestaaten wie Deutschland wandelt sich gerade rasant. Zumindest sichtbare Bemühungen in Richtung dieser Veränderung muss heutzutage jeder "mitgehen", wer nicht als ewig Gestriger gelten will. Nur der Fußball bildet - noch - die Ausnahme. Hier reagieren auch 2021 noch Machismo und steinalte Rollenbilder, obwohl es mittlerweile über 200.000 angemeldete Fußballerinnen beim DFB gibt. Eine "ZDFzoom"-Reportage von Jana Buchholz (Mittwoch, 20. Oktober, 22.15 Uhr, und in der Mediathek) zeigt, warum es selbst für den Erfolg des deutschen Männerfußballs besser wäre, wenn sich bald etwas ändern würde.

"Ihr spielt doch kein Geld ein"

"Ich habe es erlebt bei einer Prämienverhandlung", erzählt Welttorhüterin Almuth Schult beinahe unter Tränen relativ früh im Film, "dass wir auf die Funktionäre gewartet haben, mit denen wir verhandeln sollten. Sie kamen über eine Stunde zu spät, haben sich mehr oder minder nicht entschuldigt. Sie betraten den Raum und der erste Satz war: Warum sitzen wir eigentlich hier mit euch? Ihr Frauen habt doch sowieso nichts verdient. Ihr spielt doch kein Geld ein."

Beim DFB steht nach dem Rücktritt von Präsident Fritz Keller einmal mehr ein Machtwechsel an. Die Hoffnung, dass sich in dem kriselnden Verband endlich etwas ändert, ist groß. Dabei könnte erstmals in der DFB-Geschichte eine Frau an der Spitze helfen. Die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" um Ex-HSV-Vorstand Katja Kraus sucht derzeit nach einer geeigneten Kandidatin für eine Doppelspitze. Ob es wirklich gelingen wird, den staubigen Verband und Fußball an sich in Deutschland weiblicher zu machen?

Floh sie vor dem DFB nach England? Bibiana Steinhaus soll der Verband gebeten haben, nicht bei der Frauen-Initiative
Floh sie vor dem DFB nach England? Bibiana Steinhaus soll der Verband gebeten haben, nicht bei der Frauen-Initiative

 

Wie sieht es mit der Frisur bei Kopfbällen aus?

Gerade Katja Kraus, früher ebenfalls Top-Torhüterin und heute Geschäftsführerin von Jung von Matt Sports, liefert im Film Argumente, warum tatsächlich eine Frauen-Quote dem deutschen Fußball guttun kann: "Es ist durch Studien bewiesen, dass gemischtgeschlechtliche Teams bessere Ergebnisse erzielen. Es gibt so viele Argumente dafür, dass es besser ist, Frauen in Führungspositionen zu haben - das ist alles nicht mehr diskutabel. Von daher muss ich sagen: Die Beharrungskräfte sind weiterhin riesig."

Neben Kraus sind auch andere prominente Frauen mit Fußball-Hintergrund Teil von "Fußball kann mehr": die ehemalige deutsche Top-Schiedrichterin Bibiana Steinhaus-Webb, die wohl nach Auseinandersetzungen mit dem DFB mittlerweile zu einer neuen Management-Aufgabe in den englischen Fußball geflüchtet ist. Einer der bezeichneten Streitpunkte zwischen Steinhaus und DFB: Die Verbandsspitze wollte nicht, so belegen es einige Presseberichte, dass die Vorzeige-Schiedsrichterin bei "Fußball kann mehr" mitmacht. Steinhaus selbst möchte sich dazu im Film-Interview nicht äußern, aber ihr Schweigen wirkt ziemlich beredt.

Anfeindungen gegen ZDF-Reporterin

Auch ZDF-Reporterin Claudia Neumann ist Mitglied der Initiative und spricht offen über Anfeindungen gegen ihr Kommentieren von Männer-Fußballspielen, denen sie Dauer-Mobbing-gleich seit Jahren ausgesetzt ist. Tatsächlich ist Fußball in Deutschland in Sachen Deutungshoheit und Machtgefüge immer noch so männlich dominiert, dass man sich nur wundern kann. Erst 1970 kippte der DFB sein eigenes Frauenfußballverbot, das noch Mitte der 50-er mit Worten wie "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut. Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden" verteidigt wurde. Die Erlaubnis zum Mitmachen erteilte der DFB den Frauen wohl nur, weil sie damals damit drohten, einen eigenen Verband zu gründen.

