TV-Kolumne - ARD-Talk zeigt, welche Sandkastenspiele uns im Weihnachts-Wahlkampf drohen
Es ist ein bemerkenswertes Trio, das „Hart aber fair“ versammelt. Wir sehen Tränen bei FDP-Mann Wolfgang Kubicki, SPD-Generalsekretär Miersch orakelt von einer Einigung hinter den Kulissen, CSU-Frau Bär schaut himmelwärts und hofft auf Luft nach oben. Der TV-Zuschauer erlebt Politik im Tal der Ratlosen.
Alaaf und Helau, USA und Berlin! Die närrische Zeit hat in diesem Jahr 2024 schon am 6. November begonnen. An diesem 11.11., ein paar Stunden nach 11 Uhr 11, wird sie munter fortgesetzt – auch wenn noch völlig unklar ist, wer und ob überhaupt jemand etwas zu lachen bekommt. Aktuell geht es um die sechste Vertrauensfrage in der Geschichte unserer Bundesrepublik .
Dieses Machtmittel ist selten, obwohl es anno 1982 sogar zweimal eingesetzt wurde – am 3. Februar behauptet sich Helmut Schmidt noch als Kanzler, am 1. Oktober des Jahres löst ihn Helmut Kohl ab. Was neu und anders ist? Diesmal wird geschachert.
Der Kanzler entscheidet nicht, er schickt seinen Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich als Unterhändler los. Olaf Scholz sucht einen Deal. Beim ARD-Talk „Hart aber fair“ orakelt SPD-Generalsekretär Matthias Miersch, dass der Deal in Sachen Wahltermin hinter den Kulissen schon verhandelt sei.
Dorothee Bär ist die Fachfrau fürs Kleingemusterte
Es ist ein durchaus spannendes Politiker-Trio, das sich „Hart aber fair“ ins Studio holt. Allzu lange bleibt der ARD-Talk allerdings am Rückspiegel kleben. Da macht sich FDP-Politiker Wolfgang Kubicki noch einmal lustig über den Kanzler, der seine Wutrede vom Teleprompter abliest – „wahrscheinlich war da noch ‚Empörung!´ hineingeschrieben“.
CSU-Frau Dorothee Bär tritt nach: „Diese Rede hat mich persönlich entsetzt, das war ganz, ganz kleines Karo.“ Gleich im nächsten Satz betätigt auch sie sich allerdings als Fachfrau fürs Kleingemusterte. „Markus Söder hat viel mehr Anstand und Moral als Olaf Scholz das jemals hatte.“ Wie es mit ihrem Parteivorsitzenden und seiner Ablehnung einer Koalition mit den Grünen zu einer Regierungsmehrheit reichen soll? Da hofft Dorothee Bär auf „Luft nach oben“.
Eher wohl um die Gegenrichtung: Hilfe direkt aus dem Himmel, wer sonst sollte das für die CSU bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen richten können?
Und Kubicki? „Ich habe Rotz und Wasser geheult!“
Allzu lange wird im ARD-Talk mit hohem Tempo im Rückwärtsgang durch den politischen Kreisverkehr gefahren. Man muss Wolfgang Kubicki nicht mögen. Aber er fasst die ausufernde Diskussion sehr kurz zusammen: „Das weitere Dahindümpeln wäre wahrscheinlich die schlechtere Lösung gewesen. Jetzt sollten wir schnellstmöglich zu Neuwahlen kommen. Die Ampel war als Koalition am Ende.“
Dieses Endzeitgefühl kennt Kubicki übrigens gut. Die ARD-Redaktion spielt zur Erinnerung Bilder von einem deutlich jüngeren Mann mit damals noch schwarzem Bart ein. Kubicki war schon beim Bruch 1982 dabei.
„Ich habe Rotz und Wasser geheult“, erinnert sich der FDP-Mann mehr als vier Jahrzehnte später. „Der Unterschied war: Helmut Schmidt war ein sehr beliebter Bundeskanzler.“
„Da steht auch die Opposition in der Pflicht!“
Dass er ein beliebter Bundeskanzler sei, kann Olaf Scholz aktuell niemand nachsagen. Nur 21 Prozent der Deutschen sind zufrieden mit Kanzler. Erst in der Mitte seines Montagstalks findet der Moderator den Vorwärtsgang. Louis Klamroth wechselt abrupt zum Thema Wirtschaft.
Er holt Marcel Fratzscher in die Runde, den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Und da wird es düster. Der Wirtschaftsfachmann rechnet vor, wie teuer eine Regierung Trump in den USA den Deutschen kommen kann. Und Fratzscher sagt es deutlich: „Uns muss bewusst sein, dass das der schlechtestmögliche Zeitpunkt ist, um keine Regierung zu haben.“
Die Verantwortung für die Übergangszeit sieht Fratzscher klar bei den Parteien der Mitte. „Eine Minderheitenregierung ist im internationalen Vergleich nicht selten“, sagt der 53-Jährige und befindet: „Da steht auch die Opposition in der Pflicht!“
Ein Weihnachtswahlkampf der Giftigkeiten
Allzu viel Hoffnung auf ein Miteinander zum Wohle aller macht „Hart aber fair“ allerdings nicht. Ganz im Gegenteil. „Wir kommen nicht aus der Krise heraus, indem wir Sandkastenspiele betreiben“, sagt da zwar Wolfgang Kubicki.
Auch Matthias Miersch will keinen Sandkasten, versichert er. Und Dorothee Bär mag, zumindest sagt sie das, „keine billigen Tricks“. Doch das sind die schönen, die staatstragenden Worte. Wer auf die Giftigkeiten im Detail achtet, der sieht jetzt schon, was Deutschland über den Weihnachtswahlkampf hinweg beschäftigen wird: Da sitzt man dann eben doch im Sandkasten.
Da haut man mit dem roten, dem gelben, dem grünen und dem schwarzen Schäufelchen munter um sich. Und am Wahlsonntag wird sich dann zeigen, wer wie viel Sand in die Augen bekommen hat.