TV-Kolumne - Gelingt die Ampel-Wende? Die Diskussion bei Illner lässt Schlimmes befürchten
Bei „Maybrit Illner“ in der ARD sind sich alle Politiker einig, was das die Probleme der Ampel sind. Doch bei den zu ziehenden Konsequenzen daraus gibt es Unterschiede. Dabei hilft es auch nicht, dass die Grünen wohl bald zur Ein-Mann-Partei von Robert Habeck werden.
Es ist ein merkwürdiger Diskussionsabend bei „Maybrit Illner“. In der Runde sitzen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig von der SPD, und die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge. Alle drei Politiker sagen grundsätzlich das Gleiche: Die Politiker der Mitte müssten die wichtigen Sachthemen lösen, sonst werden Partei wie die AfD und BSW gestärkt.
Die Ränder schöpfen ihren enormen Zuwachs an Wahlstimmen also aus dem Versagen der etablierten Parteien. Bei SPD-Frau Manuela Schwesig klingt das dann so: „Alle Parteien müssen sich demokratisch verbessern, um es besser zu machen. Nicht nur die Ampel, auch die CDU. Wenn die großen gesellschaftlichen Themen nicht gelöst werden, wird die AfD stärker.“
Schwesig erwartet, dass „eine Regierung arbeitet und umsetzt“
Trotz ihres Plädoyers für ein Miteinander der Mitte sagt Manuela Schwesig aber zugleich auch, dass die SPD wieder mehr zeigen müsse, wofür sie stehe. SPD-Themen müssten sichtbarer werden. Dazu gehörten etwa das Tariftreuegesetz und gute und sichere Renten. „Wir können es uns nicht leisten, gesetzliche Renten zu kürzen. Das sind alles unsere Leute“, erklärt die Ministerpräsidentin.
Zugleich habe sie die Erwartung, dass „eine Regierung arbeitet und umsetzt“. Sie halte nichts von „Diskussionen über rote Linien und darüber, wer wann aussteigt“. Schließlich sei man sich beim Erarbeiten des Koalitionsvertrages noch so einig gewesen.
Blöd nur, dass die Koalitionspartner der SPD ganz andere Themen oben auf ihre jeweilige Agenda stellen. Das kann nicht gut gehen. Die Grünen wollen sich stärker im Wohnungsbau engagieren – und sehen das auch als Möglichkeit, die Inflation zu senken. Die FDP will vor allem die Wirtschaft in Schwung bringen.
Die Grünen werden zur Ein-Mann-Partei von Robert Habeck
Weil die Ampel aus der Sicht der Wähler aber offenbar nicht gut funktioniert, verlieren die drei Parteien massiv in der Wählergunst. Die Liberalen flogen seit ihrer Regierungsbeteiligung gleich aus sieben Landesparlamenten raus. Anstatt aber die Themen der Partei zu analysieren, definiert FDP-Chef Christian Lindner die Wahlklatschen ausschließlich als Produkt einer schlechten Ampel-Politik. Statt mehr Zusammenarbeit bei Sachthemen gibt es immer weniger.
Und jetzt werden die Grünen nach den angekündigten Abtritten der Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour auch noch zur Ein-Mann-Partei von Robert Habeck . Als hätte der mit seinem Ministeramt nicht genug zu tun, stehen ihm nun zusätzlich Flügelkämpfe innerhalb der Grünen ins Haus.
Oder wie Schwesig die Runde bei Illner erinnert: „Wenn wir so eine Aktion, wie das Heizungsgesetz machen, müssen wir uns nicht wundern, wenn das Vertrauen verloren geht.“ Das Problem: Die Koalitionäre wurschteln bis zur Bundestagswahl 2025 so weiter. Es sei denn einer der Herren Scholz, Lindner oder Habeck zieht persönlich die Reißleine.
„Regieren oder das Regieren abgeben“
„Ich frage mich, ob auch nur ein Teil der wichtigen Themen die Chance hat, umsetzt zu werden. Wir brauchen eine Bundesregierung, die handelt. Stattdessen kommen jeden Tag neue Milliarden-Löcher auf den Tisch“, sagt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Er mache sich „große Sorgen“ um Deutschland.
„Entweder kommt die Ampel noch mal in den Arbeitsmodus oder sie muss zurücktreten.“ Diese Regierung mache Zusagen, um sie kurz darauf zu brechen, weil man sich intern nicht einig sei. Seine CDU lehne sich angesichts der Lage zwar nicht zurück, aber man wisse als CDU gar nicht, mit wem man zusammenarbeiten könne, wenn die Ampel selbst sich nicht einig sein. „Die Ampel muss regieren oder sie muss das Regieren abgeben“, fordert Wüst.
„Nicht Sinn der Demokratie, dass alle da hingehen, wo sie nicht hinwollen“
Ad absurdum geführt wird die Debatte um das Lösen von Sachthemen durch das Ergebnis der Brandenburg-Wahl. Dort hatte Ministerpräsident Dietmar Woidke die Wahl für die SPD vor der AfD mit der Strategie gewonnen, dass die Wähler vor allem die AfD als stärkste Kraft verhindern sollten. Sprich: Wer keine AfD wolle, müsse SPD wählen. Im Falle einer Wahlpleite kündigte Woidke sogar seinen Rücktritt an. „Die sind dann am Wahltag zum Marktführer gegangen“, stellt CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst fest.
„Es kann aber nicht Sinn der Demokratie sein, dass alle da hingehen, wo sie eigentlich nicht richtig hinwollen.“ Und was vielleicht noch schlimmer ist: Das ganze Gerede über die Bedeutung von gesellschaftlichen Problemlösungen macht an dieser Stelle keinen Sinn mehr. Sachthemen spielten beim SPD-Sieg in Brandenburg eine deutlich untergeordnete Rolle. Das war keine Themen-Wahl, sondern eine Personenwahl.