Auch heute sind im deutschen Fußball noch so gut wie alle wichtigen Positionen von Männern besetzt. Noch nicht mal in der Fußballbundesliga der Frauen gibt es eine Frau als Trainerin. In den Trainerstäben der Männerclubs natürlich auch keine einzige. "Und es gibt keinen Grund dafür", sagt Katja Kraus. "Also keinen Grund, außer dass Männer es so wollen". Auch die 77-jährige Bärbel Wohlleben, die heute noch als Trainerin arbeitet, tritt im Film als klarsichtige Vertreterin der Pionier-Generation von Fußballerinnen auf. Wohlleben war die erste "Torschützin des Monats" der ARD und wurde bei der Preisübergabe im Fernsehstudio während der 70-er danach befragt, wie es mit der Frisur bei Kopfbällen aussähe. "Bei Bayern München verdient jeder Profis im Durchschnitt fünf bis sechs Millionen Euro pro Jahr", sagt Wohlleben. "Die Frauen-Abteilung des HSV hat vor Jahren zugemacht, weil sie nicht mal eine Million hatten - als Jahresetat fürs ganze Team." Und Almuth Schult pflichtet bei: "Das Gender Pay Gap ist nirgendwo so groß wie im Fußball."

Der frühere Bundesliga-Profi, Trainer und Vereinsfunktionär Ewald Lienen legt den Finger in die Geschlechterungerechtigkeit im deutschen Fußball. (Bild: ZDF / Philip Flämig)
Der frühere Bundesliga-Profi, Trainer und Vereinsfunktionär Ewald Lienen legt den Finger in die Geschlechterungerechtigkeit im deutschen Fußball. (Bild: ZDF / Philip Flämig)

Fußballerinnen kommen nicht aus weltfremden Leistungszentren

Auch Männer treten im Film auf. Die Ex-Profis und heutigen Fußball-Manager Ewald Lienen und Philipp Lahm setzen sich für eine Veränderung des Fußballs im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit ein. Und mit Union Berlins Torhüter Andreas Luthe ist immerhin ein aktueller Bundesliga-Profi dabei, der im Film ebenfalls für eine "weibliche" Veränderung des Fußballs plädiert.

Lienens Verein, der FC St. Pauli, hat als erster deutscher Profi-Verein eine Frauenquote verabschiedet. Dass neue weibliche Impulse in einem Geschäft, das zunehmend als abgeschottete Blase erscheint, eine gute Idee wäre, daran glaubt Ewald Lienen ganz fest. Über den DFB und seine Manipulationsversuche in Richtung Bibiana Steinhaus ätzt er: "Das sind Strukturen, da bleibe ich fassungslos zurück. Das ist ein Offenbarungseid von all dem, wofür der DFB eigentlich stehen sollte."

200.000 angemeldete Fußballerinnen kicken beim DFB. Auf der Führungsebene des Verbandes werden sie jedoch so gut wie nicht repräsentiert.  (Bild: Tommy Finamore/tjfin)
200.000 angemeldete Fußballerinnen kicken beim DFB. Auf der Führungsebene des Verbandes werden sie jedoch so gut wie nicht repräsentiert. (Bild: Tommy Finamore/tjfin)

Katja Kraus und "Fußball kann mehr" fordern deshalb eine klassische Quotenregelung, "weil sich nur dadurch Veränderungen beschleunigen". Selbst wenn man kein Freund oder keine Freundin starrer Quotenregelungen ist, weil natürlich nach Qualifikation entschieden werden soll, würde eine Quote zumindest vorübergehend Sinn ergeben, ist sich Kraus sicher. Warum Männer von Frauen im Fußball lernen können, dazu hat Nationalspielerin Laura Freigang gegen Ende des Films noch eine weise Erkenntnis beizutragen: "Wenn ich zum Training gehe, weiß ich, die sind alle da, weil sie es unbedingt wollen und nicht, weil sie am Ende des Monats einen Ferrari davon kaufen können", sagt sie.

Die 23-Jährige von Eintracht Frankfurt weist wie Ewald Lienen darauf hin, dass Spitzenspielerinnen im Frauenfußball im Gegensatz zu männlichen Stars, die oft im 100-Prozent-Sorglos-Modus seit Kindertagen in Leistungszentren herangezüchtet wurden, auch im wirklichen Leben mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen. Ein Stück dieser Bodenständigkeit könnte die abgehobene Welt des heutigen Männer-Fußballzirkus wohl tatsächlich dringend gebrauchen.

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