TV-Doku entlarvt das Märchen vom emissionsfreien Autofahren

Deutschland ist im E-Mobilitätsfieber. Der US-Flitzer Tesla ist längst neues Statussymbol umweltbewusster Besserverdiener. Doch auch die deutschen Automobilhersteller rüsten in Sachen E-Mobilität auf. Dabei ist die Öko-Bilanz der gepriesenen Technik mies, wie eine ARD-Doku am Montagabend aufdeckte.

In größeren deutschen Städten kann man ihn kaum noch übersehen: den Trend zur Elektromobilität. Überall Strom-Zapfsäulen und neuartige Wagen, die sich quasi geräuschlos durch den urbanen Asphaltdschungel bewegen. Wird also doch noch alles gut in Sachen Klimaschutz und individueller Fahrspaß? Die Autoren Florian Schneider und Valentin Thurn haben für ihren Film der ARD-Reihe "Die Story im Ersten" die Elektromobilität auf den ökologischen Prüfstand gestellt - und kommen in dem am Montagabend ausgestrahlten Beitrag zu einem sehr kritischen Ergebnis.

Das Problem ist die Batterie. Nach Verbraucherwünschen soll sie immer größer und kräftiger werden, um die vom Verbrennungsmotor erzielten Reichweiten zu gewährleisten. Bevor die Batterie eines durchschnittlichen Elektroautos überhaupt benutzt werden kann, werden jedoch schon 17 Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen. Ein Mittelklasse-Auto mit einem durchschnittlichen Verbrauch von sechs Litern war da schon über 100.000 Kilometer unterwegs. Die bittere Erkenntnis: Bei der Herstellung eines E-Autos wird doppelt so viel Umwelt zerstört wie bei der Produktion eines vergleichbaren Gefährts mit Verbrennungsmotor. Schuld sind vor allem Batterie-Rohstoffe wie Lithium und Kobald, die in ihren Abbauregionen für schlimme Umweltschäden sorgen.

Das Öko-Problem des E-Autos ist die Batterie

Gerade Batterien mit großer Reichweite schlagen in Sachen negative Ökobilanz zu Buche. Umweltverträgliche, kleine Flitzer mit überschaubarer Reichweite wären deshalb zumindest für den Stadtverkehr die viel vernünftigere Lösung. So wie in Aachen, wo der e.Go gebaut wird. Ein Wagen, der mit sehr kleinen Batterien auskommt.

Weil der durchschnittliche Deutsche nur etwa 39 Kilometer pro Tag unterwegs ist, wären Batterien, die für eine Reichweite von 100 bis 200 Kilometer sorgen, völlig ausreichend. Wer sich jedoch auf Autosalons und anderen Präsentiertellern von Mercedes, BMW, VW und Co. umsieht, erkennt vor allem wuchtige, SUV-artige Modelle mit Elektro-Monsterreichweiten von 600 Kilometern und mehr. Dafür sind riesige Batterien notwendig, ein Faustschlag für die Umwelt. Damit in Deutschland emissionsfreie Städte entstehen, wird an andern Orten extremer Raubbau an der Natur betrieben.

So zum Beispiel in der extrem trockenen, argentinischen Hochlandregion Jujuy. Hier in den Anden liegt eines der größten Lithium-Depots der Welt. Gewonnen wird der Rohstoff, der seinen Kilopreis im Zuge der Elektromobilität bereits versiebenfacht hat, durch Verdunstung. Das "weiße Gold" wird aus Salzseen extrahiert, für deren Austrocknung riesige Becken angelegt werden. Das Problem: Giftige Dämpfe bei der Produktion und eine enorme Schädigung des Ökosystems. Vor allem der Grundwasserspiegel einer Gegend, in der viele Indios Ackerbau, Viehzucht und Tourismus im kleinen Stil betreiben, sinkt dramatisch.

Sarah Lincoln von "Brot für die Welt" rechnet vor der Kamera aus: "Für eine Tonne Lithium vertrocknen zwei Millionen Liter Wasser - in einer extrem trockenen Region." Andere wichtige Exporteure der für Batterien notwendigen Rohstoffe sind China und Südkorea, wo die Produktion unter massivem Einsatz von Kohlekraftwerken vorangetrieben wird. Ein CO2-Fußabdruck, bei dem man sich wohlfühlt, sieht anders aus.

80 neue E-Modelle allein bei VW

Gefördert durch die Bundesregierung haben deutsche Hersteller dennoch angekündigt, in Zukunft voll auf E-Mobilität zu setzen. BMW will beispielsweise bereits 2025 sein gesamtes Fahrzeuge-Portfolio auch elektrisch anbieten. Volkswagen hat gar im gleichen Zeitraum vor, 80 neue E-Modelle anbieten. Und Porsche? Will in gut fünf Jahren 50 Prozent seiner Flotte elektrifiziert haben. Sind dies alles Irrwege auf dem Feigenblatt umweltbewusster Spaßverbraucher, die am Ende genauso viel Dreck verursachen wie vorher?

Ein paar hoffnungsvolle Stimmen zur E-Mobilität gibt es in diesem anschaulichen, gut verständlichen Film dennoch: Bei Bussen und Taxis, also Fahrzeugen mit hoher Kilometerleistung auf die Anzahl der Fahrgäste gerechnet, ist Elektromobilität tatsächlich ökologisch - sofern ein Fahrzeug respektive seine Batterie eine hohe Lebensdauer erreicht. Und mit der zunehmenden Verwendung "grünen" Stroms bei der Herstellung von Batterien, wird die - nach dem Genuss dieses Films - zweifelhafte Freude übers emissionsfreie Fahren auch wieder ein wenig mehr.

Trotzdem gilt es zu erkennen: Eine das Klima rettende Zukunft der Menschheit liegt nicht im motorisierten Individualverkehr. Öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder smarte Apps, die eine ideale, kombinierte Verkehrsmittelnutzung ausrechnen, dürften da eher funktionieren. Eine dieser Apps, sie wird am Ende des Films vorgestellt, befindet sich derzeit in Berlin im Test. Umweltschutz, das zeigt auch diese "Story im Ersten", ist eben komplexer, als man denkt - und viele geräuschlose E-Flitzer im Stadtverkehr sind sicher nicht die Lösung.