TV-Kolumne „hart aber fair“ - Gewalt gegen Frauen: Entscheidendes Detail verschweigt der ARD-Talk mit Lang
Woran liegt es, dass Gesellschaft und Politik gleichermaßen nicht in der Lage sind, die wachsende Gewalt gegen Frauen in den Griff zu bekommen? Bei „hart aber fair“ trifft Empörung auf Betroffenheit – nur Lösungen gibt es keine.
Männer, die Frauen mit einem Kuhhorn auf den Allerwertesten schlagen: Darf so etwas sein? Keinesfalls, entschied Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD). Und so ist die Nordseeinsel Borkum nun um eine Tradition ärmer: Die Veranstalter des „Klaasohm“ wollen diesen Brauch nach dem medialen Wirbel darum abschaffen. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von jeder Form der Gewalt gegen Frauen und entschuldigen uns für die historisch gewachsenen Handlungen vergangener Jahre“, teilte der Verein Borkumer Jungens mit.
Nun ist Gewalt gegen Frauen leider nichts, was lediglich am Nikolaustag auf Borkum stattfindet. Der größte potenzielle Feind einer Frau ist ihr Ehemann, weiß der Volksmund, und die Statistik gibt ihm recht: Alle drei Minuten wird eine Frau hierzulande Opfer von häuslicher Gewalt, jede dritte Frau erlebt derlei im Laufe ihres Lebens.
Und es werden eher mehr als weniger: 2023 ist die Zahl der häuslichen Gewalttaten um 6,5 Prozent gewachsen im Vergleich zum Vorjahr. In zwei von drei Fällen ist das Opfer weiblich, in zwei von drei Fällen ist der Täter männlich.
Das Internet als Paradies für Hater
Wie kann das sein in einer Gesellschaft, die sich als aufgeklärt und modern sieht und in der die Gleichberechtigung – auch zwischen Mann und Frau – ein Grundrecht ist? Bei „hart aber fair“ sieht Grünen-Politikerin Ricarda Lang die Zunahme der Gewalt gegen Frauen auch im Internet als Nährboden für antifeministischen Hass: Jeder kleine Wicht kann hier die ganz große Verbalkeule schleudern und seinen Wutfantasien freien Lauf lassen. Auf billigste Weise digital gegen Ricarda Lang zu hetzen, bringt den Kommentatoren in der Regel keinen Ärger ein, sondern meist nur virtuellen Beifall.
Seit sie als Politikerin in der Öffentlichkeit steht, sieht Lang sich deshalb mit drastischen Beleidigungen und Schlimmerem konfrontiert, sobald sie in die angeblich sozialen Medien blickt. „Wir nehmen die Plattformen zu wenig in die Verantwortung“, findet die ehemalige Grünen-Vorsitzende. Auf deren Selbstregulation müsse man nicht hoffen: Hass, Wut und Beleidigungen klicken einfach zu gut.
Lieber ein Täterhaus als ein Frauenhaus?
Vielleicht hat die stille gesellschaftliche Billigung solcher Missstände aber auch damit zu tun, dass Gewalt gegen Frauen stets als Frauenthema diskutiert und behandelt wird. Und das, obwohl die Täter in den allermeisten Fällen männlich sind. Es sind die Frauen, die – falls sie rechtzeitig den Absprung schaffen – bei Nacht und Nebel ihr Zuhause verlassen und ins Frauenhaus fliehen müssen. Und sich dort bislang sogar noch an den Unterbringungskosten finanziell beteiligen müssen.
Warum denn nicht die Täter in ein Täterhaus müssen, fragt der Ethnologe und Autor Fikri Anıl Altıntaş provokant bei „hart aber fair“. „Am Ende sind das keine Frauenthemen, sondern Grundfragen einer demokratischen Gesellschaft“, betont auch Lang.
Wer sind die Täter? Das verschweigt der ARD-Talk
Doch auch die jüngst gescheiterte Ampelkoalition hat sich viel Zeit gelassen, um hier tätig zu werden, erst jetzt soll das Gewalthilfegesetz betroffenen Frauen einen kostenfreien Zugang zu Schutz- und Beratungseinrichtungen ermöglichen. Mit „Hass und Gewalt gegen Frauen: Ist Empörung genug?“ hatte „hart aber fair“ die Sendung betitelt. Doch auch wenn man sich einig ist, dass Empörung nicht genug ist: Viel mehr als Empörung kommt nicht rüber.
Worüber hingegen nicht geredet wurde: Wer sind die Täter – und warum wächst deren Hass auf Frauen offenbar mit jedem Jahr? Altıntaş spricht von toxischen Männlichkeitsideen und davon, dass männliche Teenager, die sich davon angezogen fühlen, „die Rechtsextremen von morgen“ sind. Ähnlich sieht das auch Lang: Wer AfD wählt, spricht sich offen aus gegen all das, was bislang erreicht wurde zum Schutz und zur Stärkung der Frauen. Jetzt rot-grün wählen und schon ist wieder Gleichberechtigung? Diese Hoffnung kann man zumindest fragwürdig finden, aber es ist ja Wahlkampf.