TV-Kolumne „Berliner Runde“ - Kein Wort zum Kanzler: Im ZDF wird klar, dass Berlin es immer noch nicht verstanden hat
Welche Folgen hat das politische Beben im Osten für die Bundespolitik und die Menschen in ganz Deutschland? In der Elefantenrunde nach den Thüringen- und Sachsen-Wahlen diskutieren die Parteivertreter lieber über die Koalitionsfähigkeit der AfD als über die aktuell größte Problem-Koalition.
Die Zeit nach den ersten Hochrechnungen und vor der „Berliner Runde“ nutzen die Parteivertreter traditionell für mediales Wundenlecken, für Dankesreden oder Schuldzuweisungen. Erst in der „Berliner Runde“ des ZDF treffen sie wieder aufeinander.
Die sogenannte Elefantenrunde ist deshalb mehr als nur ein weiteres Talkformat: Sie ist der erste Akt der Sondierungsphase – und ein Lackmustest dafür, was die Landesergebnisse für die Regierenden in Berlin bedeuten könnten.
Für die drei Ampelparteien sind diese Landtagswahlen ein weiterer Schlag in die Magengrube. Leugnen ist zwecklos: Bei der „Berliner Runde“ bekennt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sichtbar angefasst, die Bundespolitik habe den Wahlkämpfern in Thüringen und Sachsen „nicht nur keinen Rückenwind gegeben, sondern stand an manchen Stellen klar im Weg“.
Kühnert ist im Kampfmodus, Linnemann hingegen sichtbar zufrieden
Kühnerts Stimme zittert aber nur zu Beginn der „Berliner Runde“; kurz darauf sendet er bereits wieder kampfeslustige Botschaften in Richtung Bundes-FDP und Grüne: Bei den noch verbliebenen Aufgabenpaketen der Ampel werde sich die SPD nicht mehr auf der Nase herumtanzen lassen: „Da wird es eine härtere Gangart geben.“
Grünen-Vertreterin Emily Büning hingegen verkneift es sich ebenso wie FDP-General Bijan Djir-Sarai, darauf einzugehen oder die Ampelkoalition anderweitig in Frage zu stellen: Angesichts des Erdrutsch-Ergebnisses für AfD und BSW im Osten sind ein Koalitionsbruch und vorzeitige Neuwahlen die denkbar schlechtesten Optionen für die regierenden Parteien. Auch über Kanzler Olaf Scholz und seinen Anteil an dem desaströsen Abschneiden der Ampelparteien im Osten wird nicht gesprochen.
Was Scholz zum wohl größten Elefanten im Raum der Elefantenrunde macht.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hingegen ist sichtbar zufrieden mit sich und der Gesamtsituation im Osten: „Wir sind wieder da!“, freut er sich und interpretiert die Wahlergebnisse in Sachsen wie Thüringen als „Regierungsauftrag“ seitens des Volkes. Wie das gehen soll? Da will sich Linnemann noch nicht so festlegen. Klar ist nur: Jedwede Bündnisse mit der AfD sind weiterhin ausgeschlossen.
„Gespannt, wie lange die CDU sich gegen diese Logik wehren kann“
Doch selbst solche brüsken Absagen können Bernd Baumann, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, nicht das glückliche Grinsen aus der Mimik wischen. „Gegen ein Drittel der Wähler zu regieren und sie auszuschließen, das funktioniert auf Dauer nicht“, bescheidet er der Union und ihren potenziellen Partnerparteien.
Für ihn gebe es sowieso immer weniger Unterschiede zwischen der AfD und der CDU, seit diese sich unter Führung von Friedrich Merz in Tanzschritten nach rechts übe. Dass die CDU nun etwa in der Migration Forderungen mit AfD-Einfärbung ins Programm schreibe, aber weiterhin an der Brandmauer festhalte: „Ich bin mal gespannt, wie lange die CDU sich gegen diese Logik wehren kann.“
Wir haben verstanden? Nach dieser Elefantenrunde deutet wenig darauf hin
Davon, dass die Ampelparteien ihre Politik im Osten offenbar zu wenig erklärt haben, dass die bisherigen Volksparteien mit den Menschen jenseits der Berliner Stadtgrenze „mehr ins Gespräch“ kommen müssen: Davon ist in der „Berliner Runde“ immer wieder die Rede.
Und dann wird doch wieder über die Sorgen und Ängste der Wählerinnen und Wähler hinweggeredet: Man streitet um Dublin II, um die juristischen Tücken des Asylrechts und darüber, warum die AfD bis auf Weiteres das Enfant terrible am politischen Tisch bleiben muss.
Wir haben verstanden? Derlei sagen politische Vertreter gerne, wenn sie an Wahltagen mit dem Volkswillen konfrontiert werden. Nach dieser Elefantenrunde deutet wenig darauf hin, dass die seismischen Wellen des politischen Ost-Bebens auch Berlin erreichen. Und dort die ganz großen Elefanten ins Wanken bringen.