TV-Kolumne zum ARD-Sommerinterview - Hier sitzt SPD-Chef Lars Klingbeil einem fatalen Irrtum auf
Im „Sommerinterview“ der ARD schwört der Parteivorsitzende der SPD einen weiteren Treueeid auf seinen Kanzler. Wann macht Olaf Scholz endlich den Biden – zum Wohle seiner Partei?
Diese Zahlen sollten eigentlich irgendjemandem innerhalb der SPD-Führung zu denken geben: Satte 66 Prozent der SPD-Mitglieder halten Kanzler Olaf Scholz für den falschen Kanzlerkandidaten, so das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage .
Nur noch 34 Prozent der Genossinnen und Genossen votieren für ihn. Über die Parteigrenzen hinweg bezeichnet nicht einmal mehr jeder vierte Deutsche Scholz als einen guten Kanzler. Doch der spricht ungerührt lächelnd davon, bei der Bundestagswahl 2025 als Kanzler anzutreten. Um dann erneut Kanzler zu werden.
Das Forsa-Umfrageergebnis klingt nicht einmal nach Rückhalt innerhalb der eigenen Partei, doch eine Revolution aus den Reihen der SPD scheint ebenfalls nicht zu drohen. Im „Sommerinterview“ der ARD hat zumindest der Parteivorsitzende Lars Klingbeil erneut einen Eid auf Olaf Scholz als Kanzlerkandidaten abgelegt: „Er ist unser Kanzler, er bleibt der Kanzler und wir werden alles dafür tun, dass er bei der nächsten Bundestagswahl wieder unser Kanzler wird.“
Wo bleibt die Kamala Harris der SPD?
Das kommt jetzt nicht überraschend, Klingbeil hatte sich trotz rapider Zustimmungsverluste für seine Partei in dieser Frage schon früh positioniert und stets betont, Scholz sei „gesetzt“ für die Wahl 2025. Bei der Europawahl in diesem Frühsommer wurde deutschlandweit mit Scholz plakatiert. Das Ergebnis: ein sozialdemokratisches Desaster, aktuell hängt die Partei irgendwo zwischen 14 und 15 Prozent.
Hat die SPD denn gar nichts von den US-amerikanischen Demokraten und ihrem viel zu langen Festhalten an Präsident Joe Biden gelernt? Vielleicht, weil die SPD aktuell keine Kamala Harris hat. Sondern bestenfalls eine Saskia Esken Statt in die USA blickt Klingbeil lieber in die Vergangenheit und beschwört die Erinnerung an die Wahl 2021 herbei. Das schon damals überraschend gute Abschneiden der SPD interpretiert er nicht als ein glückliches Aufeinandertreffen von Annalena Baerbocks Lebenslauf-Problemen und Armin Laschets Lachern an der falschen Stelle, sondern als den Erfolg einer kämpferischen SPD. Darauf will er nun wieder setzen – mit einem Kanzler, der „vorneweg marschieren“ soll.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Doch da ist dieser eine Satz, der den größten Irrtum von Lars Klingbeil aufdeckt: „Der Bundestagswahlkampf hat ja noch gar nicht begonnen“, sagt der SPD-Chef: „Der fängt in ein paar Monaten an.“ Ja, der nächste Bundestag wird erst in 13 Monaten gewählt. Und der offizielle Startschuss für den Wahlkampf wird erst in ein paar Monaten fallen. Doch der Wähler wartet mit seiner Meinung nicht, bis Berlin ihm grünes Licht dafür gibt. Er denkt nach dem Setzen des einen Kreuzes in der Wahlkabine bereits über das nächste nach. Der Wahlkampf startet entsprechend mit Tag 1 der neuen Legislaturperiode.
„Sie kennen mich“? Das reicht nicht mehr
Schon jetzt ist die SPD also hoffnungslos zu spät dran. Denn die Sozialdemokraten sind – auch darauf lassen Klingbeils Äußerungen schließen – längst nicht im Wahlkampfmodus angekommen. Der Parteivorsitzende beschränkt sich darauf, Olaf Scholz als „die gute Alternative zu Friedrich Merz“ zu positionieren. Was erschreckend nach Angela Merkels Wahlkampfprogramm anno 2013 erinnert, das die Union damals mit „Sie kennen mich“ zusammenfasste.
„Es gibt kein Recht auf Faulheit“, mahnt Klingbeil im ARD-„Sommerinterview“ markant an zum Thema Bürgergeld . Es gibt aber in einer Demokratie auch kein Recht auf Kanzlerkandidatur, wenn man nicht mit Leistung überzeugt und selbst die eigenen Parteigenossen an der Eignung für dieses Amt zweifeln.