TV-Kolumne „Hart aber fair“ - Nach 75 Minuten ist Klamroth selbst klar, was das für ein Murks war

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In einer emotional aufgeladenen ARD-Diskussionsrunde zum Nahostkonflikt prallen die Fronten aufeinander. Klöckner und Amani geraten heftig aneinander, Moderator Louis Klamroth wirkt sichtlich überfordert. Diese Sendung war zwar hart, aber keineswegs fair.

„Das war keine ganz einfache Sendung“, gesteht „Hart aber fair“-Moderator Louis Klamroth zum Ende der 75 Minuten fast schon entschuldigend in Richtung Zuschauer. „Aber danke, dass Sie an dieser Diskussion teilgenommen haben.“

War das überhaupt eine Diskussion? Tatsächlich muss sich der Zuschauer fragen, was er neben peinlichen Unhöflichkeiten, wüsten Emotionen und der wechselseitig vorgetragenen, meist sinnlosen Bitte „Lassen Sie mich ausreden“ eigentlich gehört hat. Was für ein Murks.

Im Wesentlichen wurden alte Ressentiments ausgekippt und prallten hart - und keineswegs immer fair - aufeinander. Statt einer halbwegs gelungenen Analyse standen Urteile im Vordergrund, die oft noch dazu auf wenig belastbaren Zahlen basierten.

Klamroth kann Diskussionen um Nahost nicht leiten

Vor allem CDU-Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner und Aktivistin Enissa Amani fanden keinen Draht zueinander. Stattdessen Kopfschütteln auf der einen Seite und aufgebrachtes Gestikulieren auf der anderen Seite. Ersichtlich wird vor allem eines: Ein Thema wie der Krieg in Nahost lässt sich nicht mit plakativen Sprüchen erörtern und in den Griff bekommen.

Jede einfache Verbalisierung bringt sofort die Gegenseite auf den Plan. Klöckner sagt: „Israel schützt Waffen, um die Bevölkerung zu schützen. Die Hamas nutzt die Zivilbevölkerung, um die Waffen zu schützen.“ Israel habe das Recht, sich zu verteidigen, findet Glöckner, während die Hamas bewusst TV-Bilder von bombardierten Schulen im Gazastreifen provozieren wolle.

Zwar erwähnt Julia Klöckner noch nebenbei, dass man die Frage, ob die Angriffe von Israel noch verhältnismäßig seien, „nicht mit Menschenleben aufrechnen kann“. Aber dann passiert genau das.

„Altes Videomaterial der Hamas“

Plötzlich steht die Zahl 40.000 im Raum. So viele Palästinenser sollen von Israels Armee inzwischen getötet worden sein, sagen die Palästinenser. Klöckner sagt: „Ich bin immer skeptisch bei Zahlen, die von Terroristen kommen.“ Andere Quellen gehen von 25.000 oder 35.000 aus.

Philipp Peyman Engel, der Chefredakteur der Wochenzeitung „Jüdische Allgemeine“, erklärt angesichts der jüngsten Bilder eines Bombenangriffs auf eine Schule, dass das „altes Videomaterial der Hamas“ gewesen sein.

„Die öffentliche Meinung ist wieder mal der Propaganda auf den Leim gegangen.“ Die Runde zieht Tote ab, fügt sie wieder hinzu, relativiert, unterscheidet nach Frauen, Männern und Kindern. Das ist nur zynisch.

Im ARD-Talk kämpfen Hardliner auf beiden Seiten

Der ARD-Talk zeigt vor allem, wie reflexhaft Gefühle und Argumente von den Diskutanten bei diesem Thema sind. Würde man einen Palästinenser und einen Israeli vor Ort fragen, welches sein größter Wunsch wäre, wären beide Antworten klar. Friede für die jeweilige Gesellschaft, Sicherheit für das eigene Haus, stabile Lebensbedingungen für die eigene Familie.

Nicht ein Bewohner dieser Region würde sich wohl Krieg mit seinem Nachbarn wünschen. Die Hardliner in den Regierungen und Führungszirkeln haben sich hüben wie drüben durchgesetzt und nehmen ihre Völker als Faustpfand. Tatsache ist auch, dass Israel seine offiziellen Ziele nicht erreichen wird: Die Hamas wird nicht zerstört werden und auch die Möglichkeit eines Angriffs auf Israel bleibt in der Region latent. Das einzige Ergebnis ist eine absolute Zerstörung des Gazastreifens.

Sendung über eine Lösung

Die Diskussionsrunde hat die Unterschiede der Kriegsparteien deutlich gemacht. Was bleibt, ist der ernüchternde Eindruck von verhärteten Fronten und einem mitunter überforderten Moderator. Vielleicht könnte sich Louis Klamroth an einem der kommenden Montage mit seinen Gästen mal der Frage widmen, wie in Nahost ein Weg zum Frieden beschritten werden und es nach Kriegsende weiter gehen könnte.

Denn auch nach neun Kriegsmonaten hat die israelische Regierung keine Idee angedeutet, was eigentlich nach der militärischen Auseinandersetzung geschehen soll. Israel statuiert ein Exempel, eine Lösung ist das noch nicht. Immerhin sind zwei der Gäste noch zu einem kleinen Schulterschluss fähig.

Soziologe Jules El-Khatib, dessen Familie zum Teil im Gazastreifen lebt, will Israel-Unterstützerin Julia Klöckner demnächst als Rednerin auf eine Pro-Palästinenser-Kundgebung mitnehmen. Wenn das mal gut geht?

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