TV-Kolumne „Die 100 – Was Deutschland bewegt“ - Als ARD-Show Argumente gegen die AfD sammelt, wird sie zum ernsten Kindergeburtstag
In einer ARD-Sendung kommt es zur „Abstimmung mit den Füßen“ darüber, ob die AfD ein Problem für die Demokratie ist. Stellenweise wirkt die Show wie ein ernster Kindergeburtstag. Der scheint bei den Teilnehmern aber Wirkung zu zeigen.
„Abstimmung mit den Füßen“: So hieß das, als der DDR vor dem Mauerbau die Einwohner wegliefen. „Abstimmung mit den Füßen“: Die Redewendung geht zurück auf Abstimmungen der alten Römer in ihrem Senat. Heute ist das eine ARD-Show mit politischem Hintergrund.
„Wir wollen politisch etwas anders diskutieren, als Sie es gewohnt sind“, verspricht Ingo Zamperoni als Moderator. „Ist die AfD eigentlich ein Problem für die Demokratie?“, lautet die Frage im Öffentlich-Rechtlichen. Und 100 Gäste im Studio sollen sich zu einer Antwort bewegen – und das eben im wahrsten Sinn mit ihren Füßen auf dem Fußboden.
Die erste Stimme gewinnt die AfD schon vor dem allerersten Argument
Die Sendung beginnt mit einer Abstimmung. 63 der 100 stellen sich auf die Seite, dass die AfD ein Problem für die Demokratie sei. Das ist wie Kindergarten für Fortgeschrittene. Der Eindruck wird noch stärker, weil eine Frau gleich noch wechseln muss. Sie hatte einfach die blaue Farbe auf dem Boden gesehen und sich automatisch auf das AfD-blaue Feld gestellt. Dabei sympathisiert sie doch mit der Partei.
Schnell wechselt sie die Seite: Die erste Stimme hat die Partei also schon für sich gewonnen, bevor Argumente ausgetauscht werden. Denn der Austausch von Argumenten ist die Idee der Sendung. Zwei Rednern sind jeweils ihre Positionen zugelost worden.
Ist also die AfD das Problem – oder ist es die Ausgrenzung?
Die Argumentation für die AfD übernimmt Moderatorin Anna Planken: 77 Prozent der Befragten wollen eine Wende in der Migrationspolitik, „damit weniger Menschen kommen“, sagt sie. Die Moderatorin verweist auch auf die Fragwürdigkeit, nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen ein Drittel der Stimmberechtigten auszugrenzen . „Ist die AfD ein Problem für unsere Demokratie?“, stellt Anna Planken die Frage, „oder ist es die Ausgrenzung?“
Die andere Seite vertritt Tobias Krell. Er hat es leicht, gegen die AfD zu argumentieren – er spielt einfach eine Reihe von Zitaten im Originalton ein. Dann führt er noch ein AfD-Handyspiel vor. Es geht darum, immer drei Symbole in eine Reihe bekommen. Da gibt es blutige Messer. Es gibt auch dunkelhäutige Gesichter. Wer drei farbige Köpfe nebeneinander platziert hat, bekommt ein gegröltes „Abschieben!“ als Belohnung eingespielt.
Ein Zwischenergebnis lautet dann auch: „Die AfD ist ein Problem, weil sie Menschen Angst macht.“ 83 zu 11 ergibt da die Abstimmung mit den Füßen.
Ein ernster Kindergeburtstag bei der ARD
Die öffentlich-rechtliche Idee mag ehrenwert sein, Prozentzahlen im Abstimmungsverhalten so konkret sichtbar zu machen. Wenn allerdings das gemeinsame Haus Deutschland aus übergroßen Bausteinen zusammengesetzt werden soll, die nach Lego aussehen, auch wenn sie mit Begriffen wie „Grundgesetz“ beschriftet sind – dann wirkt das einfach wie Kindergeburtstag.
Kinderleicht kann es sich wieder Tobias Krell machen, wenn er gegen die AfD argumentiert. Klimawandel? Wieder spielt er Originalzitate ein. „Dann sollten wir der Sonne erklären, dass sie nicht so viel scheinen sollte“, sagt da Beatrix von Storch als prominente AfD-Politikerin. Oder Klaus Gage, AfD-Abgeordneter aus Hessen, versichert es gleich zweimal: „Der Klimawandel ist nicht menschengemacht.“ Da schütteln dann doch auffallend viele von den 100 Fußentscheidern sehr entschieden mit den Köpfen.
Die AfD ist am Ende doch ein Problem
60 Sekunden bleiben den beiden Sprechern für ihre Schlussplädoyers. Die Endabstimmung lautet: 28 zu 68. Es sind also 68 Prozent im Studio, die glauben, dass die AfD „eigentlich“ ein Problem für die Demokratie ist – fünf Prozent mehr als zu Beginn der ARD-Sendung. Das Einspielen der Originaltöne aus der AfD scheint Wirkung gezeigt zu haben.
Wie sagt der Mitspieler Tobias Kühn, der seine Position geändert hat: „Mir ist im Laufe dieser Sendung klar geworden, dass man diese Meinungen nicht akzeptieren kann.“