TV-Kolumne „Caren Miosga“ - Merz gibt sich kanzlerhaft und weicht einer gefährlichen Falle von Miosga aus
Friedrich Merz präsentiert sich bei Miosga mit klaren Worten und harter Hand. Er plädiert unter anderem für eine Rückkehr zur Wehrpflicht, kritisiert die aktuelle Regierung scharf und fordert eine stärkere Rolle Europas gegen Putin.
Blaues Jackett, grauer Pullover und ab und zu ein verschmitztes Lächeln - der Kanzlerkandidat der CDU/CSU kommt als bürgerlicher Normalo in die deutschen Wohnzimmer geflimmert. Seine Sprache ist überraschend gemäßigt, nicht mehr der Scharfmacher, der darüber plaudert, dass Asylsuchende beim Zahnarzt um die Ecke bevorzugt behandelt werden.
Friedrich Merz will Kanzler werden und so gibt er sich auch. Zwar fänden nur ein Viertel der Deutschen in Umfragen Merz als Kanzler gut, aber die Anwärter anderer Partei - wie etwa Olaf Scholz - schneiden noch schlechter ab.
Im Vergleich zu Scholz redet Merz bei Caren Miosga klar und verständlich. Er hat eine Meinung, ein Ansinnen und will das - im Gegensatz zu den viel zu vielen Worthülsen des aktuellen Kanzlers - an diesem Abend an den Zuschauer bringen.
Friedrich Merz: „Warum machen sich die Europäer selbst so klein?“
Merz will Kanzler werden - also beantwortet er vor allem Kanzler-Fragen: Es geht bei Miosga um den Ukraine-Krieg, die Bundeswehr, über Nato und die USA, die deutsche Wirtschaft, das Bürgergeld und die Wehrpflicht.
Es geht Merz darum, Pflöcke in den politischen Acker zu rammen, an dem seine Kanzlerschaft gedeihen kann. Spätestens an diesem Abend hat die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs begonnen.
Merz will beispielsweise eine starke EU im Hinblick auf Putin. „Ich hätte versucht, die Konferenz zu retten“, sagt er. „Warum absagen? Warum machen sich die Europäer selbst so klein?“ Er hätte mit Selenskyj und den Chefs der europäischen Länder trotz Absage des US-Präsidenten Joe Biden über das weitere Vorgehen im Ukraine-Krieg debattiert.
Merz will die Wehrpflicht zurück
Ohnehin plädiert Merz für ein härteres Vorgehen. „Ich hätte Putin gesagt, wenn du nicht aufhörst, die soziale Infrastruktur in der Ukraine zu zerstören, heben wir die Reichweitenbeschränkung auf“, erklärt er.
Im zweiten Schritt hätte Merz den Ukrainern Taurus-Marschflugkörper zugesagt. Die USA seien „nicht mehr die starke Ordnungsmacht, die wir gewohnt sind.“ Europa müsse eine führendere Rolle einnehmen.
„Die Risikoanalyse zeigt, dass Putin so aufrüstet, dass er in fünf bis acht Jahren in der Lage ist, Nato-Gebiet anzugreifen.“ Merz kann sich vorstellen, dass Deutschland deshalb nicht nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert, sondern drei Prozent. Zudem will er ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr einführen, sprich: Die Wehrpflicht kommt zurück.
Miosga: „Macho der alten Schule“
Wenn Merz Kanzler werden will, muss er vor allem stärker bei den Frauen punkten. Doch viele Frauen halten, so sagt es Miosga, Merz „als Macho der alten Schule“. „Ich fühle mich damit überhaupt nicht angesprochen“, kontert er.
Merz hat sich mittlerweile heiß geredet. Sein Gesicht ist errötet. „90 Prozent der Frauen trauen sich wahrscheinlich nicht mehr abends durch die Stadt zu gehen.“ Darüber müsse man reden.
„Wir brauchen mehr Polizeipräsenz, müssen die Ausländerkriminalität in den Griff kriegen.“ Von einem paritätisch besetzten Kabinett halte er indes wenig. Er wolle zwar mehr Frauen in die Politik bringen, man tue aber „den Frauen keinen Gefallen, wenn man sie mit erzwungener Parität in die Ämter bringt“.
„Wir müssen Ruhe in das Land bringen“
Der Kanzlerkandidat weiß, dass er - gerade im Hinblick auf die Grünen - vor allem mit der Wirtschaftskompetenz der CDU Wähler an die Urne holen kann. „Wir müssen Ruhe in das Land bringen“, sagt er. „In der Regierung darf nicht ständig erstritten werden.“
Der Standort Deutschland müsse stabilisiert werden, damit der „Kapitalabfluss gestoppt wird“. Auch könne er sich vorstellen, dass künftig mehr privates Kapital in die deutsche Infrastruktur fließt. Auf den Konten der Deutschen lägen 28 Billionen Euro. „Warum kann man nicht zehn Prozent davon investieren?“
Der Staat könne Privatinvestoren dafür gewisse Garantien geben. Ganz staatsmännisch lobt Merz sogar die Agenda 2010 von Gerhard Schröder. Die habe dafür gesorgt, dass es in Deutschland zehn Jahre Wachstum gegeben hätte und Deutschland das stärkste Wirtschaftswachstum in ganz Europa gehabt habe.
„Ich muss mit Trump und Harris klarkommen“
CDU-Bundesvorsitzender Merz generiert sich als starker Mann, der in der Innen-, aber auch schon in der Außenpolitik klare Signale aussendet. Er will vor allem den Wirtschaftsstandort Deutschland international wieder nach vorne bringen und Europa ein neues Selbstbewusstsein einhauchen.
Das Problem: Dem Juristen Merz fehlt in der großen Weltpolitik reichlich Erfahrung. Als Caren Miosga den Kanzlerkandidaten aufs glatte internationale Parkett führen will, reagiert Merz dennoch diplomatisch.
Auf die Frage, wem Merz im US-Wahlkampf seine Stimme geben würde, Kamala Harris oder Donald Trump, antwortet Merz: „Wenn ich Bundeskanzler werden will, gebe ich doch jetzt keine Stimme ab. Ich muss mit beiden klarkommen.“